- Fettnapf-Kandidat trifft Affären-Präsident
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat Frankreichs Präsidenten François Hollande in Paris getroffen. Beide kämpfen mit schlechten Umfragewerten. Können sie einander helfen?
Sie haben es momentan beide nicht leicht. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Frankreichs Staatspräsident François Hollande trafen sich am Freitag an einem Tiefpunkt ihrer Sympathiewerte in der Bevölkerung. Die Zustimmung der Deutschen für Steinbrück liegt nach dem jüngsten ARD-„Deutschlandtrend“ nur noch bei 32 Prozent. Hollande steht sogar noch schlechter da: Nach dem Skandal um ein Schwarzgeldkonto seines zurückgetretenen Budgetministers Jérôme Cahuzac sind gerade mal 27 Prozent der Franzosen mit Hollandes Arbeit zufrieden.
Wie ist das Treffen zwischen Steinbrück und Hollande gelaufen?
François Hollande und Peer Steinbrück würden sich freuen, wenn die deutsche und die französische Regierung zukünftig dieselbe politische Couleur hätten. Das konnte man jedenfalls aus den Worten schließen, mit denen der Kanzlerkandidat der SPD nach dem Empfang im Elysée-Palast vor Journalisten um Verständnis für die Situation des sozialistischen Staatspräsidenten warb, dessen Politik nur noch von einem Drittel der Franzosen gutgeheißen und im Ausland, nicht zuletzt in Deutschland, auf Skepsis stößt.
„Man kann nicht erwarten, dass Hollande in den zehn Monaten seit seiner Wahl alles nachholt, was von seinen konservativen Vorgängern in zehn, fünfzehn Jahren versäumt wurde“, sagte Steinbrück. Auch die Agenda 2010 des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder habe erst nach Jahren Rendite abgeworfen. Er erneuerte seine bei seinem letzten Besuch in Paris vertretene Linie, die Krise in Europa nicht allein durch Sparen, sondern auch durch Wachstumsmaßnahmen zu bekämpfen. Viele Länder gerieten in einen Teufelskreis, aus dem sie nicht mehr herauskämen, sagte er. Weder er noch Hollande bestritten, dass es notwendig sei, die Haushalte zu konsolidieren. Die Frage sei jedoch die Dosierung. Steinbrück kritisierte, dass die im Juni beschlossene Wachstumsinitiative der EU im Sande verlaufen sei.
Vor dem Hintergrund der Debatte über den Kampf gegen Steuerflucht, die in Frankreich mit dem Skandal des zurückgetretenen Budgetministers Jérôme Cahuzac zu einer Staatsaffäre geworden ist, nutzte der Kanzlerkandidat die Gelegenheit zu einer im Ausland ungewöhnlichen Kritik an der Bundesregierung. Er warf ihr vor, ein Abkommen mit der Schweiz angestrebt zu haben, das für Steuerflüchtlinge praktisch eine Amnestie vorsah. Er nannte „Heuchelei“, wenn die CDU jetzt ein „Steuer-FBI“ fordere, nachdem sie die Steuerfahndung in Deutschland ins Abseits befördert habe.
Wie eng will sich Steinbrück an Hollande binden?
Es war bereits die vierte Begegnung zwischen Hollande und Steinbrück, aber der erste Besuch, den der SPD-Politiker seit seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten in Paris absolvierte. Außer dem Gespräch mit Hollande standen Treffen mit Premierminister Jean-Marc Ayrault sowie dem Parteichef der Sozialisten Harlem Désir auf seinem Programm. Die Einladung des Kanzlerkandidaten darf als ein deutlicher Wink verstanden werden, wem im Elysée-Palast die Präferenz bei der bevorstehenden Bundestagswahl gilt. Dass Hollande zum Wahlkampf nach Deutschland reist, ist indes unwahrscheinlich.
Im vergangenen Jahr hatte sich die SPD-Spitze mit dem französischen Sozialisten beim Kampf gegen die Euro-Krise eng abgestimmt und Kanzlerin Angela Merkel das Versprechen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer und ein Bekenntnis zu einer stärkeren europäischen Wachstumspolitik abgerungen. Hollande empfing die SPD-Troika damals sogar noch vor Merkel.
Allerdings beklagt die SPD, die Bundesregierung verschleppe die Umsetzung der Zusagen, ohne die die SPD im Bundestag nicht für den EU-Fiskalpakt und den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM gestimmt hätte. Hollande und Steinbrück eint die Überzeugung, dass eine einseitige, übertriebene Austeritätspolitik die Krisenländer der EU in den Ruin treiben würde, weil sie nicht nur hohe soziale Kosten hat, sondern auf Dauer auch die Wirtschaft abwürgt.
