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FDP - Mit Selbstironie in den Untergang

Kolumne: Leicht gesagt. Die FDP ist aus Existenznot wieder dem Klamauk-Wahlkampf verfallen. Wollte sie früher mit Guidomobil und Kanzlerkandidatur durch Größenwahn auffallen, übt sie sich heute in qualvoller Selbstironie. Sollten die kommenden drei Landtagswahlen verloren gehen, setzt die FDP auf ein Wunderrezept aus Holland

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Die FDP ist weg. Das sagt sich leicht, stimmt aber formal nicht: In neun der 16 deutschen Landtage sitzt die FDP als Fraktion. Sachsen wird von ihr sogar mitregiert: noch!

Damit steht die FDP gar nicht schlechter da als Ende der neunziger Jahre. Damals war sie nacheinander aus etlichen Landtagen geflogen und schließlich 1998 auch aus der Bundesregierung. Allerdings  – und das ist der gravierende Unterschied – gab es sie noch im Bundestag.

Klamauk gegen den Zerfall
 

Die Reaktion der FDP auf ihren sichtlichen Niedergang damals wie heute ist vergleichbar. Aus der Not heraus begann sie Klamauk-Wahlkämpfe. Ihr Motto: Aufmerksamkeit um jeden Preis, auch um den der Selbstachtung. Das seriöse Image der Tennis-Club-Partei wurde dem Unernst und dreisten Spaß geopfert.

Wie jetzt in Thüringen und Brandenburg begann das einst auch in Landtagswahlkämpfen. Damals waren es Schleswig-Holstein und vor allem Nordrhein-Westfalen, die das Grelle dem Soliden vorzogen. Der als Bundespolitiker tief gestürzte Jürgen Möllemann provozierte bewusst den Spott der Landespresse, als er die Wiederkehr seiner FDP mit acht Prozent bei der Landtagswahl im Jahr 2000 als möglich pries. Die Liberalen waren dort außerparlamentarisch, da 1995 mit vier Prozent gescheitert.

Möllemann versetzte Deutschland in Staunen, als er dann tatsächlich 9,8 Prozent holte – mit irren Versprechen; unter anderem wollte er Staus verbieten lassen. Auch in Kiel feierte sein Freund Wolfgang Kubicki einen Sensationserfolg, mit dem selbst in der FDP viele nicht gerechnet hatten. Der Bundesführung war bis dahin peinlich gewesen, was man damals schon Spaßwahlkampf nannte.

Doch der Erfolg gab den beiden Freunden und Partei-Außenseitern Kubicki und Möllemann Recht. Aus dem NRW-Projekt 8 entstand für den Bundestagswahlkampf 2002 das später so bitter bereute „Projekt 18“ des „Kanzlerkandidaten“ Guido Westerwelle.

Kleinmut statt Klamauk
 

Hybris also brachte der FDP damals Schlagzeilen. Diesmal versucht sie es anscheinend mit dem Gegenteil: Kleinmut, Eigenspott und Selbsthass. Das kennzeichnet alle drei laufenden Landtagswahlkämpfe. Begonnen mit dem vermeintlichen Kleinmut hat es in Thüringen. „Wir sind dann mal weg“ hat die FDP dort plakatiert. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil sie tatsächlich nicht weg ist, sondern im Landtag sitzt und Fraktionsgeld erhält. Die Auflösung des bei Hape Kerkeling entlehnten Titels folgte gleich am kommenden Tag. Der „Wir sind dann mal weg“-Spruch wurde dann ergänzt: „… wie der Mittelstand“; „… wie die Schulnoten“ und so fort. Das alles werde fehlen, sollte die FDP tatsächlich nicht mehr im Spiel sein, so die Marketingidee.

Die Parteifreunde in Brandenburg haben diese Kampagne gesteigert. „Keine Sau braucht die FDP“ hieß es dort in der vergangenen Woche auf Plakaten im ganzen Land. Von Montag bis Donnerstag sollte das Volk rätseln, was denn da nun hinter stünde. Selbst der Bundesvorsitzende Christian Lindner tat im ZDF so, als erahne er nur ungefähr den Sinn der Zeile. Erst dann folgte die maue Auflösung: „Keine Sau … Aber jeder Mensch braucht die FDP“.

