- Was die Parteien im Programm haben
Die Politik ist in die Ferien gegangen. Doch Erholungszeit wird es nicht geben: In elf Wochen ist Bundestagswahl. Bis dahin wollen die Parteien ihre Themen gut verkaufen. Was stellen sie beim Wahlkampf ins Schaufenster?
Union: Ein gut sortierter Gemischtwarenladen
Wenn sich CDU und CSU eine Dekoration fürs Wahlkampf-Schaufenster hätten malen dürfen, dann wäre da ein Wuselbildchen rausgekommen: Für jeden Kunden ein kleines Angebot, das ihn erfreut – und mittendrin, sehr groß und milde lächelnd das Bildnis der Frau Bundeskanzlerin. Diesen Charakter des gut sortierten Gemischtwarenladens – mit einem Schwerpunktangebot für den soliden Mittelstandsbürger – haben Wahlprogramme der Union seit jeher. Die beiden bürgerlichen Volksparteien werben um ein so breit gefächertes Klientel, dass sich inhaltlich scharfkantige Programme von selbst verbieten.
Die schlechten Erfahrungen mit Angela Merkels früheren Radikalreform-Offensiven haben diese Strategie ja eher noch bekräftigt.
Dass das Unionsprogramm in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen als „Spendierhosen“-Papier gilt, ist denn auch einer Panne geschuldet. Angela Merkel hatte wenige Tage vor der Programm-Konferenz der Unionsparteien in einem TV-Talk der CDU-Zentrale eine Reihe von Projekten benannt, die grob zusammengerechnet eine zweistellige Milliardensumme ergaben. Es war eine Steilvorlage für die Opposition. Und weil in Wahlkampfzeiten nicht Fairness regiert, sondern Polemik und Attacke, hat auch der von der Union rasch nachgeschobene Hinweis auf einen Finanzierungsvorbehalt den Spendierhosen-Verdacht nie ganz verdrängt. [[nid:54980]]
Geplant war es, wie gesagt, nicht, dass höhere Familienleistungen, Mütterrenten und Straßenbau-Investitionen derart ins Zentrum des Wahlkampfes geraten. Ganz unrecht ist es den Strategen von CDU und CSU andererseits auch nicht: Je lauter die Konkurrenz über die Wohltaten redet, desto weniger müssen die eigenen Wahlkämpfer darauf hinweisen – sie können sich auf die Versicherung beschränken, dass die schwäbische Hausfrau im Kanzleramt schon auf solide Kassen achten werde.
Ansonsten baut die Union darauf, dass die Deutschen ganz zufrieden damit sind, wie ihr Land im Moment dasteht, zumal im Vergleich mit den europäischen Nachbarn. Die Stimmungsbarometer der Demoskopen stützen diese Einschätzung: Sorgen vor wirtschaftlichem Einbruch, persönlichem Statusverlust oder krisenhaften Entwicklungen in Europa bleiben derzeit eher abstrakt, der Drang zu einem Politikwechsel ist daher gering, die Zustimmung zur Kanzlerin groß.
„Gemeinsam erfolgreich für Deutschland“ ist das Wahlprogramm von CDU und CSU überschrieben. Fehlt nur noch das Bild von Merkel auf der Titelseite, wie sie den CSU-Kollegen Horst Seehofer sachte unterhakt.
„Deutschland besser und gerechter regieren: Für ein neues soziales Gleichgewicht in unserem Land!“. Mit diesem Anspruch geht die SPD in den Bundestagswahlkampf 2013. Mit ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück strebt die Sozialdemokratie eine rot-grüne Koalition an.
Das zentrale Wahlversprechen ist ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro pro Stunde. Für „gute Arbeit" soll es auch „gute Löhne“ geben. Leiharbeit und Mini-Jobs sollen eingedämmt und stets gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden – auch bei der Entlohnung von Frauen und Männern. Für Kleinverdiener will die SPD das Kindergeld um 140 Euro anheben, damit auch Familien mit Kindern nicht mehr auf Zuschüsse vom Arbeitsamt angewiesen sind. Steuervorteile für Familien mit hohen Einkommen sollen dafür entfallen. Das Betreuungsgeld will die SPD wieder abschaffen.
