- Europa-Politik royal
Kolumne: Leicht gesagt. Der fünfte Staatsbesuch der Queen in Deutschland ist ein hochpolitisches Statement. Geschickt wird die vermeintlich Unpolitische von der Regierung daheim. Um Europa-Politik für die Insel zu machen. Der Auftrag Ihrer Majestät lautet: den Brexit verhindern!
Es sagt sich leicht, Queen-Besuche seien bloß teurer Schmuck. Etwas für Eskapisten, die aus dem Grau republikanischer Politik mitgenommen werden wollen in eine andere, goldglänzende Welt. Hinein in ein verkitschtes Staatsschauspiel mit Königin und Prinzgemahl, in der die sonst so nüchterne Bundeskanzlerin eine Hofknicks-Rolle spielt.
Doch der Glamour und die Schau sind Realpolitik, mehr noch: Der Staatsbesuch von Elisabeth II dient der Krisenbewältigung; dieser fünfte ebenso, wie schon die vier vorangegangenen in Deutschland. Jeder einzelne Besuch in einem halben Jahrhundert hatte vor allem ein Ziel: Europa zu einen.
Besuch als Bekenntnis zu Europa
Das mag überhöht klingen für den Besuch einer betagten Monarchin, die sich in über 63 Jahren auf dem Thron nie politisch geäußert hat. Von der niemand weiß, wie sie wählt; welche Politik sie für ihr Land will. Die nicht einmal dann eine Brandrede hielt, als vor einigen Monaten mit der möglichen Abspaltung Schottlands ihr „Vereinigtes“ (!) Königreich auf dem Spiel stand.
Dennoch handelt sie hochpolitisch mit dem Zeitpunkt ihrer Reisen. Das Besuchsziel Deutschland hat sie immer dann genutzt, wenn ein Bekenntnis zu Europa innerhalb Großbritanniens notwendig erschien.
Das war bereits bei ihrem allerersten Staatsbesuch in Deutschland so, vor genau 50 Jahren. Sie war spät dran damals, Eile schien London geboten. Denn längst war die junge Bundesrepublik erwachsen geworden. Nicht nur sprichwörtlich, sondern tatsächlich galt: Die Deutschen sind wieder wer in Europa. Sie hatten sich versöhnt mit Frankreich und den USA, waren Wirtschafts- und Nato-Macht. Zur vollen Westbindung hatte Kanzler Adenauer seit Jahren um einen Queen-Besuch gebuhlt. Nun erlebte er ihn immerhin noch als Altkanzler.
Die Deutschen jubelten der damals 39 Jahre jungen Königin zu, wie sie an der Lorelei vorbeischipperte und huldvoll im Rheinland und später in Hamburg die Winkenden grüßte. Die Deutschen fühlten sich endlich angenommen, war doch ihre Bundesregierung zur pompösen Krönungsfeier Elisabeths 1952 ausdrücklich nicht eingeladen gewesen.
Der Queen-Besuch in Deutschland 20 Jahre nach dem Krieg war ein Statement: Die Bundesrepublik ist wichtig für Europa! Es war aber vor allem ein Zeichen nach Hause, an die Europa-Skeptiker in Großbritannien.
1978, 1992 und 2004 – die Queen dient dem Premier
Und so war es bei jedem ihrer Deutschlandbesuche: Politik für daheim. Stets diente die Queen damit den Plänen der jeweiligen Premiers. Denn nicht bei ihr im Buckingham-Palast, sondern in der Downing-Street sind jedes Mal die Zeitpunkte der Staatsbesuche Ihrer Majestät nach Deutschland festgelegt worden.
