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Wagner-CD von Tal & Groethuysen - Wenn zwei Klaviere wie eines klingen

Das Klavierduo Tal & Groethuysen spielt Wagner auf zwei Klavieren und mischt das Repertoire auf

Autoreninfo

Michael Stallknecht ist Musikkritiker und Autor und spielt zur Erholung gerne Bach am Klavier

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In hunderten kleinen Noten sprüht noch das vernichtende Feuer, bevor der Gesang von der erlösenden Liebe alles in gewaltigen Legatobögen überschwemmt: Unter den vielen Projekten zu Richard Wagners 200. Geburtstag in diesem Jahr ist die neue CD des Duos Yaara Tal und Andreas Groethuysen – kurz: Tal & Groethuysen – eines der ungewöhnlichsten: Ausschnitte aus den Musikdramen des Bayreuthers, darunter der monumentale Schluss der „Götterdämmerung", dargeboten auf zwei Klavieren.

„Ein derart emotionales oder sinnliches Repertoire haben wir noch nie eingespielt", sagt Yaara Tal. Das will etwas heißen, schließlich brechen sie und ihr Duopartner Andreas Groethuysen den Klaviermarkt schon lange mit unermüdlichen Repertoireentdeckungen auf. Wer außer ihnen spielt Werke von William Sterndale Bennett oder Charles Koechlin? Sieben Mal brachte ihnen das den „Preis der Deutschen Schallplattenkritik" und vier Mal den „Echo Klassik" ein.

Dass ihnen die Plattenfirma Sony Classical auch mit bisher völlig unbekannten Stücken von Anfang an freie Hand gelassen habe, sagt Andreas Groethuysen, sei ein „auf dem heutigen Markt kaum noch möglicher Glücksfall". Er gibt zu, dass sie dabei zunächst aus der Not eine Tugend gemacht hätten. Das Standardrepertoire für das vierhändige Klavierspiel und das zu zwei Klavieren ist nicht riesig. Die zentralen Gesamtwerke von Mozart und Schubert oder Repertoirerenner wie Dvořáks „Slawische Tänze" hat das Duo längst ebenfalls eingespielt.

Aber daneben durchsuchte Groethuysen unentwegt die Bibliotheken nach immer neuen Raritäten. Inzwischen, sagt er, gebe es auch „Netzwerke von Freaks im Internet", die Scans austauschten. Ungefähr 40 000 mögliche Titel habe man inzwischen beisammen: „Ein Musikerleben reicht nicht aus, um das zu spielen." Für ihre Liveauftritte kombinieren Tal & Groet­huysen Bekanntes und Unbekanntes gern zu völlig überraschenden Zusammenstellungen, die sich beim Hören dennoch bis in kleinste musikalische und historische Details als durchdacht erweisen.

Wie man auch die Ausschnitte aus der „Götterdämmerung" als vielfältigen Reflex auf deutsche (Wagner-)Geschichte deuten kann. Die Arrangements des „Trauermarsches" und des Finales stammen von Alfred Pringsheim, dem Schwiegervater Thomas Manns. Dessen außergewöhnliche pianistische und kompositorische Fähigkeiten waren kaum bekannt. Als renommierter Mathematiker pflegte Pringsheim in München eines der angesehensten Häuser, bis die Nationalsozialisten es niederrissen und unter derselben Adresse den „Führerbau" errichteten. Der heute wiederum die Musikhochschule beherbergt, an der Tal und Groethuysen als Professoren die nachkommende Klavierduogeneration ausbilden.

Dass gerade auch jüdische Familien glühende Verehrer Wagners waren, bevor die Nazis diesen für sich pachteten, das zu zeigen, ist Yaara Tal auch ein persönliches Anliegen. Ihrer Familie widerfuhr während des Holocaust Schlimmstes. Sie selbst wuchs in Israel auf, verließ das Land aber mit 24 Jahren. Weil sie, wie sie heute sagt, „wegen Disziplinlosigkeit und mangelnder Anpassungsfähigkeit" die Offiziers­prüfung vergeigt hatte, war ihr während des auch für Frauen verpflichtenden Militärdiensts viel Zeit für das Klavierüben geblieben. In München lernte sie Andreas Groethuysen zunächst rein privat kennen und lieben. Musikalisch nämlich setzte der Architektensohn keineswegs aufs Duospiel.

„Zähneknirschend", sagt Tal, habe er nach fünf Jahren Beziehung für das erste gemeinsame Konzert Repertoire gesucht. Seine Agentin hatte es ihm aus marketingtechnischen Gründen geradezu verordnet. Besonders das vierhändige Klavierspiel unterlag seinerzeit in der Tat zwei Vorurteilen, die Yaara Tal so beschreibt: nur „Hausmusik" zu sein – oder eben „Zirkus". Tal & Groethuysen haben einen wesentlichen Anteil daran, dass dieses doppelte Zerrbild weitgehend verschwunden ist. Den „Zirkus" nämlich veredelten sie zu einer Virtuosität und raffinierten Artistik, die binnen Sekunden den bösen alten Verdacht zerstäuben, zur Solokarriere habe es bei einem von beiden nicht gereicht. Zugleich aber bewahrten sie sich die schönsten Seiten der „Hausmusik": einen geradlinigen Zugang zur Musik und eine unprätentiöse Eleganz. Die Melancholieexzesse zum Beispiel eines Schubert präsentieren Tal & Groethuysen mit vollendeter Lakonie auf der Kippe zwischen Ländlerseligkeit und Todesabgrund. Natürlich, sagt Tal, komme das Duospiel aus der bürgerlichen Musizierpraxis der Familien. „Aber wir wollen zeigen, dass es sich davon genauso emanzipieren kann wie beispielsweise das Streichquartett."

Bis heute sind fast alle erfolgreichen Klavierduos entweder Paare oder Geschwister. Die extreme Synchronisierung von Gefühlen und Vorstellungen, die zwei Klaviere am Ende wie eines klingen lassen sollen, sagt Andreas Groethuysen, funktioniere über winzige körperliche Signale. Er persönlich kann sich das bis heute nur mit einem Lebenspartner vorstellen. In den gelungenen Momenten, beschreibt Yaara Tal, fühle sie sich beim Spielen nicht mehr als Individuum. Wer von beiden welche Stimme spiele, könne sie dann eigentlich nicht mehr unterscheiden. „Dann spielt etwas in uns beiden."

 

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