- Er versöhnte die CDU mit Helmut Kohl
Kolumne: Leicht gesagt. Mit Philipp Mißfelder hat der politische Betrieb ein Talent verloren. Er war ein Kämpfer. Als Anführer der „Jungen Union“ hatte er einst Helmut Kohl in der CDU wieder salonfähig gemacht
Der bekannteste Nachwuchs-Politiker ist tot: Philipp Mißfelder. Diese Nachricht schlug ein, als die Welt auf die Griechenland-Ergebnisse aus Brüssel schaute. Mißfelder war außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Politisch hatte er sich einen Namen gemacht als Vorsitzender der Jungen Union. An diese Zeit soll hier erinnert werden.
Philipp Mißfelder brachte Kohl zum Weinen – vor Glück. Nun wird der Altkanzler trauern um seinen politischen Enkel. 50 Jahre jünger als Kohl ist er gestorben. Ein Schock, ein mächtiger Verlust für die deutsche Politik, wie selbst Parteigegner sagen. Viele haben Mißfelder noch immer für den künftigen Kohl gehalten, den möglichen Kanzler des Jahres 2030.
„Generation Kohl“ nannten sie sich von Europas größter Jugendorganisation, der Jungen Union. Fast 130.000 waren es, die Mißfelder 12 Jahre lang führte. Man kann auch sagen: politisch groß machte. An Mitgliedern hatten sie mehr als zwei Parteien, als Grüne und FDP zusammen, wie ihr Chef Mißfelder stets stolz verkündete.
Philipp Mißfelder wollte viel bewegen
Unter ihm hatte die JU politische Relevanz in der CDU. Mißfelder war einer der ernstzunehmenden Gegenspieler während des Aufstiegs von Angela Merkel. Sie sah er skeptisch, er kämpfte für Friedrich Merz und Roland Koch, als Wirtschaftsliberaler und Konservativer. Mißfelder warb für eine Steuerreform wie Merz sie wollte und sagte im Bundestag „Nein“ zu einer Gesundheitsreform, wie sie Merkels erste Große Koalition ausgehandelt hatte. Er gründete 2007 einen konservativen Kreis mit, der allerdings scheiterte. Doch es war ein Schuss für Merkel, der sie warnte: Führe unsere Partei nicht zu weit nach links!
Mißfelder wollte viel bewegen. Seine größte Leistung war es, dem tief gestürzten Altkanzler Kohl wieder einen Sockel zu zimmern in der CDU. Das Fundament dafür goss er in der Jungen Union, auf dem „Deutschlandtag 2004“ in Oldenburg.
„Sie sind der Grund, dass wir uns in der JU engagieren“, sagte Mißfelder damals, und die Halle bebte vor Applaus. „Ihre Lebensleistung ermöglicht es uns, dass wir in einem vereinigten Vaterland und friedlichen Europa leben.“ Kohls Augen waren schon feucht, als Mißfelder dann im Namen aller sagte: „Danke für eine friedliche Kindheit.“
Stets als JU-Vorsitzender wiedergewählt
Vier Jahre später saß er auf dem CDU-Parteitag in Stuttgart als Delegierter seines Kreisverbands Recklinghausen. Mißfelder kandidiert für das Präsidium der Partei, das höchste Führungsgremium der CDU. Er war da 29 Jahre alt – und aß nervös Pralinen. Dabei hegte niemand Zweifel, dass er gewählt werden würde – obgleich er nunmehr der Jüngste jemals in diesem begehrten Amt werden sollte.
Er war immer der Jüngste. Mit 14 Jahren trat er in die JU ein. Mit 20 wurde er in den CDU-Bundesvorstand gewählt. Mit 23 übernahm er die Führung der Jungen Union Deutschlands und wurde stets wiedergewählt. Mit 26 zog er in den Bundestag ein. Gefördert wurde seine Karriere auch von seinem Vater, der im Alter von 14 Jahren eine ganz andere Laufbahn beginnen musste – als Stahlarbeiter; Mitglied der IG Metall, nicht aber der CDU.
