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Rauswurf des Generalbundesanwaltes - Imageprogramm für Heiko Maas

Mit dem Rauswurf von Generalbundesanwalt Range hat Heiko Maas wenig zur Aufklärung beigetragen und vor allem sich selbst rehabilitiert: Der Justizminister, der eben noch als Schwächling galt, ist nun der Starke

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Bei diesem Wechsel sagt es sich wirklich leicht, dass er lange geplant war. Nur der Zeitpunkt kam überraschend: Die Berufung des neuen Generalbundesanwalts beweist, dass der alte kaum noch Amtszeit vor sich hatte, nachdem er am Dienstagmorgen eilig zu einem Pressestatement rief.

Keine neun Stunden, um genau zu sein, in denen Justizpolitik Geschichte machte, wie sie die Bundesrepublik nicht kannte. Die beginnt mit Generalbundesanwalt Harald Range und endet mit Generalbundesanwalt Peter Frank. An Lebenszeit trennen über 20 Jahre die beiden, Range ist 67, Frank 46. Zwischen Absturz des Alten und Emporkommen des Jungen liegt nur ein Tag. Doch der verlief so turbulent, dass er die Machtstrukturen in der Bundesregierung aufgezeigt hat.

Sehr kurzfristig lädt Range morgens um 9:30 Uhr die Medien in seinen Karlsruher Dienstsitz. Das kann nur Rücktritt bedeuten, mutmaßen viele. Range tritt aber nicht zurück, er schlägt zurück; so hart, wie noch nie ein Bundesanwalt die eigene Regierung anging. Gegen den Blog Netzpolitik.org werde zu Recht ermittelt, sagt Range. Doch das Bundesjustizministerium habe ihn angewiesen, ein unabhängiges Gutachten zu stoppen: „Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz.“

Ein wuchtiger Vorwurf gegen den Bundesjustizminister ist das. Zu diesem Zeitpunkt scheint klar: Maas wird Range feuern müssen. Denn er ist dessen Dienstherr – weisungsbefugt in jeder Hinsicht. Das Justizministerium reagiert über Stunden gar nicht öffentlich. Der Hausherr will selbst Hand anlegen. An Ranges Reputation.

Unterstützung aus allen Parteien
 

Schon fünf Tage zuvor, am Freitag, hatte Justizminister Maas den Generalbundesanwalt öffentlich gemahnt, das Ermittlungsverfahren ruhen zu lassen. Denn die Vorwürfe gegen Netzpolitik.org erschienen ihm ein Angriff auf die Pressefreiheit zu sein.

Angela Merkel und Thomas de Maizière waren Maas am Montag zur Seite gesprungen. Aus ihren Urlaubsorten gaben sie ihren Leuten Nachricht, die dann so verkündet wurde: „Ich möchte sagen, dass die Bundeskanzlerin ausdrücklich das Vorgehen des Bundesjustizministers unterstützt“, hat die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz fast freudig mitgeteilt. Etwas zerknirscht, aber inhaltlich auf Linie pflichtete auch ein Sprecher des Bundesinnenministers dem Justizkollegen bei.

Maas kann also sicher sein, dass aus dem Regierungslager ihm niemand in den Rücken fallen wird. Auch die Opposition hat sich längst festgelegt, sieht sich als Verteidiger der Netzpolitik-Blogger und damit als Gegner Ranges. Nachdem Range nun Maas angegriffen hat, wirkt die Reaktion der Linken fast wie eine Verteidigung des Ministers. Unerhört sei Ranges Auftritt, Maas müsse ihn feuern.

„Offensichtlich hat sich Herr Range ja als nützlicher Idiot für den Bundesverfassungsschutz betätigt und ihm seine Arbeit erledigt“, poltert Linken-Chef Bernd Riexinger. BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen, der die Anzeige stellte, auf die hin Range das Ermittlungsverfahren einleitete, „steckt auf alle Fälle hinter dieser ganzen Sache“, so Riexinger. „Herr Maaßen muss ebenfalls zurücktreten.“ Das allerdings ist nicht Maas Problem. Maaßens Vorgesetzter ist der Bundesinnenminister, der ja wiederum das Vorgehen des Bundesjustizministers grundsätzlich hat gutheißen lassen.

Maas kann sich an Range rehabilitieren
 

So kann Heiko Maas in aller Ruhe und unbedroht von Feind, Freund und Parteifreund den Rauswurf Ranges damit verbinden, den eigenen Ruf wieder herzustellen, indem er Ranges ruiniert. Das hat er auch bitter nötig, nachdem er erst im April auf Druck von Parteichef Sigmar Gabriel gemeinsam mit Innenminister Thomas de Maizière die Vorratsdatenspeicherung beschlossen hatte. Im Netz wurde er, der die Vorratsdatenspeicherung noch bei seinem Amtsantritt abgelehnt hatte, daraufhin als „Umfaller“ verspottet.

Maas tritt spät nachmittags vor die Presse und sagt, Range habe der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck vermittelt. Bereits am Freitag sei der Generalbundesanwalt angewiesen worden, das unabhängige Gutachten zu stoppen – also bevor dessen Ergebnisse überhaupt vorlagen. Später ist zu lesen, Range habe den Gutachter am Montag sogar in dessen Urlaub angerufen. Als habe er sich schnell noch bestätigen lassen wollen, dass Maas einen Fehler mache mit der Einstellung. Eben weil am Vorwurf doch etwas dran sei, Netzpolitik-Blogger verrieten Staatsgeheimnisse.

Kurz nach dieser öffentlichen Hinrichtung des alten Generalbundesanwalts, den vor vier Jahren die FDP noch ins Amt hob, verkündet Maas dessen Nachfolge: Peter Frank gilt als neue Generation, ihm wird „brillanter juristischer Sachverstand, politisches Gespür, ausgeprägte Führungskompetenz“ bescheinigt. Diese Kränze braucht Maas gar nicht selbst flechten. Das besorgt Bayerns Justizminister. Denn Frank ist der Kandidat der CSU. Sie war dran, den Nachfolger des FDP-Manns Range zu stellen, das war seit den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen abgemacht.

So muss Maas nicht einmal die Kritik konservativer bayerischer Koalitionäre fürchten, als er Range richtet.

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