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SPD - Eine Partei, zwei Probleme, kein Ausweg

Der Parteitag in Berlin hat das Dilemma der SPD eindrucksvoll offenbart. Sie hat einen unbeliebten Vorsitzenden und eine Partei, die zumindest teilweise nicht regieren will. So kann man sich die kommenden Wahlkämpfe auch gleich sparen

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Geschlossen und gestärkt wollte die SPD aus ihrem Parteitag in Berlin hervorgehen. Sie wollte die Chance nutzen und sich gegen eine in der Flüchtlingspolitik zerstrittene CDU als Garant solider Regierungsarbeit präsentieren. Daraus wurde nichts. Ein einziger Wahlgang hat den schönen Plan zerstört. Jeder vierte Delegierte stimmte bei der Vorstandswahl am Freitag gegen den Parteivorsitzenden, der nur auf 74,3 Prozent kam. So etwas hat es in der langen Geschichte der SPD noch nicht gegeben. Man darf dies mit gutem Recht eine Strafaktion nennen.

Sigmar Gabriel hat eigentlich verantwortungsvolle Politik gemacht


Nun hat die SPD gleich zwei Probleme: einen beschädigten Vorsitzenden und eine gespaltene Partei. Einen Vorsitzenden, der unfähig ist, seine Parteifreunde auf seinem pragmatischen Regierungskurs mitzunehmen und eine Partei, die unwillig ist, diesem zu folgen. Einen Vorsitzenden, der nun trotzig sagt: Jetzt erst recht, und eine Partei, die es weiterhin nicht wird lassen können, sich mit sich selbst statt mit dem politischen Gegner zu beschäftigen. Es ist die alte sozialdemokratische Lust an der Selbstdemontage, die die Partei erfasst hat, und es ist kein Ausweg in Sicht. Nichts, so scheint es, hat die SPD aus dem Niedergang der vergangenen zehn Jahre und vor allem aus der Wahlniederlage 2013 gelernt.

Dabei hat Sigmar Gabriel zuletzt so manches richtig gemacht. Er hat in der Flüchtlingskrise in der Großen Koalition eine verantwortungsvolle Politik gemacht, ohne eine grenzenlose Zuwanderung zu propagieren oder rechten Ausländerfeinen nach dem Mund zu reden. Er hat das Thema Vorratsdatenspeicherung abgeräumt, weil die SPD mit diesem Bürgerrechtsthema nichts gewinnen, aber viel verlieren kann. Er hat in der Partei einen Pro-TTIP-Kurs durchgesetzt, weil er als Wirtschaftsminister erstens gar nicht anders kann und seine Partei zweitens mehr Wirtschaftskompetenz braucht. Und er ist von der Forderung nach Steuererhöhungen abgerückt, nachdem er erkannt hat, dass der Steuererhöhungswahlkampf von 2013 viele Wähler verschreckt hat, vor allem jene Wähler, die sich in der „arbeitenden Mitte“ drängen. Wähler also, die die SPD dringend braucht, will sie aus dem 25-Prozent-Keller wieder herauskommen. 

Die Oppositionssehnsucht ist groß


Trotz des Schocks vom Freitag werden viele Genossen ihrem Vorsitzenden auf diesem Mitte-Kurs auch weiterhin nur sehr widerwillig folgen. Obwohl die SPD die Regierungspolitik in der Großen Koalition vom Mindestlohn bis zur Mietpreisbremse prägen konnte, scheint das alte Franz-Müntefering-Motto „Opposition ist Mist“ für viele von ihnen nicht mehr zu gelten. Die Oppositionssehnsucht ist unter Sozialdemokraten groß.

Aber Sigmar Gabriel ist zugleich kein Stratege, der sich langfristig überlegt, wie er seine Partei mitnehmen kann. Er kann politische Stimmungen, wie kein anderer frühzeitig wittern und er ist ein guter Wahlkämpfer. Immerhin sechs Jahre ist es ihm zudem gelungen, diese streitlustige Partei zusammenzuhalten. Aber ist ist eben auch launig, sprunghaft und unberechenbar. Viele Mitstreiter in der Partei hat er so schon vor den Kopf gestoßen. All dies rächte sich nun auf dem Parteitag in Berlin. Gabriel hat sich in seiner Partei zu viele Feinde gemacht. Aber gleichzeitig gibt es keine personelle Alternative, niemanden, der ihm den Parteivorsitz streitig machen könnte. Alle, die dafür in Frage kämen, ziehen derzeit eifrig den Kopf ein.

Vor 2021 gibt es nicht viel zu gewinnen


Nach Lage der Dinge bleibt der SPD dennoch nichts anders übrig, als nach dem Motto „Augen zu und durch“ in die wichtigen Landtagswahlen des kommenden Jahres und in den Bundestagswahlkampf 2017 zu ziehen. Nach Lage der Dinge wird der Kanzlerkandidat der SPD dann Sigmar Gabriel heißen. Denn erstens gibt es niemanden in der SPD, der zur Kanzlerkandidatur drängt und zweitens kann der Parteivorsitzende Gabriel auch gleich zurücktreten, wenn er 2017 kneift und wie 2013 einen anderen Genossen ins Rennen schickt. Und nach Lage der Dinge wird die Partei ihren Kanzlerkandidaten 2017 wieder mit einem eher linken Wahlprogramm einhegen, dass Sigmar Gabriel - wie schon Peer Steinbrück  2013 – im Wahlkampf eher schwächt als stärkt.

Und das alles heißt: Eigentlich kann sich die SPD die kommenden Wahlkämpfe auch gleich sparen und schon für die Bundestagswahl 2021 planen. Vorher gibt es für sie nicht mehr viel zu gewinnen.

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