- Bodo verändert die Republik
Mit Rot-Rot-Grün in Thüringen wird auch ein Linksbündnis in Berlin möglich. Zumal die CDU mit der AfD ein strategisches Problem hat
Kein Zweifel, in Erfurt wurde an diesem Freitag Geschichte geschrieben. Im zweiten Wahlgang stand die Mehrheit. Der erste Ministerpräsident der Linkspartei heißt Bodo Ramelow. Und kein Zweifel: Rot-Rot-Grün in Thüringen wird die Republik verändern.
Die Welt wird mit einem linken Ministerpräsidenten nicht untergehen, auch Thüringen nicht. 25 Jahre nach dem Fall der Mauer muss in dem ostdeutschen Bundesland Versöhnung möglich sein. Ein linker Ministerpräsident gehört jetzt zur gesamtdeutschen Realität. Und wenn den Wählern die Politik von Bodo Ramelow und seinen rot-rot-grünen Mitstreitern nicht gefällt, weil dieser seine Versprechen nicht hält oder weil die Koalitionspartner nur miteinander streiten, dann werden die Wähler dies in fünf Jahren an der Wahlurne deutlich machen können. So funktioniert eine Demokratie mit freien Wahlen.
Die Empörung, die CDU und CSU jetzt verbreiten, wirkt dagegen inszeniert und aufgesetzt. Sie soll nur über das peinliche Schauspiel hinweg täuschen, dass die Thüringer CDU angesichts des drohenden Machtverlustes in den letzten drei Monaten aufgeführt hat. Über den erbitterten Streit in den eigenen Reihen, über das gierige Schielen auf die Stimmen der AfD sowie über die christdemokratische Angst, Erfurt könne sich auch in Berlin wiederholen.
Rot-rot-grüner Testlauf für den Bund
Natürlich ist Rot-Rot-Grün in Thüringen ein Testlauf für den Bund. Das sozialdemokratische Credo – in den Ländern ja, aber im Bund nie – wird nicht lange halten. Eine Partei, die in einem Land den Ministerpräsidenten stellt und damit auch im Bundesrat einen Machtfaktor darstellt, ist per se auch im Bund koalitionsfähig. Der Verweis auf die außenpolitische Unzuverlässigkeit klingt da nur noch wie eine verlegene Ausrede.
Zumal sich die Linke unter dem Druck der politischen Realitäten in Thüringen sehr rasant verändern und den neuen Realitäten anpassen wird. Rausreden gilt für die Genossen nicht mehr. Bodo Ramelow wird vieles verantworten müssen, was die Fundis der Partei bisher vehement bekämpfen. Er wird weder das Opelwerk in Eisenach verstaatlichen noch den Strom für Arme subventionieren. Notfalls wird er Sozialleistungen streichen und tatenlos zusehen müssen, wie Firmen schließen und Arbeitsplätze abgebaut werden.
Ramelow wird neue Unternehmen mit hohen Subventionen anlocken und abgelehnte Asylbewerber abschieben. Und wenn die NPD aufmarschiert, wird der antifaschistische Ministerpräsident zum Schutz der Demonstranten die Polizei schicken müssen, damit die Neonazis ihr Grundrecht wahrnehmen können. Im Bundesrat wird er zudem über viele Bundesgesetze mitentscheiden müssen, und wie Winfried Kretschmann, dem grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, wird er sich im Zweifelsfall für die Interessen des Landes entscheiden und nicht für die Interessen der Partei. Und anders als in Brandenburg, wo die Linke der kleine Koalitionspartner ist, können sie sich im Zweifelsfall nicht hinter der SPD verstecken. Bodo Ramelow trägt in Thüringen als Ministerpräsident die Gesamtverantwortung.
Für den nächsten SPD-Kanzler braucht es die Linke
Die Linke wird sehr schnell lernen, dass das der Preis der Macht ist. Und wie die Sozialdemokraten werden in Berlin auch die Genossen der Linken nicht sagen können, es interessiere sie nicht, was in der rot-rot-grünen Provinz passiert, in Berlin gingen die Uhren anders. Der linke Ministerpräsident wird vielmehr nur dann Erfolg haben, wenn er von der ganzen Partei getragen wird. Dafür muss diese die fundamentalistischen Dauernörgler innerparteilich kaltstellen. Ramelow stärkt den linken Realos in Berlin also den Rücken.
SPD-Chef Sigmar Gabriel wird es freuen. Niemand sollte es deshalb überraschen, wenn Rot-Rot-Grün für die SPD im Jahr 2017 eine zweite Machtoption neben der Großen Koalition wird. Soviel steht fest: Nur mit Unterstützung der Linken wird es in drei Jahren einen SPD-Kanzler geben.
Natürlich werden CDU und CSU weiter lautstark vor Rot-Rot-Grün warnen. Aber die Warnungen klingen auch deshalb immer hohler, weil Thüringen eines gezeigt hat: Die Union hat ein AfD-Problem. Zumal dann, wenn es der Partei in den kommenden Jahren gelingt, sich bundesweit zu etablieren. Schürt sie mit Blick auf 2017 den Lagerwahlkampf, treibt sie nicht nur die SPD in die Arme der Linken. Sie wird auch die Frage beantworten müssen, wie hältst Du es im Zweifel mit der Rechtsaußenpartei. Grenzt sie sich von der AfD ab, bricht die christdemokratische Lagerlogik in sich zusammen. Öffnet sich die CDU für eine Zusammenarbeit mit der AfD, verschreckt sie viele moderne christdemokratische Wähler in der Mitte. Denn die können sich sehr viel eher mit Schwarz-Grün anfreunden als mit einem Rechtsbündnis.
An diesem Freitag ist Thüringen sehr viel mehr als ein kleines ostdeutsches Bundesland, mit nur 2,2 Millionen Einwohnern. In Erfurt wurden mit der Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten vielmehr die Karten für die bundespolitischen Machtspiele der Parteien neu gemischt. In Berlin wird das schon bald zu spüren sein.
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