- „Ich könnte mir vorstellen, Westerwelle abzulösen“
Kommissar 00 Schneider ist zurück! Diesmal jagt er einen spuckenden Eidechsenmann. Helge Schneider spricht über seinen neuen Film und erklärt, warum er nicht Bundespräsident, sondern lieber Außenminister werden will
Cicero: Herr Schneider, welchen menschlichen Fehler schätzen Sie am meisten?
Helge Schneider: Ein kindliches Gemüt.
Was ist Ihr größter Fehler?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zu denken, ich könnte fliegen und hier (aus einem Hotel im sechsten Stock, Anm. Red.) runter springen. Das wäre ein Fehler.
In Ihrem neuen Film „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“ spielen Sie den Kommissar 00 Schneider, der einen ketterauchenden, spuckenden Eidechsenmann namens Jean-Claude Pillemann jagt. Im Vergleich zum alten, feurigen Kommissar Schneider aus dem ersten Teil scheint die Neuauflage Ihres Alter Egos erwachsen geworden zu sein.
Der Kommissar ist damals einfach nicht so dargestellt worden, wie er wirklich ist. Darüber hat er sich auch aufgeregt. Außerdem war er es gar nicht selbst. Er hatte ja nur sein Kostüm verliehen. Der Kommissar selbst war eigentlich immer seriös. Sehr seriös.
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Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie sich im Grunde nur noch selbst zitieren.
Och, daran habe ich jetzt noch nicht gedacht. Wenn ich in der Küche einen Apfel esse, ist das dann ein Zitat?
Wenn Sie vorher auch schon Äpfel in der Küche gegessen haben, dann im Grunde schon.
Wenn ich vorher im Film Äpfel in der Küche gegessen hätte. Habe ich aber nicht. Aber ich habe schon mal einfach so einen Apfel gegessen.
Jenseits des Apfels gibt es aber immer wiederkehrende Elemente in Ihren Filmen. Bestimmte Versatzstücke, wie den Tanz beispielsweise.
Den Tanz kennt man von Anthony Quinn.
Was ist denn die Funktion des Tanzes am Ende des Filmes?
Befreiung. Befreiung von der Last der Enttäuschung. Im Laufe des Filmes werden ja zwei Leute gefangen genommen, aber das allein befriedigt den Zuschauer nicht.
Vielleicht auch deswegen, weil der Zuschauer auch für die bösen Figuren letztlich Sympathie entwickelt?
Ja, es könnte noch stundenlang weitergehen mit den Figuren, aber das geht ja nicht im Kino. Denn der Kinobesitzer will das Licht ausmachen.
Helge Schneiders Musik ist „keine Antimusik“
Passend zum Film haben Sie eine neue CD, Sommer, Sonne, Kaktus, die schon auf Platz eins der deutschen Albumcharts geklettert ist. Wie fühlt sich das an, im Mainstream, in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein?
Ich freue mich. Die Leute sind ja wirklich nett und lieb zu einem. Und man denkt dann, es liegt auch an der Qualität, die man liefert. Zahlen interessieren dabei nicht, sondern nur die Idee. Als ich hörte, dass wir auf Platz 1 der Charts sind, habe ich mir selbst gesagt: Im Grunde hast du es ja so gewollt. Deshalb habe ich mir diese Mühe gegeben und nicht nur die Schallplatte gemacht, sondern bin sogar ins Frühstücksfernsehen gegangen und sehr früh aufgestanden.
Wie viel Überwindung kostet so ein Gang ins Frühstücksfernsehen?
Da bin ich ganz gerne hingegangen. Es gibt andere Sendungen, die hoch gehandelt werden und in denen man sich langweilt. Nichts gegen „Wetten, dass…?!“, aber als ich das letzte Mal da war, bei Thomas Gottschalk, saß ich nur rum. Alles ist so großartig und lahm zugleich. So viele Leute, Ansteckmikrofone, drei Sätze und der Nächste bitte.
In der FAZ war kürzlich zu lesen, dass Ihre Musik Antimusik in der Mitte der Mainstream-Popkultur sei. Was geht einem durch den Kopf, wenn man solche Sätze liest? Wenn die Kunst erst durch die Interpretation zur Kunst wird?
Wenn einer „Antimusik“ schreibt, dann kann ich verstehen, warum er das schreibt: Weil er unmusikalisch ist. Meine Musik ist keine Antimusik. Sie ist Musik. Und zwar gute Musik. Und wenn sie nicht in unsere heutige Mainstreamlandschaft passt, kann ich Ihnen auch sagen, woran das liegt. Am Hall. Es ist zu wenig Hall drauf. Unsere heutige Popmusik wird so produziert, als wäre sie in einer riesigen Arena mit 15.000 Leuten aufgenommen. So sind leider die Hörgewohnheiten. Die Leute leben ja in diesem Mainstream. Ich auch. Ich mache das Autoradio an und muss mir diese Scheiße anhören. Wenn meine Musik als eckig oder unangepasst gilt, dann liegt das daran, dass ich keine Kompromisse mache. Heute wird alles mit dem Computer gerade gezogen. Das ist große Ohrenverätzung.