Bildung wollen die Sozialdemokraten ganz groß schreiben. Von der Kita bis zur Hochschule soll Bildung gebührenfrei sein. Die SPD will, dass der Bund mehr Gesetzgebungskompetenzen für Bildung erhält. Ein weiterer Schwerpunkt gilt dem „bezahlbaren Wohnen“ vor allem in Großstädten. Mietsteigerungen sollen stärker begrenzt werden, Mieterrechte bei Sanierungen gestärkt werden. Die SPD fordert, dass für Maklerkosten der Vermieter aufkommt Ein 80 Milliarden Euro großes Investitionsprogramm soll den Investitionsrückstau in der Infrastruktur beseitigen und Privatinvestoren zur Beteiligung an den Investitionen der Energiewende beteiligen.[[nid:54980]]
Damit all die Vorhaben bezahlt werden können und trotzdem keine neuen Staatsschulden gemacht werden müssen, plant die SPD Steuererhöhungen für Vermögende und Besserverdiener. Der Spitzensteuersatz soll von bislang 42 Prozent („Reichensteuer“: 45 Prozent) auf 49 Prozent für Einkommen ab 100 000 Euro steigen. Die SPD will mit der Vermögensteuer hohe Vermögen belasten, aber eine Substanzbesteuerung von Unternehmen vermeiden. Die Abgeltungsteuer für Kapitaleinkünfte soll 32 Prozent statt wie bisher 25 Prozent ausmachen. Das Ehegattensplitting will die SPD für künftige Ehen durch eine individuelle Besteuerung ersetzen, Unterhaltspflichten aber berücksichtigen.
Die Grünen setzen im Bundestagswahlkampf, für den sie rund 5,5 Millionen Euro ausgeben, voll auf ihren Dauerbrenner: die Ökologie. Der Atomausstieg, für den die Partei so lange gekämpft hat, ist beschlossen. Nun geht es ganz konkret um die Energiewende. „100 Prozent erneuerbar“ heißt der Slogan, mit dem die Ökopartei dafür wirbt, die Stromerzeugung bis 2030 vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Nach der Atomkraft auch weg von Kohle, Öl und Gas – bei kaum einem Thema genießt die Partei ähnlich viel Glaubwürdigkeit.
Dass dieses Thema im Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen soll, dafür machte sich auch die Basis stark. Die Mitglieder durften neun aus 58 Schlüsselprojekten auswählen, die im Wahlkampf als „Regierungsprioritäten“ nach vorn gestellt werden sollen. Neben der Energiewende setzt die Basis dabei auch auf weitere „klassisch“ grüne Themen: das Ende der Massentierhaltung gehört dazu, die Begrenzung von Rüstungsexporten und die Förderung von Programmen gegen den Rechtsextremismus.[[nid:54980]]
Zum „grünen Wandel“, den die Partei in ihrem 337 Seiten starken Wahlprogramm beschreibt, gehört neben einer anderen, nachhaltigeren Wirtschaftsweise auch die Forderung nach einem gerechteren Sozialstaat. Für die Grünen zählen dazu Mindestlöhne, eine Bürgerversicherung sowie eine Neuordnung der Finanzmärkte. Gesellschaftspolitisch setzt die Partei auf den Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen statt Betreuungsgeld, gleiche Rechte für Schwule und Lesben, Frauenquoten sowie Bürgerrechte.
Dass die Grünen-Führungsriege in den vergangenen Wochen außerdem die Steuerpolitik stärker ins Rampenlicht gerückt hat, ist nicht allen in der Partei ganz geheuer. Die Anhebung des Spitzensteuersatzes, das Abschmelzen des Ehegattensplittings, die Einführung einer Vermögensabgabe für Reiche – in der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, dass die Grünen die Bürger ordentlich zur Kasse bitten wollen. Und das bei einer Partei, der ohnehin nicht die allergrößte Wirtschaftskompetenz zugebilligt wird. Ob Spitzenkandidat Jürgen Trittin mit seinem Mantra durchkommt, dass 90 Prozent der Einkommensteuerzahler durch die Grünen-Pläne entlastet werden und nur zehn Prozent mehr zahlen müssen? Daran gibt es zumindest in Teilen der Partei Zweifel.
Von der Steuersenkungspartei zur Partei der Sparsamkeit und Leistungsgerechtigkeit: Mit diesem Kurs will die FDP für sich werben. In einer Regierung will man verhindern, dass Steuern erhöht werden. Eine Steuerbremse im Grundgesetz soll sicherstellen, dass kein Arbeitnehmer mehr als die Hälfte seines Einkommens über Ertragssteuern an den Staat abführen muss. Um schleichende Steuererhöhungen durch die Kalte Progression zu verhindern, soll der Einkommensteuertarif regelmäßig angepasst werden.
Beim Staatsdefizit soll so schnell wie möglich die schwarze Null und der Einstieg in die Schuldentilgung erreicht werden. Mit einer Nachhaltigkeitsformel („Sparregel“) will die FDP das erreichen: Reale Steuermehreinnahmen, die sich aus dem Wirtschaftswachstum ergeben, sollen nur für Schuldenabbau und Investitionen verwendet werden. Der Solidaritätszuschlag soll bis zum Ende des Solidarpakts im Jahr 2019 auslaufen.
