- Dem Riester-Pfusch folgt die Ratlos-Reform
Kolumne: Leicht gesagt. Die Rente soll wieder Wahlkampfthema werden. Doch der Plan zum großen Streit könnte scheitern. Denn Union und SPD unterscheiden sich kaum mehr in ihren Vorhaben – und haben noch gar kein Konzept
Die Renten müssen sicher sein. Das ist seit Jahrzehnten eine leicht gesagte Forderung in der Politik. Aber schwer umzusetzen. Wieder scheint eine Rentenformel nicht aufzugehen. Jene, die vor anderthalb Jahrzehnten mühsam eingeführt worden ist. Die Riester-Rente könnte ausgedient haben.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat mit Pathos eine Rentenreform angekündigt. „Wir wollen das Vertrauen in die Rentenversicherung stärken.“ Im Herbst solle ein „Gesamtkonzept“ vorliegen. „Wir werden uns alle Bausteine angucken und auch das prüfen. Es gibt da keine Tabus.“
Das zielt auf die Riester-Rente, die Ur-Reform Gerhard Schröders. Nahles galt schon bei der Einführung 2002 als Gegnerin dieser liberalen Idee, die kapitalgedeckte Vorsorge auszubauen und den Anstieg der Beitragssätze zur gesetzlichen Rente zu begrenzen.
Dennoch läuft sie jetzt den Anti-Rieser-Plänen nur hinterher. „Riester ist gescheitert“, sagte bereits am Freitag der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und forderte die „große Rentenreform“. Offenbar teilt diese Sorge der SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Gabriel: „Das Niveau der gesetzlichen Rente darf nicht weiter sinken, sondern muss auf dem jetzigen Niveau stabilisiert werden.“
Die Riester-Rente trägt nicht mehr
Das ist die Abkehr vom Riester-Prinzip. Denn nach derzeitigen Berechnungen wird das staatliche Rentenniveau von jetzt 48 Prozent bis 2030 auf 43 Prozent sinken. Das war in der Tendenz so gewollt vom Staat. Denn die private Riester-Rente sollte das ausgleichen.
Nun sieht es so aus, dass dieser Plan nicht aufgeht. Denn es riestern viel zu wenige, vor allem von den Geringverdienern. Und keine Versicherung hat mit der langen Phase einer faktischen Nullzinspolitik gerechnet. Diese Altersvorsorge trägt nicht mehr.
Durch die einst beschlossene Senkung des Rentenniveaus werde „etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Sozialhilfe landen“, ist Seehofers düstere Prognose. Sie fußt auf einer Studie des WDR, die massenhaft Altersarmut prophezeit. Jeder Zweite könnte ohne neuerliche Reform am Ende weit weniger als die Hälfte an Rente bekommen als sein Durchschnittsgehalt war. Doch übersehen wird, dass Rente nicht gleich Rentner ist. So flossen Ende 2014 gut 25 Millionen Renten an etwa 20,6 Millionen Rentner, weil etliche mehrere gesetzliche Renten beziehen.
Gabriel will jetziges Rentenniveau halten
Das Stabilisieren des jetzigen Niveaus, wie es Gabriel fordert, kann allerdings teuer werden. Für den Staat oder, was wahrscheinlicher ist, für alle Beitragszahler, warnt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft im ZDF: „Wer jetzt davon redet, das Rentensicherungsniveau in der gesetzlichen Rente bei 48 Prozent zu stabilisieren, der muss den Beschäftigten sagen, dass sie künftig einen Rentenversicherungsbeitragssatz zu zahlen haben, der eher bei 25 Prozent liegt, statt wie bisher bei 18,7 Prozent.“
Die CDU ist dennoch offen für eine Reform. „Wir müssen die gesetzliche Rente stärken, dazu brauchen wir auch eine neue Rentenformel“, sagt ihr Rentenfachmann Peter Weiß. „Aber wir sollten die zusätzliche Altersvorsorge dafür nicht kaputtmachen“, schränkt er ein, da über 16 Millionen Riesterverträge weiter bedient werden müssten.
Wahlkampf ohne streitbare Inhalte
Konzepte haben aber weder Union noch SPD. Es sind bislang alles nur Ankündigungen. Seehofer feiert sich, das alles angestoßen zu haben: „Vorige Woche hieß es, der Seehofer macht mal wieder typisch Seehofer, nur Wahlkampf und Populismus. Jetzt plötzlich wird das eine breite Bewegung.“ Das scheint tatsächlich so zu sein, auch wenn niemand in der Großen Koalition in dieser Legislaturperiode noch ernsthaft mit einer Rentenreform rechnet.
Gedacht ist das Ganze wohl von Seehofer wie Gabriel eher als Wahlkampfthema für 2017. Schließlich war die Rente in fast jedem Bundestagswahlkampf bisher das streitbarste Thema – bis hin zum Riester-Konzept im Wahljahr 2002. Nur: Inzwischen scheinen sich die Volksparteien auch hier kaum mehr zu unterscheiden.
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