Sind Sie eigentlich ein Sinn- und Bedeutungsverweigerer?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin kein Verweigerer. Aber ich bin auch kein Sinn- und Bedeutungsverehrer. Manchmal gibt es schon Sachen, die, wenn sie Sinn machen, sinnvoll sind. Aber gerade in der Kunst kann man auch mal sinnfrei sein. Sinnlos würde ich jetzt nicht sagen. Unsinn finde ich eigentlich auch ganz gut. Damit man dann wieder einen Sinn herausfinden kann. Nichtsinn finde ich auch gut. Zum Beispiel beim Humor. Wo kommen wir denn da hin, wenn man lachen soll über Sachen, die Sinn machen?
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Es hat den Anschein, als bedienten Sie sich eines vorgetäuschten Dilettantismus.
Das ist ja nicht vorgetäuscht. Das ist so. Ich will es auch gar nicht Dilettantismus nennen. Wenn wir uns in der Welt umsehen, gibt es viele Sachen, die so dilettantisch, so sinnlos sind. Ich will jetzt gar nicht so weit gehen und über Kriege reden…
Machen Sie ruhig, wir sind ja ein politisches Magazin.
Naja, das sind doch im Grunde die Prototypen der Sinnlosigkeit. Und im täglichen, normalen Leben will man dann plötzlich Sinn finden. Den findest du nicht. Den findest du vielleicht in der Kaffeemaschine. Sinnvoll umgesetzt in der Art und Weise, wie Kaffee gebrüht wird, in kürzester Zeit, mit wenig Wasser- und Stromverbrauch. Das ist sehr sinnvoll.
Deswegen habe ich sogar zwei Kaffeemaschinen.
Ich habe eine, die will auch ein bisschen bedient werden. Also Halbsinn quasi, heißt, ein bisschen muss ich dann auch Sinn haben.
„Der Bundespräsident wird als Kasperle rumgereicht“
Die Kaffeemaschine, der letzte Ort, an dem man Verantwortung abgeben kann.
Ich habe jetzt auch so eine Obstsaftmaschine. Da drehe ich an so einem Ding, drücke immer die Möhren rein und denke jeden morgen: Mensch, ist das eine Arbeit. Aber dann brauche ich nicht joggen zu gehen. Auch wieder sinnvoll.
Sind Sie jemand, dem es egal ist, was er ist?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin ein sehr freiheitsliebender Mensch und dadurch, dass ich ich bin, kann ich noch freier sein. Ich erinnere mich an Zeiten, wo ich auch ich war, aber mit diesem Ich-Sein keinen Pfennig Geld verdient habe und anderweitig versuchen musste, mich über Wasser zu halten. Damals konnte ich nicht so frei sein. Ich habe auch mal über mehrere Jahre nicht mehr als 100 Mark verdient. Davon musste ich 50 Mark Miete zahlen und von 50 Mark leben. Das ging irgendwie. Aber früher war das ein bisschen anders. Da konntest du dir für das Geld einen Sack Kartoffeln kaufen, zwei Mettwürste und Zwiebeln. Heute sieht die Sache ganz anders aus. Gesellschaftlich bist du plötzlich außen vor. Es gibt Leute, die können nicht mal ins Kino gehen.
Eigentlich wollte ich mit Ihnen auch noch über die Bundestagswahl sprechen. Aber das Interview wird erst nach der Wahl erscheinen. Tun wir doch einfach so, als hätten wir eine Große Koalition.
(Setzt ein freches Gesicht auf, nimmt eine aufrechte Haltung ein und wird staatsmännisch) Pass auf: Ich finde es einfach toll, dass der Steinbrück das Ding nach Hause geholt hat, dass die SPD 90 Prozent der Stimmen bekommen hat. Gratuliere. Aber ich bin nicht in der SPD und finde, alle Parteien haben irgendwie einen Makel. Ich wohne ja in Nordrhein-Westfalen, wo Hannelore Kraft regiert. Die finde ich eigentlich gut. Viele wollten sie als Kanzlerkandidatin haben und sie war vernünftig genug, zu sagen, nein, das ist mir zu viel Politik am Rande der Gesellschaft. Das muss man nämlich auch mal so sagen. Also, ich möchte nicht Kanzler sein. Ich wäre lieber Ministerpräsident.
Da weiß man, was man hat.
Genau. Was ich schon gar nicht werden will, ist Bundespräsident.
Warum?
Ach, da wirst du doch nur als Kasperle rumgereicht. Nein, ich könnte mir vorstellen, den Posten des Außenministers zu übernehmen. Also Westerwelle wird abgelöst von Helge Schneider. Warum nicht?
Eine letzte Frage: Currywurst. Mit oder ohne Darm?
Ich esse ja eigentlich kaum Currywurst. Aber in Bochum, wo die Wurst eigentlich herkommt, wird sie im Darm gemacht. Es gibt aber solche und solche. Ich habe mal eine Currywurst gegessen, die schmeckte mir nicht und da war mir schlecht und ich hab mal eine Currywurst gegessen, die schmeckte mir und da war mir gut.
Herr Schneider, vielen Dank!
Das Interview führte Timo Stein
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Der neue Helge-Schneider-Film "00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse" kommt am 10. Oktober in die Kinos.
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