Wer arbeitet, muss dafür auch anständig entlohnt werden. Lange hatte sich die FDP dem Thema Mindestlohn versperrt. Nun will sie sich den Kleinverdienern als wählbar empfehlen. Die FDP macht sich über die bestehenden Mindestlöhne hinaus für weitere Lohnuntergrenzen stark, die nach Branchen und Regionen differenziert und von den Tarifparteien festgesetzt werden sollen. Dabei geht es ihr um Branchen mit geringer Tarifbindung. Einen bundesweit einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn lehnt die FDP weiter ab.[[nid:54980]]
Gesellschaftspolitisch setzt sich die FDP für mehr Flexibilität des Einzelnen und passgenauere Förderung ein. Eine starre Altersgrenze wie bei der Rente mit 67 halten die Liberalen für falsch. Arbeitnehmer sollen ab dem 60. Lebensjahr frei über den Renteneintritt entscheiden können. Die FDP tritt für eine beschleunigte Einbürgerung nach vier Jahren und die grundsätzliche Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft ein. Die Gehaltsgrenzen für Zuwanderer sollen gesenkt werden. Beim Ehegattensplitting sollen Kinder künftig den gleichen steuerlichen Grundfreibetrag erhalten wie Erwachsene. Die familienpolitischen Leistungen sollen neu geordnet werden. Auch das Betreuungsgeld soll auf den Prüfstand. Wenn es seine Ziele nicht erreicht, soll es wieder abgeschafft werden. Für eine flexiblere Gestaltung des Elterngelds sollen bessere Teilzeit-Möglichkeiten geschaffen werden.
„100 Prozent sozial“ steht auf dem Titel des Wahlprogramms, das die Linke im Juni auf einem Parteitag in Dresden beschlossen hat. Kurzgefasst hat sie sich nicht. Mit einer „Vielzahl von Vorschlägen und Projekten“ – so schreibt sie es selbst – geht sie in den Wahlkampf, sieht sich als Teil eines „bunten, radikalen und phantasievollen“ Widerstandes gegen herrschende Verhältnisse, also wieder auf Opposition gepolt. Das Kernthema „Soziale Gerechtigkeit“ ragt im Programm heraus. Sie sei „das Programm der Linken“, heißt es im ersten Satz das Papiers mit seinen knapp 100 Seiten.
In den nächsten Wochen werden die Werbeleute alles in den Vordergrund rücken, was unter diese Überschrift passt: Arbeit, Rente, Umverteilung von Reichtum, Bildung, verstärkt auch der Kampf gegen hohe Mieten und soziale Energiewende. Einfach wird das für sie nicht. Denn anders als beim Thema Frieden, wo die Linke mit ihrem Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr ein Alleinstellungsmerkmal behaupten kann, sieht sie mit SPD und Grünen im Lager der sozial Gerechten „zwei starke Mitbewerber“ am Start. Zu gewinnen sei diese Auseinandersetzung mit Rot-Grün weder mit einem Überbietungswettbewerb, bei dem etwa bei der Mindestlohn-Höhe immer noch draufgesattelt wird, noch mit dem Hinweis auf einen „Ideenklau“, erläutern die Strategen. Und der einfache Slogan „Weg mit Hartz IV“ werde es nicht mehr richten, auch wenn der ein Gründungsmythos der Linken ist. Das erklärte Ziel, selbst wenn Plakate plakativ bleiben werden: Die Wahlkämpfer wollen versuchen, die Zusammenhänge besser zu erklären, beispielsweise zu vermitteln, dass nur höhere Löhne eine armutsfeste Rente sichern. Und dass die Linkspartei vieles gern sofort hätte und nicht, wie die anderen, irgendwann. Ausdrücklich gewinnen will die Partei den Mittelstand und nicht nur die Armen. „Alle mit einem monatlichen Einkommen bis zu 6000 Euro“ sollen bessergestellt werden, versprach Parteichefin Katja Kipping auf dem Dresdner Parteitag.[[nid:54980]]
Im Programm macht die Linke alle konkurrierenden Parteien für Hungerlöhne und Hartz-Gesetze verantwortlich. Im Wahlkampf aber soll klar werden, dass Union und FDP der Hauptgegner seien, heißt es. Das wäre dann anders als unter Oskar Lafontaine, der sich am liebsten die SPD vorknöpfte. Und bei dem, was die Linke sich im Wahlkampf vorgenommen hat, will sie klotzen, nicht kleckern: Die Partei lässt sich den Wahlkampf 6 Millionen Euro kosten.
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