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Coen-Brüder - Inbegriff des lässigen Kinos

Die Brüder Joel und Ethan Coen gelten als Inbegriff des lässigen Kinos. In ihrem Film „Inside Llewyn Davis“ geht es um Bob Dylans unglücklichen und fast nur fiktiven Vetter

Autoreninfo

Dieter Oßwald studierte Empirische Kulturwissenschaft und schreibt als freier Journalist über Filme, Stars und Festivals. Seit einem Vierteljahrhundert besucht er Berlinale, Cannes und Co. Die lustigsten Interviews führte er mit Loriot, Wim Wenders und der Witwe von Stanley Kubrick.

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Cool. Cooler. Coens – diese Formel gilt für die Kinobrüder Joel und Ethan seit Beginn ihrer Karriere, als sie 1984 mit dem bitterbösen Krimi „Blood Simple“ Robert Redfords renommiertes Festival von Sundance aufmischten. „Inside Llewyn Davis“, ihr 16. Werk, erzählt von einem höchst talentierten Musiker, der 1961 in der Folk­szene von Greenwich Village sein Glück versucht. Und grandios scheitert.

Dass der Titelheld den Pechvogel-Vetter von Bob Dylan abgeben könnte, die Donald-Duck-Variante sozusagen, ist kein Zufall. „Dylan steht als Schatten über dieser Geschichte“, erläutert Joel Coen, wobei er dieses unbekannte Kapitel der Folkgeschichte „viel faszinierender und exotischer“ findet als bekannte Biografien. Als realer Pate für die fiktive Story dient der Musiker Dave Van Ronk, von dessen Memoiren die beiden Filmemacher begeistert waren.

An einem sonnigen Herbsttag in London scheinen die Coen-Brüder beachtlich guter Laune, was keineswegs immer so ist. Mal sind die beiden witzig und charmant, mal lassen sie sich die Worte mühsam aus der Nase ziehen oder brechen mitten im Satz einfach ab.

Die Rollen des Künstlerpärchens sind im Gespräch klar verteilt. Es ist die alte Geschichte von good cop und bad cop. Der 56-jährige Ethan gibt mit Kurzhaarfrisur und runder Nickelbrille den lieben Lächler, der Augenkontakt nicht ausweicht und als Verkäufer in einem Technikmarkt eine gute Figur abgäbe. Sein drei Jahre älterer Bruder Joel tritt vorzugsweise mit dunkler Sonnenbrille und stoischer Mimik auf. Auffallend gelangweilt. Lethargisch. Er könnte ebenso gut eingeschlafen sein. Der Gesprächs-Pokerspieler lauert freilich nur auf das ihm passende Stichwort. Als Gebrauchtwagenverkäufer hätte Joel wenig Erfolg. Bei den Filmen sieht die Bilanz brillant aus.

Abgesehen vom Aufguss der „Ladykillers“ findet sich kein Flop im Schaffen der Regisseure, die sich einst mit Rasenmähen das Geld für eine Super-8-Kamera zusammensparten und mit dem Nachbarskind Filme aus der Flimmerkiste nachdrehten. Das Sprungbrett für die Karriere bot Sam Raimi, der Joel 1981 als Regieassistenten für den Horrorfilm „The Evil Dead“, „Tanz der Teufel“ engagierte. Mittlerweile sind die Coens in vielen Genres sattelfest.

Für die Hollywood-Persiflage „Barton Fink“ bekamen sie Gold in Cannes. Für ihre Kidnapper-Geschichte „Fargo“ kassierten sie den Drehbuch-Oscar. Mit der Gewalt-Groteske „No Country for Old Men“ räumten sie bei den Academy Awards dreifach ab. Ihr letztes Werk, der Western „True Grit“, brachte es auf zehn Oscar-Nominierungen.

Der neue Streich handelt von ihrem Lieblingsthema: dem Versager, der als trotziges Stehaufmännchen gegen die Windmühlen des Schicksals ankämpft. Die Coens glauben an den verkannten Musikus und lassen ihn zum Auftakt ein komplettes Lied anstimmen. Ausgespielte Songs im Film entpuppen sich sonst als Gähneinlagen. Im Kino-Universum der lässigen Regie-Brüder gelten eigene Gesetze, holprige Titel inklusive.

Zu diesen Regeln gehört das Scheitern der Helden, die sich nicht verbiegen lassen wollen. Das große Thema vom Ausverkauf der Ideale hängen die Coens aber niedrig auf. „In seiner übertriebenen Vorstellung erlebt Llewyn sich als sehr integrer Musiker, auf gewisse Weise mag er das sein. Gleichwohl ist er bereit, vor einem wichtigen Produzenten auf dem Boden zu kriechen“, erläutet Ethan.

Seit über 20 Jahren bewahren sie ihre eigene Handschrift. „Die Welt hat uns mehr künstlerischen Freiraum gegeben als diesem Typen im Film. Insofern können wir uns glücklich schätzen“, meint Ethan. „Man darf den Faktor Glück niemals unterschätzen“, fügt sein älterer Bruder hinzu. Wo man diese Grenze zieht zwischen Ausverkauf und aufrechtem Gang? Ethan antwortet im Coen-Stil. „Man zieht seine rote Linie, wo man seine Linie eben zieht.“

Die Brüder führen nicht nur gemeinsam Regie, sie machen den Schnitt, übernehmen die Produktion und schreiben die Drehbücher zusammen. „Eigentlich kann man nicht von einem Prozess sprechen“, sagt der eine. „Wir sitzen herum. Reden manchmal etwas. Und legen viele Schlafpausen ein“, ergänzt der andere.

Von minimalistischen Aussagen berichten auch Schauspieler: „Mit Feedback sollte man nicht rechnen“, erinnert sich Hauptdarsteller Oscar Isaac. Ob die beiden beim Thema Tiere gesprächiger werden? Immerhin spielt eine Katze eine entscheidende Rolle im neuen Film und hört, wie George Clooney in „O Brother Where Art Thou“ auf den Namen „Ulysses“. „Katzen sind zum Kotzen, jeder Dreh mit einem Tier dauert ewig und ist frustrierend“, stöhnt Ethan. „Nie wieder Katzen für die Coens!“, fügt Joel hinzu.

Fast kann man sich denken, was beide von Prädikaten wie „Kult“ und „Cool“ halten. „Solche Etiketten waren immer schon ein Rätsel für mich“, meint Joel. Bruder Ethan ergänzt: „Über irgendwelchen Kultstatus machen wir uns keine Gedanken. Wer möchte sich schon in eine Schublade stecken lassen?“

 

 

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