- Jedes Wollen ist verkleidetes Müssen
Der Autor und Regisseur Oskar Roehler überzeugt als behutsamer Chronist der sechziger Jahre. Seine Roman "Der Mangel" erzählt die Geschichte einer Kindheit in der Provinz und liefert lebenskluge Einsichten.
Drei Jahre sind seit dem letzten Roman Oskar Roehlers verstrichen. Es handelte sich, wie oft auch beim filmischen Werk des Regisseurs Roehler, um eine grelle Groteske vor autobiografischem Hintergrund: In „Selbstverfickung“ stolperte 2017 ein egomaner Regisseur durch Berlin, scheiterte an seiner Entscheidungsunfähigkeit, räsonierte bitter über kriecherische Künstler und „schrieb endlich den seit drei Jahrzehnten aufgeschobenen Roman seiner Kindheit und begriff, dass die Filmerei nur eine Zwischenstation gewesen war“. Nun liegt der damals in fiktionalem Rahmen angekündigte Kindheitsroman tatsächlich vor. Er spielt in der fränkischen Provinz der Jahre 1962 bis 1966, heißt „Der Mangel“ und ist eine sehr faszinierende Lektüre.
Vor den Kindern sterben die Eltern, meistens jedenfalls. Deshalb ist „Der Mangel“ zunächst die Geschichte einer Mutter, eines Vaters, eines Lehrers, einer Vätergeneration. Oskar Roehler erzählt aus der Perspektive von Außenseitern, die nicht dazugehörten, weil sie erst dazustießen. Eltern und Großeltern waren Vertriebene. Der Krieg hatte sie nach Franken geweht, ins neue Westdeutschland. Niemand hatte auf sie gewartet, auf „die Sudetendeutschen, die Zuwanderer aus Ostpreußen, aus Pommern und Schlesien (…). Ihr Land lag hinter einem etwa 25 Kilometer entfernten Grenzzaun aus Stacheldraht, bewacht von sowjetischen Panzern.“
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