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Steinmeiers Nahostreise - Realpolitik hat ihren Preis

Die Autokratentour geht weiter. Während Angela Merkel bereits beim türkischen Staatschef Erdogan vorstellig wurde, versucht Frank-Walter Steinmeier zwischen Iran und Saudi-Arabien zu vermitteln

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Politik ist das Bohren dicker Bretter; damit wird Max Weber seit bald 100 Jahren zitiert. Das sagt sich immer leicht für Politiker, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier musste nun erfahren, wie selbst der Bohrer immer wieder abrutschte – bei seinem gewagten Versuch, zwischen den miteinander verfeindeten Mächten Iran und Saudi-Arabien einen Draht zu spannen.

Die Idee dazu war voller Euphorie entstanden. In Lausanne endeten Ende März die Atomgespräche zwischen den USA und Iran erfolgreich. Der feierliche Abschluss war das Wiener Abkommen im Juli. Doch schon im Frühjahr dachten die Chefdiplomaten Deutschlands: Wenn hier selbst zwei kulturell so gegensätzlich scheinende Staaten wie Amerika und Iran zusammenkommen, sich sozusagen „großer Satan“ und „Achse des Bösen“ versöhnen, dann könnte das doch auch zwischen zwei muslimischen Staaten klappen, eben Iran und Saudi-Arabien.

Flüchtlingskrise mildern


Als diplomatischer Erfolg galt bei der Reiseplanung bereits, dass sowohl Irans als auch Saudi-Arabiens Führung trotz dieser – beiden Gastgebern bekannten – Reiseroute den deutschen Außenminister empfangen wollten. Es war kein Geheimnis, dass Steinmeier vermitteln wollte - und zwar wegen akuter deutscher Interessen. Denn inzwischen gilt es, wie auch immer die Flüchtlingskrise zu mildern.

In Teheran sagte Steinmeier das: „Mein Wunsch ist natürlich, dass der Iran seinen Einfluss in der Region und natürlich auch auf Assad und seine Umgebung nutzt, um dafür zu sorgen, dass wir erste Schritte hin zur Deeskalation in Syrien gehen.“

In Riad sprach er die Folgen des Kriegs direkt an: „Selbstverständlich wünschen wir uns von der gesamten Region hier am arabischen Golf, dass sie sich beteiligen an der humanitären Versorgung der Flüchtlinge. Selbstverständlich auch bei der Aufnahme von Flüchtlingen brauchen wir die Golfstaaten.“ Die Botschaft an beide: Kümmert euch um Frieden in Syrien! Auf Iran komme es ebenso an wie auf Saudi-Arabien, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen.

Dem Westen fehlt ein Druckmittel


Deutschland sieht in Syrien ein Schlachtfeld Irans und Saudi-Arabiens, auf dem der schiitische Iran das Assad-Regime darin unterstützt, die Ausbreitung des radikal-sunnitischen Islamischen Staats IS aufzuhalten. Iran hält zu radikalen Schiiten wie der Hisbollah.

Saudi-Arabien wiederum fordert seit Jahren Assads Sturz und bewaffnet die syrische Opposition. Immerhin wird der sunnitische IS vom Königshaus in Riad offiziell auch abgelehnt. Denn diese ultraradikalen Glaubensbrüder der sunnitischen Saudis haben angekündigt, das saudische Herrscherhaus stürzen zu wollen.

Die größten Feinde sieht Riad jedoch nach wie vor in Schiiten und wirft Teheran vor, als aggressive Macht die Region zu destabilisieren. Iran unterstützte zuletzt tatsächlich – so die offizielle deutsche Sicht - massiv die schiitischen Houthi-Rebellen im Jemen. Die Saudis führen im Jemen aktiv Krieg gegen die schiitischen Rebellen. Und vor diesen schiitischen Milizen ist im März Jemens Präsident geflohen – und zwar nach Saudi-Arabien. Da Deutschland ihn anerkennt als rechtmäßigen Vertreter Jemens, hat Steinmeier auch ihn am Montag in Riad getroffen.

Doch sowohl seine Gespräche in Iran als auch bei den Saudis schienen erfolglos, was das Vermittlungsziel zwischen beiden angeht. Irans Interesse sind die baldige Aufhebung der Sanktionen. Da der Atomdeal nur noch von Teheran umgesetzt werden muss, könnte das schon im Frühjahr soweit sein. Es fehlt dem Westen nun dieses Druckmittel, um eine Annäherung an Saudi-Arabien zu erreichen.

Iran kann sich daher auch öffentlich weigern, von Assad abzurücken. Das wiederum gibt Saudi-Arabien einen für Riad handfesten Grund, keinesfalls auf Steinmeiers Wunsch einer Annäherung mit Iran einzugehen.

Diplomatisch verworren und verknotet


Saudi-Arabiens neuer, junger Außenminister Al-Jubeir sagte Steinmeier unmissverständlich: „Es muss kristallklar sein, dass Assad keine Zukunft hat.“ Ein Massenmörder gehöre gestürzt. Steinmeier hielt dagegen: Kurzfristig könne Assad vielleicht noch eine Rolle spielen zur Befriedung. Nach deutscher Sicht müsse die Reststaatlichkeit Syriens bewahrt werden. Langfristig könne es jedoch mit Assad nicht weitergehen. Und auch der Atomdeal mit Iran wird von Riad als Irrsinn gesehen: Mit dem Geld, das in Iran nach Ende der Sanktionen wieder sprudeln wird, werde Teheran all seine extrem-schiitischen Garden aufrüsten und so den Nahen Osten weiter destabilisieren.

Diese Reise war also diplomatisch verworren und verknotet wie wenige bisher. Denn iranische und saudische Waffen sind im Nahen Osten an etlichen Fronten gegeneinander gerichtet. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass durch Steinmeiers Gespräche ein direkter Draht zwischen Iran und Saudi-Arabien entstehen wird. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es sehr schwer, die tiefen Gräben zwischen Teheran und Riad tatsächlich zu überbrücken“, gestand Steinmeier nach dem Gespräch mit König Salman ein.

Steinmeiers Hoffnung


Die aktive Suche hat immerhin begonnen, wer zwischen beiden Staaten glaubhaft vermitteln könne: Oman war schon im Gespräch, gilt allerdings den anderen sunnitischen Golfstaaten als zu aufgeschlossen gegenüber Iran. Kuweit wiederum wurde für ideal gehalten, da dort auch ein Drittel des Volks Schiiten sind. Doch es traut sich im Schatten des mächtigen Saudi-Arabiens eine Brückenfunktion nicht zu, heißt es.

Die Suche hält an. Wie auch die Hoffnung Steinmeiers, Iran und Saudi-Arabien angesichts der Flüchtlingskatastrophe doch bewegen zu können, sich zumindest in Syrien kriegerisch zurückzunehmen. Auch die beiden Weltmächte Russland und USA wurden während der Reise stets vom deutschen Außenminister informiert.

Analog zum Bild von Max Weber könnte man positiv zusammenfassen: Selbst wenn der Bohrer anfangs abrutscht, so ist doch zumindest markiert, wo man ihn ansetzten muss. Wieder und wieder.

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