Der Gleichklang auf europäischer Ebene bedeutet allerdings nicht, dass die SPD etwa Hollandes Reichensteuer von 75 Prozent oder die Rente mit 60 für richtig oder gar übertragbar hält. In diesen Fragen markiert Steinbrück, der glühende Anhänger der Agenda-Politik der Schröder-Regierung, mit höflichen Worten eine große Differenz zu Hollande.
Die Bundesregierung wird auch nicht von der Furcht vor einem neuen Zangenangriff der SPD und Hollandes umgetrieben. Zwar hat auch in der Koalition niemand Interesse an einem wirtschaftlich schwachen Nachbarland. Doch gibt es die Hoffnung, dass die schlechten Arbeitslosen, Wirtschafts- und Haushaltsdaten den französischen Präsidenten zwingen, „von seinem sozialistischen Baum herunterzukommen“, wie das ein Koalitionsvertreter in Berlin nennt. Die Erwartung ist, dass er sich von Teilen seiner Wahlkampfversprechen verabschiedet und auf eher pragmatische Weise durch Reformpolitik die Wettbewerbsfähigkeit seines Landes erhöht. In Regierungskreisen wird der Besuch des SPD-Kandidaten in Paris eher hämisch kommentiert: Steinbrück könne damit beim deutschen Wähler nur verlieren, der keine Neben-Außenpolitik schätze, heißt es.
Allerdings will die SPD die Debatte um die Euro-Rettung gar nicht zu einem Schwerpunkt ihres Wahlkampfes machen. Da laut Umfragen eine breite Mehrheit der Deutschen mit dem Krisenmanagement der Kanzlerin zufrieden ist und sie als Hüter eigener finanzieller Interessen schätzt, wäre Steinbrück schlecht beraten, in der Auseinandersetzung vor allem auf das Versprechen einer anderen Krisenpolitik zu setzen. Je näher der deutsche Wahltermin rückt, um so unwahrscheinlicher wird es, dass Steinbrück noch einmal die Nähe Hollandes sucht. Allerdings wird der Präsident bei der Feier zum 150. Geburtstag der SPD im Mai in Leipzig neben Bundespräsident Joachim Gauck der Festredner sein.
Wie will die SPD trotz schlechter Umfragewerte für Steinbrück punkten?
Ihre Hoffnung setzt die SPD auf eine Wiederholung ihres Erfolgs bei der Landtagswahl in Niedersachsen Ende Januar. Dort war Amtsinhaber David McAllister (CDU) noch beliebter als Angela Merkel heute, anders als die schwarz-gelbe Koalition im Bund bekam auch seine Landesregierung von den Bürgern positive Noten. Trotzdem siegte der bei den persönlichen Sympathiewerten weit abgeschlagene SPD-Herausforderer Stephan Weil knapp.
Auch im Bund will die SPD nun mit ihren Themen punkten, die sich um das Versprechen sozialer Gerechtigkeit drehen. In Umfragen befürworten jeweils deutliche Mehrheiten die SPD-Vorhaben wie den gesetzlichen Mindestlohn, Kitaplätze statt Betreuungsgeld oder Schranken gegen zu hohe Mietsteigerungen. Die SPD will damit Merkels Popularitätsbonus gleichsam unterlaufen und zudem mit Millionen von direkten Kontakten in Stadtvierteln mit potenziell SPD-affiner Sozialstruktur Wähler mobilisieren.
Hoffnung schöpfen SPD-Strategen auch aus dem Umstand, dass ihre Partei trotz des Gegenwinds in den Umfragen so geschlossen wie selten auftritt. „Wenn etwas bei uns funktioniert, dann ist es die Geschlossenheit“, sagt ein Sozialdemokrat. Sogar als Steinbrücks zumindest missverständliche Äußerungen zum zu niedrigen Kanzlergehalt in Deutschland die Endphase des Niedersachsen-Wahlkampfes verhagelten, wurde aus der SPD zumindest öffentlich keine Kritik am Kandidaten laut.
Am Sonntag in zehn Tagen will die SPD auf ihrem Parteitag in Augsburg ihr Wahlprogramm verabschieden und damit Unterstützung für ihren Kandidaten bekunden. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Delegierten größere Kontroversen austragen wollen, die Steinbrück zur Last werden.
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