- Der Zwergenaufstand der Unionsfraktion
Die Empörung über Unionsfraktionschef Volker Kauder ist billig: Die CDU/CSU-Abweichler in der Eurorettung, die sich jetzt unter Druck gesetzt fühlen, trauen sich nur, weil sie nichts riskieren. Ein Kommentar
Jetzt zetern sie und fluchen, pochen auf die Unabhängigkeit ihres Mandats und schimpfen auf Volker Kauder. Teile der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sind in Aufruhr, weil der Fraktionschef in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ mehr Korpsgeist in den eigenen Reihen angemahnt und mit Konsequenzen für jene 60 Abgeordneten von CDU und CSU gedroht hat, die im Bundestag in Sachen Euro-Rettung gegen die eigene Regierung gestimmt haben.
Zwar sind die angedrohten Konsequenzen eher milde, sie beziehen sich lediglich auf solche Ausschuss-Mandate, etwa im Haushalts- oder im Europa-Ausschuss, in denen es darum geht, die Regierungsmehrheit zu sichern. Man darf davon ausgehen, dass hinter den Kulissen auch handfestere Drohungen geäußert werden. Aber offenbar reichte dies, um mitten in der parlamentarischen Sommerpause in der CDU/CSU-Fraktion einen Sturm der Entrüstung zu provozieren.
Gut gebrüllt, Christdemokraten!
Ein Abgeordneter ist ob der Drohungen von oben „beschämt“, ein anderer fühlt sich als „Stimmvieh der Regierung“, eine Abgeordnete sieht das Grundgesetz „mit Füßen getreten“. Gut gebrüllt, Christdemokraten!
Auch weiterhin wollen die Abweichler für sich das Recht in Anspruch nehmen, ein drittes Hilfspaket für Griechenland im Bundestag abzulehnen. In Wirklichkeit jedoch ist es lediglich der billige Mut derer, die sich eine eigene Meinung deshalb leisten können, weil die Regierungsmehrheit nicht in Gefahr ist. Die Große Koalition verfügt im Bundestag über 504 von 631 Stimmen. Da fallen 60 Abweichler nicht besonders ins Gewicht. Zumal bei der Griechenlandrettung auch die oppositionellen Grünen ein treuer Partner der Regierung sind.
Wäre die Mehrheit im Bundestag knapp, dann sähe es in der CDU/CSU-Fraktion sicherlich anders aus. Wäre Kanzlerin Merkel in der Eurokrise gezwungen, wie einst Gerhard Schröder in Sachen Afghanistan-Krieg, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, um ihre knappe Mehrheit zu sichern, dann stünde die CDU/CSU-Fraktion geschlossen da. Keiner ihrer Abgeordneter würde sich in einem solchen Fall trauen, gegen die Regierung zu stimmen und die eigene Macht zu gefährden. Alle Gewissensnot würde sich schnell in Luft auflösen. Vielleicht würde der eine oder andere Abgeordnete nach der Abstimmung eine persönliche Erklärung zu Protokoll geben, aber keiner würde eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen riskieren wollen.
Mehr als ein Zwergenaufstand sind die empörten Zwischenrufe aus den eigenen Reihen also nicht. Spätestens, wenn es darum geht, dass Angela Merkel die Union in den nächsten Bundestagswahlkampf führt, werden dieselben Abgeordneten, die sich jetzt auf ihr Gewissen berufen oder sich über Kauder empören, der Kanzlerin wieder zu Füßen liegen.
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