- „Ich bin dicht am Wasser gebaut“
Zu gefällig, zu glatt – bislang fielen Oliver Berbens Feuilleton-Filme bei den Kritikern durch. Am Sonntag könnte sich sein Blatt wenden, wenn sein Dreiteiler „Das Adlon. Eine Familiensaga“ im ZDF anläuft. Ein Gespräch über schreckliche Hotels, gute Filme und die Sorgen eines Produzenten
Herr Berben, Sie sind immer noch ganz heiser von der
Premiere. Etwa aufgeregt?
Ich bin eigentlich immer heiser. Aber aufgeregt war ich wirklich.
Eigentlich bin ich es noch immer.
Ihr Dreiteiler erzählt die wechselvolle Geschichte des
Hotels, von seinem Bau 1904 bis zur Wiedereröffnung 1997. Er
bündelt viele Klatschgeschichten wie die der Sängerin La Otera, die
Kaiser Wilhelm II. in ihrer Suite vernascht hat. Wie sind Sie an
diese Geschichte herangekommen?
Das „Adlon“ hat uns seine Archive geöffnet, das Hotel hat sogar
einen eigenen Historiker - da gab es zum Beispiel Briefe von
Angestellten oder Erzählungen von Gästen. Das heißt, ganz viele
Anekdoten aus unserem Film sind wahre Begebenheiten.
Die Sängerin La Otera hat den Kaiser wirklich
„Stinkerchen“ genannt?
(lacht). Das weiß ich nicht. Ich nehme es aber an. Früher wurde
nicht so viel gebadet.
In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein Produzent in
erster Linie für die Finanzierung und die Logistik
zuständig.
Mit der Organisation habe ich gar nichts zu tun. Der Produzent hat
die Ur-Idee und entwickelt sie. Er bringt die Kreativen zusammen.
Nicht umsonst sind Autoren oft Produzenten und Produzenten oft
Autoren.
Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, das „Adlon“ in
einem Dreiteiler zu verfilmen?
Das Leben im Hotel hat mich schon immer fasziniert. Das ist ein
Ort, an dem wahnsinnig viele Menschen aufeinander treffen, eine
gewisse Zeit miteinander verbringen und dann wieder
auseinandergehen. Inspiriert hat mich auch eine tolle amerikanische
TV-Serie aus den achtziger Jahren: „Hotel“ spielt in einem fiktiven
Hotel in San Francisco. Und natürlich habe ich auch „Menschen im
Hotel“ gesehen, ein wunderbarer Film nach dem Roman von Vicky Baum.
Der erzählt vom Alltag der Gäste eines Berliner Luxushotels in den
Goldenen Zwanzigern.
Das heißt, wenn Sie die Wahl zwischen dem Adlon und dem
Novotel hätten, würden Sie auch heute noch das Adlon
wählen?
Ich mag klassische Grand-Hotels, lieber altmodisch als durchgestylt
oder fancy. Aber wenn man ganz ehrlich ist, ist das Adlon heute
nicht mehr so schön wie damals. Wir haben es für den Film im Studio
originalgetreu nachgebaut. Die Architektur war für 1904 visionär.
Zeitgenossen lästerten damals, das sei ein steriler Kasten ohne
Prunk.
Der erste Teil ähnelt einem Hollywood-Blockbuster. Dabei
verstehen Sie sich eigentlich als präziser Chronist der Zeit. Wie
passt das zusammen?
Zum einen haben wir darauf geachtet, dass die historische Zeit der
Wahrheit entspricht. Emotionen können Sie aber in diesem Fall erst
dadurch erzeugen, dass Sie reelle und fiktionale Elemente mischen.
Deshalb haben wir zwei Familien, die im Zentrum stehen – die
Adlon-Familie als reale und die Familie Schadt als fiktionale. Aber
diese Schadts schweben nicht im luftleeren Raum. Wir haben sie auf
der Grundlage der wahren Geschichten aus dem Archiv rekonstruiert.
Das war die größte Herausforderung überhaupt bei diesem Film.
Deshalb hat die Entwicklung des Buches auch mehr als vier Jahre
gedauert.
Ihr Dreiteiler umfasst fast hundert Jahre Geschichte und
fünf Systeme – Kaiserzeit, Weimarer Republik, Drittes Reich, DDR
und die wiedervereinigte BRD. Haben Sie als Produzent jeden
einzelnen Schritt verfolgt?
Was heißt verfolgt? Ich habe jeden einzelnen Schritt selber
mitgemacht.
Bevor Sie sich einen Namen als Produzent gemacht haben,
waren Sie Regisseur. Unter anderem haben Sie die Krimi-Reihe „Rosa
Roth“ und andere Spielfilme mit Ihrer Mutter in der Hauptrolle
produziert. Hat Ihnen der Name „Berben“ Türen
geöffnet?
Die Leute mögen mich hoffentlich danach beurteilen, was ich mache -
und nicht wie ich heiße.
Können Sie denn Privates vom Beruflichen
trennen?
Es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre.
Mit Ihrem Namen und als Mitgeschäftsführer der
Constantin müssen Sie aber bestimmt nur „Schnipp“ zu machen und das
ZDF haut die Kohle für einen Dreiteiler heraus, oder?