In Sachsen richtet sich der Selbsthass gezielt gegen „die in Berlin“, also die Bundesspitze der Partei. Das soll den „sächsischen Weg“ der FDP markieren. Sich gegen die Bundespartei zu stellen schärft immer das Profil, wie ebenfalls Möllemann und Kubicki einst vorgemacht haben. Diesmal aber hat Sachsens FDP dort das besondere Problem namens AfD. Die Sachsen-FDP sieht sich in ihrer Euro-Skepsis und Energiewende-Kritik als Original. Nun muss sie aber befürchten, ihrer bisherigen Wählerklientel könne egal sein, ob sie mit der AfD eine Kopie wählt.

Strukturell sind die Kampagnen der Landesverbände vergleichbar mit den Vorgänger-Aktionen vor anderthalb Jahrzehnten. Auch Möllemann und Kubicki handelten aus Verzweiflung heraus. Sollte dem sächsischen Landesvorsitzenden Holger Zastrow mit seinen AfD-light-Positionen bei der Wahl in gut zwei Wochen tatsächlich der Wiedereinzug in den Landtag gelingen, wäre seine Stellung in der Bundes-FDP ebenso mächtig wie die Möllemanns im Jahr 2000.

Vorbild Niederlande
 

Die jüngsten Umfragen sehen die FDP in Sachsen bei knapp fünf, in Thüringen bei vier und in Brandenburg bei drei Prozent. Die Bundesführung rechnet bereits mit einem Niederlagen-Triple. „Aber das wäre auch nicht der Todesstoß für die FDP", sagt Wolfgang Kubicki wacker über ein mögliches Ende der FDP-Fraktion in Sachsen, was durchaus seine persönliche Meinung sein könnte. Denn er, der einstige Störenfried und heutige Parteivize, gilt als Antipode zum FDP-internen Hauptkritiker Zastrow.

Hier also endet jede historische Vergleichbarkeit bei der FDP. Anders als vor 15 Jahren rechnet diesmal niemand ernsthaft mit dem Erfolg der grellen Kampagnen. Was dann, FDP? Das wäre der Ernstfall. Denn allen scheint klar: Sollten sie die kommende Bundestagswahl abermals vergeigen, wäre das der Tod jener Partei, die länger als jede andere Deutschland regiert hat.

Doch für den Fall, dass die drei kommenden Landtagswahlen so übel ausgehen wie erwartet, gibt es wiederum historische Vorbilder, die der FDP Mut geben. Die Mutmacher sitzen in den Niederlanden und heißen D66. Benannt nach ihrem Gründungsjahr gelten die „Democraten 66“ als die Partei der Mitte schlechthin. Wie ihre Schwesterpartei FDP Deutschland haben die D66 ihren Staat von den siebziger Jahren an immer wieder mitregiert, mal gemeinsam mit Sozialdemokraten und mal mit Konservativen.  

Nachdem die traditionell kleine liberale Partei D66 bei einer Wahl 1994 sagenhafte 14,5 Prozent errang, stürzte sie 2006 auf 1,6 Prozent ab. Ihr Tod schien nah, Umfragen gaben ihr nur noch kaum mehr messbare 0,5 Prozent. Die Partei krempelte sich um, legte ihre sozial-liberalen Wurzeln frei und warb zugleich für die ordnungspolitisch reine Lehre. Von Wahl zu Wahl erholte sie sich.

Als es den lange Zeit wirtschaftlich prosperierenden Niederlanden schlechter ging und die rechtspopulistischen Euro-Skeptiker den Zauber des Neuen und Unerhörten verloren, schlug die Stunde der Wiedergeburt für D66: Im Mai, bei der Europawahl, erreichte sie über 15 Prozent – und wurde damit stärker als alle anderen Parteien des Landes.

Das gibt der FDP in ihren schwersten Stunden Hoffnung - und die stirbt bekanntlich zuletzt.

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