1978, als die Queen ihr zweite Reise zum deutschen Nachbarn auf den Kontinent machte, war ihr Land gerade der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beigetreten. Die Insel kochte darüber vor Wut. Denn Britanniens Wirtschaft lag am Boden, die Arbeitslosigkeit wuchs und die mächtigen Gewerkschaften hetzten gegen „Made in Germany“, weil die „Krauts“ damit der heimischen Kohle- und Stahlindustrie angeblich schadeten. Der Queen-Besuch sollte zeigen: Da wohnen keine Konkurrenten, sondern Partner eines enger verwobenen Europas.
Der dritte Staatsbesuch 1992 fand nach dem folgenreichen EG-Gipfel von Maastricht statt, auf dem der Weg hin zu einer „Europäischen Union“ gezeichnet worden war. Dieser Plan führte die EG in die bis dahin schlimmste Krise ihrer Geschichte. Gegen die ehrgeizigen Ziele dieses Vertrages – europäische Währungsunion, politische Integration, Einstieg in eine Verteidigungsgemeinschaft – wurde vor allem in Großbritannien Stimmung gemacht. Die britische Regierung hatte allerlei Änderungen und Sonderstellungen verlangt. Aber nie wollte sie den völligen Bruch mit Europa. Deshalb schickte Premier John Major die Queen auf Staatsbesuch, die dann tatsächlich verkündete: Wir sind Europäer.
2004 kam die Königin wieder in offizieller Mission nach Deutschland als Europa über eine EU-Verfassung abstimmte. Die Staaten-Union hatte eben erst die größte Erweiterung seit Gründung gestemmt, halb Osteuropa gehörte nun dazu. Eine Verfassung sollte das Sammelsurium zusammenbinden. Volksentscheide in einzelnen Mitgliedsstaaten drohten alles auseinanderfliegen zu lassen – auch in Großbritannien war die Skepsis groß. Die Queen kam – eine von den Briten akzeptierte EU-Verfassung am Ende auch.
Auftrag: Europa helfen
Immer wenn Europa kriselte, setzte Elisabeth II verbindliche Zeichen dagegen – eben mit Staatsbesuchen in Deutschland. So auch jetzt. Von ihrem fünften Staatsbesuch in Deutschland erhofft sich die Bundesregierung wieder ein Statement: Europa ist wichtig für Großbritannien. So hat es Merkel klar gesagt zum Besuch der Königin: „Wir verstehen uns auch immer als Partner in der Europäischen Union und ich wünsche mir, dass Großbritannien Teil dieser Union bleibt.“
Wünscht sich das die Queen auch? Wie stimmt sie, wenn ihr Volk bald über den Brexit entscheidet, den möglichen Austritt aus der EU? Das wird sie nicht sagen, wie sie in sechs Jahrzehnten nichts verriet von dem, was sie hinter geschlossenen Türen mit Regierenden und Präsidenten Deutschlands besprach.
Kenner deutscher und britischer Außenpolitik sind sich sicher, dass die alte Dame in diesen Tagen aber mit Merkel und auch mit Bundespräsident Gauck explizit über den drohenden Brexit sprechen wird. Und zwar ganz im Sinne des europäischen Zusammenhalts. Staatsminister Michael Roth im Auswärtigen Amt gibt offen zu, dass die Queen immer Europa geholfen habe und es diesmal wieder so sein möge.
Denn das ist ihr Auftrag. Und ihr Auftraggeber, der jüngst mit absoluter Mehrheit wiedergewählte Premierminister David Cameron, wird diesmal selbst hinzukommen.
„Cameron möchte den Besuch der Queen auch nutzen, um sich eigens mit Bundeskanzlerin Merkel zu treffen“, analysiert es der Großbritannien-Fachmann der Stiftung Wissenschaft und Politik, Nicolai von Ondarza im ZDF: Cameron wolle „dann eben auch die positive Stimmung rund den Queen-Besuch nutzen, um in Großbritannien und Deutschland für einen Verbleib in der EU zu werben.“
Von wegen also: Queen-Besuche in Deutschland sind nur Lächeln, Winken und Brillanten-Blinken. Sie sind viel mehr: Europa-Politik royal.
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