Überhaupt nicht. Es kostet jedes Mal Überzeugungsarbeit, nicht nur
beim ZDF, sondern auch bei mir selber. Sie können andere Leute nur
davon überzeugen, wenn Sie selber davon überzeugt sind.
Seite 2: Eine Branche denkt im Konjunktiv
Sie wirken nicht wie jemand, der unter Selbstzweifeln
leidet.
Ich trage dieses Projekt jetzt schon seit vielen Jahren mit mir
herum. Ich weiß nicht, wie oft ich schon kurz davor war zu sagen:
Das wird nix.
Wirklich?
Ja, ich bin nachts aufgewacht und habe gedacht: Das kriegst Du nie
zusammen. Die Geschichte funktioniert nicht. Es gibt ja viele
Fassungen, und dann wünschen Sie sich Dinge, die können Sie nicht
erreichen, weil es die historischen Gegebenheiten nicht zulassen.
Es gibt viele Fallstricke. Aber irgendwann kommt so ein Punkt, da
macht es „Klack“. Und dann weiß ich: So könnte es
funktionieren.
... möglicherweise aber auch nicht.
Es geht nur mit dem Konjunktiv in unserer Branche. (lacht)
Bei der Premiere sah man im Publikum tränennasse
Gesichter. Ist es ein Qualitätsmerkmal für Sie als Produzent, wenn
es ein Film schafft, Sie zum Weinen zu bringen?
Ohne Frage: absolut.
Wann haben Sie selber zuletzt im Kino
geweint?
Vor einer Woche, beim fünften Teil der Vampir-Saga „Twilight“. Ich
bin nahe am Wasser gebaut.
Anfang 2011 waren Sie harschen Product
Placement-Vorwürfen zu dem ZDF-Film „Meine Familie bringt mich um“
ausgesetzt. Worum ging es damals genau?
Um Beistellungen von VW, um Autos, die nicht bezahlt werden
mussten. Das war und ist ein Weg, um den Anteil des Budgets
zu senken. Es geht um öffentliche Gelder.
Hätten Sie einen Film diesen auch ohne das ZDF als
Auftraggeber stemmen können?
Ein Projekt dieser Größenordnung ist undenkbar ohne das ZDF. Die
drei Teile haben zusammen zehn Millionen Euro gekostet. Zwei
Drittel trägt das ZDF, der Rest kommt über die Filmförderung der
Länder. Der Sender ist aber nicht nur als finanzieller Partner
wichtig, sondern auch deshalb, weil er uns in der Entwicklung den
Rücken gestärkt hat. Die lassen einen machen. Und sie machen selber
mit. Das ist beinahe noch wichtiger.
Nach den Vorwürfen hieß es zunächst, das ZDF vergebe
vorerst keine weiteren Aufträge an Sie. Wie haben Sie das Vertrauen
des Senders wiedererlangt?
Das betraf ja meine Firma „Moovie – the art of entertainment“. Das
ZDF und auch wir selber haben diese Vorwürfe geprüft und für
nichtig befunden. Zusätzlich wurden Kontrollmechanismen in der
Firma installiert, um Fehlern vorzubeugen.
Carlo Rola, der Regisseur des beanstandeten Films, hat
die Firma inzwischen verlassen. Mussten Sie als Produzent um Ihre
Existenz fürchten?
Natürlich, das war furchtbar. Es führte dazu, dass wir ein
Dreivierteljahr keine Aufträge vom ZDF bekommen haben. Wir haben
alleine in Berlin fünfzehn Angestellte. Zwei von denen mussten wir
vorübergehend entlassen.
Inzwischen hat Ihr Unternehmen mit der Constantin
fusioniert, einem der größten Player in der deutschen Filmbranche.
Als einer Ihrer Geschäftsführer haben Sie auch den neuen
Polanski-Film produziert: „Der Gott des Gemetzels“. Wie hoch ist
der Anteil der internationalen Produktionen?
Er ist etwas gestiegen in den vergangenen Jahren. Die Constantin
macht mittlerweile 30 Prozent ihres Umsatzes im internationalen
Bereich. Tendenz steigend. Das ist sehr schön. Wir probieren das
jetzt auch im Fernsehen.
Das heißt, Sie haben den Dreiteiler „Das Adlon“ schon
ins Ausland verkauft?
Wir sind dabei.
Vielen Dank für das Gespräch.
Eigentlich wollte Oliver Berben Luft und Raumfahrttechniker werden. Doch schon während seines Studiums bemerkte der Sohn der Schauspielerin Iris Berben, dass er als Teamplayer besser in der Filmbranche aufgehoben sein. Nach einem Job als Kurierfahrer der Ufa wurde er Produktionsassistent und Aufnahmeleiter bei Werbefilmproduktionen, bevor er 1999 seinen ersten Spielfilm drehte, den Thriller „Das Teufelsweib“ mit seiner Mutter in der Hauptrolle. Inzwischen hat er als Inhaber der Berliner Firma „Moovie – the art of entertainement“ und als einer der Geschäftsführer der Constantin über 40 TV- und Kinofilme produziert, darunter auch den neuen Roman-Polanski-Film „Der Gott des Gemetzels“. Oliver Berben lebt in Berlin und München. Am 6., 7. u. 9. Januar zeigt das ZDF seinen neuen Dreiteiler „Das Adlon. Eine Familiensaga.“
Das Interview führte Antje Hildebrandt
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