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picture alliance, Collage Cicero Online

Google vs. Springer - Die Schlacht der Netzgiganten

Springer-Chef Mathias Döpfner probt den Aufstand gegen Google. Verkehrt ist das nicht, aber verdreht: Er will mit seinem  Engagement für mehr Bürgerrechte die junge digitale Elite an seinen Verlag binden. Die sollte jedoch gewarnt sein

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Als das iPad 2010 das Licht der Welt erblickte, sagte Mathias Döpfner folgenden Satz: „Jeder Verleger der Welt sollte sich einmal am Tag hinsetzen, um zu beten und Steve Jobs dafür zu danken, dass der Apple-Chef die Verlagsbranche rettet.“ 2014 würde er das so wohl nicht mehr sagen. Aber viele Verleger würden den Satz jetzt vielleicht etwas umformulieren: den Namen des früheren Apple-Chefs streichen, mit Döpfners ersetzen.

Mathias Döpfner rettet die Verlagsbranche: Einen solchen Satz fände der 51-Jährige ganz bestimmt gut.

Wo man Springer loben muss


Nein, es fällt niemandem leicht, den Springer-Vorsitzenden, der sein Haus en passant vom Journalismus entkernt, einige seiner besten Blätter veräußert und Millionen eingestrichen hat, an einem Punkt zu loben. Aber mit seinem offenen Brief an Google-Chef Eric Schmidt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat Döpfner in dieser Woche nicht nur Verlegern und Journalisten, sondern eigentlich jedem Bürger einen Dienst erwiesen.

„Wir sind von Google abhängig“, schrieb Döpfner da. Und: „Wir haben Angst vor Google.“

Eine Woche zuvor hatte Eric Schmidt in der FAZ in schönstem PR-Sprech die Vorteile seiner Suchmaschine gepriesen. Seinen Gegnern warf der Konzernboss vor, „letztlich das Internet als solches“ zu kritisieren – und reagierte damit auf die öffentliche Anklage eines empörten Unternehmers, dessen Einkaufsportal schrittweise aus den Google-Suchergebnissen verdrängt worden war, um Platz für „Google Shopping“ zu machen.

Tatsächlich, antwortet Döpfner, verdrehe Schmidt hier die Wirklichkeit. Nicht das Internet sei die Gefahr, sondern Google. In Deutschland liegt der Anteil Googles am Online-Werbemarkt bei etwa 60 Prozent. Die Bild-Zeitung kommt bei der Printwerbung auf etwa neun Prozent – trotzdem stuft das Kartellamt das Blatt als „marktbeherrschend“ ein. „Im Vergleich ist Google nicht nur marktbeherrschend, sondern sozusagen super-marktbeherrschend“, klagt Döpfner.

Prinzip Suchmaschine: Kreatives fällt durch das Raster


Er beschreibt, was wir Redakteure „an der Onlinebasis“ Tag für Tag erleben: Will man im Internet stattfinden, kommt man an Google nicht mehr vorbei. Mit einer Technik, die Suchmaschinenoptimierung genannt wird, versucht jeder, der eine Webseite betreibt, besser gefunden zu werden. Überschriften, Teaser, Schlagworte – alles wird dem Suchmonster mundgerecht serviert. Kreatives, Extravagantes, gar Literarisches fällt durch das Raster.

Das führt zu absurden Praktiken. Einige Onlinemedien haben sich darauf spezialisiert, Lücken im Google-Algorithmus aufzuspüren und für sich auszunutzen. Eine Zeit lang war das sogenannte Re-Publishing ein solcher Trick: Die Redakteure änderten eine Überschrift, veröffentlichten denselben Artikel noch einmal – und dieser wurde in der Google-Ergebnisliste nach ganz oben katapultiert. So werden mehr Klicks generiert. Masse regiert über Klasse. Das alles, weil – wie Döpfner schreibt – Google die Infrastruktur im Internet definiert.

Und der Netzriese missbraucht seine Machtstellung, um sich noch mehr Vorteile zu verschaffen. Das eigene Angebot Google Plus – nach Facebook das größte soziale Netzwerk – wird in den Suchergebnissen besonders prominent platziert.

