- Pegida muss wieder auf die Straße
Jede klammheimliche Freude verbietet sich. Wer verhindern will, dass die Demokratie Schaden nimmt und Pegida Recht behält, muss dafür sorgen, dass deren Demonstrationen so schnell wie möglich wieder stattfinden können
Das hat es in Deutschland noch nicht gegeben. In Dresden wurden für diesen Montag alle Demonstrationen verboten. Eine Terrorwarnung stoppt den Pegida-Marsch, an dem in der vergangenen Woche 25.000 Menschen teilnahmen. Ein Grundrecht steht zur Disposition, weil Islamisten die Pegida-Parolen nicht gefallen. Die Stadt Dresden beruft sich auf eine „konkrete Terrorwarnung“. Laut Sicherheitsbehörden, die sich auf Informationen ausländischer Geheimdienste berufen, sollen islamistische Attentäter aufgerufen worden sein, sich an diesem Montag unter die Demonstranten zu mischen und den Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann als Feind des Islams zu ermorden. Diese Morddrohung ist ein Anschlag auf die Demokratie. In der Logik, aus der der Spruch „Je suis Charlie“ um die Welt ging, müssten alle Demokraten in Deutschland nun eigentlich auch erklären: „Ich bin Pegida“.
Es stockt einem der Atem. Lässt sich die Versammlungsfreiheit in Deutschland so leicht aushebeln? Warum ist die Polizei nicht in der Lage, das Demonstrationsgrundrecht zu schützen? Darf sich eine Demokratie so einschüchtern lassen?
Niemand möchte in der Haut des sächsischen Innenministers Markus Ulbig stecken. Er muss zusammen mit der Polizei seines Landes beurteilen, ob da nur ein paar Maulhelden am Werk sind oder Islamisten, die es ernst meinen. Er trägt die politische Verantwortung für die Entscheidung. Der Grat zwischen Panikmache und Untätigkeit ist dabei schmal. Handelt die Polizei nicht und es kommt auf der Pegida-Demonstration zu einem Zwischenfall, dann ist der politische Skandal perfekt.
Angst frisst sich in die Köpfe der Menschen
Die freie westliche Gesellschaft ist verwundbar. Nach den Anschlägen in Paris auf die Charlie-Hebdo-Redaktion und einen jüdischen Supermarkt war die Solidarität in ganz Europa groß. Doch genauso groß ist auch die Verunsicherung. In Paris wurde die Aufführung eines Theaterstückes, in dem unter anderem eine Frau gesteinigt wird, abgesagt. In Belgien wurden kurzzeitig alle jüdischen Schulen geschlossen. Karikaturisten ziehen ihre Zeichnungen zurück, Journalisten klagen über die Schere im Kopf. Die Angst vor weiteren Anschlägen von Islamisten frisst sich in die Köpfe der Menschen. Seht ihr, sagt Pegida, soweit ist die Islamisierung des Abendlandes schon fortgeschritten.
Die Entscheidung, alle Demonstrationen in Dresden zu verbieten, darf deshalb nur für den Moment gelten. Sonst setzten sich die sächsische Politik und die Stadt Dresden, die um ihren guten Ruf fürchtet, dem Verdacht aus, die Drohungen aus der Islamistenszene gegen Pegida käme ihnen gerade recht. Man muss Pegida nicht mögen, man kann die Parolen der Bewegung für falsch und gefährlich halten. Aber jede klammheimliche Freude verbietet sich. Bis kommenden Montag müssen das Land Sachsen und seine Polizei ein Sicherheitskonzept entwickeln, dass die Demonstranten und die Organisatoren der Demonstration vor Mordanschlägen schützt. Alles andere spielt der Pegida-Bewegung in die Hände. Diese muss in Dresden so schnell wie möglich wieder auf die Straße und auch die Pegida-Gegner müssen so schnell wie möglich wieder demonstrieren dürfen. Schon jetzt hat die Demokratie Schaden genommen.
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