Angela Merkel zählte nie zu Mißfelders Förderern. Doch ihr imponierte sein Mut, auf jenem JU-Deutschlandtag 2004 mit der Maßgabe vorangeschritten zu sein, dass die CDU wieder stolz sein solle auf Kohl. „Denn wir haben ein Idol – Helmut Kohl“, sangen sie dort auf den Tischen. Er hatte damit Merkel die notwendige Rückbindung an Kohl erleichtert, ihr, die sie die CDU vom eigenen Förderer nach der Parteispendenaffäre abgenabelt hatte.
Merkel hielt freundliche Distanz
Merkel bekundete Mißfelder Sympathie, indem sie ihn fortan mit handgetippten SMS-Meldungen von ihrem Handy bedachte. Doch ein Jahr später brach der Kontakt wegen des JU-Deutschlandtags 2005 ab. In Augsburg forderte Mißfelder drei Wochen nach der Bundestagswahl öffentlich eine Wahlanalyse ein, die Merkel strikt verweigerte. Später trat Mißfelder als Kritiker auf, weil er nach dem Abgang von Merz nach mehr Ordnungspolitik in der Partei verlangte.
Wie angenehm musste der Vorsitzenden Merkel dagegen die Zusammenarbeit mit Hildegard Müller erschienen sein. Sie führte vor Mißfelder die JU und kam darüber ins Präsidium, welches sie nun wegen neuer beruflicher Pläne verlässt. Merkel wollte ursprünglich die Staatssekretärin Ursula Heinen als Nachfolgerin ihrer Vertrauten Müller.
Doch bald musste sie erkennen, dass Mißfelder eine Hausmacht hatte in der Partei. Er wurde gemeinsamer Kandidat der JU und der immer stärker werdenden Senioren-Union. Das allein war ein Erfolg, da Mißfelder 2002 für geharnischten Zorn der Alten sorgte, weil er öffentlich vorschlug, staatlich finanzierte Hüftgelenke und Zahnprothesen für 85-Jährige künftig einzusparen. Doch die Senioren nahmen seine Entschuldigung an. Und Merkel lud ihn dann zu sich ins Kanzleramt, um über gemeinsame Projekte zu sprechen.
Ein großer Junger der Demokratie
Mißfelder gelang es nicht, seine Nachfolge an der JU-Spitze zu regeln. Im letzten Jahr musste er den ewigen Vorsitz aus Altersgründen abgeben. Als er merkte, dass sein Kandidat Benedict Pöttering nicht die Mehrheit holen würde, hielt er sich aus dem Kampf heraus und akzeptierte, dass der bis dahin unbekannte Paul Ziemiak das Rennen machen sollte – mit 63 Prozent. Mißfelder hatte Respekt vor politischen Kämpfern, die auch mächtige Gegner nicht scheuten.
Mit seinem außenpolitischen Kurs war Mißfelder zuletzt allerdings nicht unumstritten. Er war mitten in der Ukraine-Krise einer Einladung zu einer Feier in Sankt Petersburg gefolgt, an der auch der russische Präsident Wladimir Putin und Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) teilgenommen hatten. Im April 2014 legte er schon nach wenigen Monaten sein Amt als Koordinator für die Beziehungen zu den USA nieder. Zur Begründung sagte er damals, dass diese Aufgabe unvereinbar sei mit dem von ihm angestrebten Amt als Schatzmeister der CDU in Nordrhein-Westfalen.
Mißfelders Töchter werden das Wirken und die politische Bedeutung ihres Vaters erst später verstehen – noch können sie nicht lesen. Dann aber werden sie sagen können: Er war ein Kämpfer. Ein großer Junger der Demokratie wird er nun immer bleiben – und ein junger Großer.
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