Cicero Online etwa veröffentlichte in der vergangenen Woche ein Porträt über den Linken-Abgeordneten Jan Korte. Wer dessen Namen googelt, erhält noch auf der ersten Seite unseren Google-Plus-Eintrag; der eigentliche Text ist erst weiter hinten auf der zweiten Ergebnisseite zu finden. Das ist unsäglich: Für den Nutzer ist die Google-Plus-Ansicht völlig wertlos, er muss erst ein zweites Mal klicken, um endlich auf das Porträt zu kommen. Würde Google seinen Page-Rank-Algorithmus hier zugrunde legen, würde diese Leerseite niemals unter den ersten Ergebnissen landen. Mit derartigen Methoden aber sichert sich das Unternehmen werbeträchtige Klicks. Es ist frech, wenn Eric Schmidt da behauptet, Google verbinde „so die Leserinnen und Leser mit den Angeboten großer und kleiner Verlage“. Nein, anders ist es richtig: Google schöpft Traffic ab, der ihm schlicht nicht zusteht.

Dieses Gebaren schadet aber nicht nur den Medien, sondern vor allem den Bürgern. Umständlichere, einseitige Suchergebnisse mögen hier noch tragbar sein. Wo Google aber mit Zensurbehörden wie in China zusammenarbeitet, muss jedem Nutzer dämmern, von wessen Gnaden er da surft. Hinzu kommt: Google erzielt im Ausland 54 Prozent seiner Gewinne, zahlt darauf aber nur drei Prozent Steuern.

Treppenwitz der Webgeschichte


Wir haben es eben nicht nur, wie Eric Schmidt schreibt, mit einem „Partner“ zu tun, der auf „Innovation und neue Geschäftsmodelle“ setzt. Google ist ein digitaler Monarch, der die Regeln diktiert, mit Geheimdiensten operiert, Gegner eliminiert, ja das gesamte Netz regiert. Und Allianzen mit denen schmiedet, die ihm gefährlich werden könnten: Den Kompromiss, den Google mit der EU-Kommission geschlossen hat, hält Döpfner für einen „Verrat am Verbraucher“.

Der David Axel Springer gegen den Goliath Google: Dass sich alle, denen Fairness und Datenschutz im Internet etwas bedeuten, jetzt auf das Hamburger Verlagshaus verlassen müssen, ist ein Treppenwitz der Webgeschichte. Vor einem halben Jahrhundert demonstrierten Studenten noch gegen die „Schweinepresse“ von der Bild. Heute ist das „marktbeherrschende“ deutsche Presseunternehmen für diejenigen, die noch an ein freies Internet glauben, die letzte Hoffnung. Während Spiegel Online mit Google kuschelt, bewährt sich ausgerechnet der Spiegel-Lieblingsfeind als „Sturmgeschütz der Demokratie“: Springer wettert gegen die Kartellwächter, zielt gegen Brüssel, attackiert die Googlekratie.

Google-Methoden auch bei Springer


Mathias Döpfner nimmt für sich in Anspruch, dabei die nachwachsende Netzelite zu vertreten. Es seien die Digital Natives, und darunter die jüngsten und bestinformierten, die mit der immer vollständigeren Kontrolle durch Google ein wachsendes Problem haben. Die Richtigkeit seiner Aussage darf aber nicht darüber hinwegsehen, dass Döpfner genau diese Zielgruppe umgarnt, weil auch er sie ausbeuten will. Springer profitiert nämlich nicht nur von Google und einer vorteilhaften Listung dort, sondern auch von den Digital Natives, wenn sie Vertrauen schöpfen und vermehrt die journalistischen Webseiten und Shoppingportale des Konzerns besuchen.

Springer hat den Ehrgeiz, das führende digitale Haus in Europa zu werden. Da hilft es, sich die Protagonisten dieser neuen Zeit zu Verbündeten zu machen. Im besten Fall erkennen jene diese schlitzohrige Doppelstrategie nicht einmal. Dass Springer selbst auch Google-Methoden einsetzt, um Konkurrenten an den Rand zu drängen, wird da leicht vergessen.

Der Schlacht der Netzgiganten sollte die jungen Digitalen wachrütteln: Wollen sie ausgerechnet jenen Verlag, der an vorderster Front für das Leistungsschutzrecht streitet, zu ihrem Klassensprecher machen?

Wenn sie das nicht wollen, sollten sie endlich jene Macht nutzen, die sie selbst noch haben: ihren Konsum. Ihr Suchverhalten, ihre Klicks, ihre Daten sind der Treibstoff von Google. Wenn sie diesen Hahn zudrehen, kann selbst der Motor eines globalen Suchmaschinenkonzerns ins Stottern kommen.

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