- „Das ist kein Leben hier“
Das Flüchtlingscamp Idomeni in Griechenland wird geräumt. Ein Teil der Flüchtlinge muss deshalb umziehen auf das ehemalige Olympiagelände Elliniko im Landesinnern. Doch das wird ihre Situation kaum verbessern, wie diese Reportage zeigt
Das griechische Flüchtlingslager Idomeni war das tragische Aushängeschild der gescheiterten Flüchtlingspolitik Europas. Die Umstände, unter denen die Menschen direkt an der mazedonischen Grenze leben mussten, waren erschreckend. Nun wird das Camp geräumt.
Die Flüchtlinge sollen in den staatlich geführten Flüchtlingscamps im Inland untergebracht werden, doch dort sieht es oft auch nicht besser aus. So leben auf dem Olympiagelände von 2004 am Rande Athens seit Februar knapp 5.000 Menschen, die meisten von ihnen sind aus Afghanistan.
Altes Olympiagelände wird neues Flüchtlingslager
Das Flüchtlingslager Elliniko besteht aus drei Teilen: dem Flughafengebäude, dem Baseball- und dem Hockeystadion. Das riesige Olympiagelände ist seit den Olympischen Spielen dem Verfall preisgegeben.
Die Polizei ist mit vier Streifenwagen präsent. Doch es ist den freiwilligen Helfern und NGOs zu verdanken, dass die Grundversorgung gesichert ist – aber was heißt das schon?
„Hier muss niemand verhungern, aber die hygienischen Umstände könnten besser sein“, sagt Dimitri von der NGO „Waha“ (Women for Health Alliance International), die hier medizinische Erstversorgung leistet. Seit Anfang Februar die Grenze nach Mazedonien geschlossen wurde, habe sich die Lage allerdings geändert. „Früher haben wir hier nur akute Fälle behandelt, die Menschen waren ja auf der Durchreise. Heute bleiben die Menschen gezwungenermaßen länger und so betreuen wir die Menschen auch langfristig. Häufige Befunde sind Läuse, Durchfall, Magen-Darm-Virus und Hauterkrankungen“, erzählt er. Dann muss er wieder raus, denn vor seinem Büro warten schon wieder Eltern mit ihren Kindern.
Die Gebäude sind überfüllt
Vor dem Flughafengebäude wurde ein Volleyballnetz aufgebaut – für viele Kinder eine willkommene Abwechslung zum ansonsten tristen Lager-Alltag. Zwei Mädchen lassen ein paar Luftballons steigen, während sich in einer anderen Ecke ein Dutzend Männer zum Gebet versammelt.
Die Gebäude sind überfüllt. Die Menschen haben die Gänge in den Katakomben mit Decken ausgelegt. Darauf stehen Zelte. An den Wänden haben sich Flüchtlinge verewigt. Zwischen den vielen arabischen Schriftzeichen findet man die afghanische Flagge, Umrisse einer Karte von Syrien und eine Nachricht von Menschen aus der Westsahara.
Berichte über Zwangsprostitution auf dem Gelände machen die Runde. In den Gängen hängt eine Mischung aus Essens- und Toilettengeruch. „Es gibt immer dasselbe und manchmal ist das Essen sogar schon schlecht“, beschwert sich Ferouz Nouri, der aus Afghanistan geflohen ist. In Kabul war er ein erfolgreicher Fotograf, besaß Haus und Auto. Er machte auch Hochzeitsfotos und Fotos von Frauen. Dann wurde er von den Taliban bedroht. Erst telefonisch, dann bekam er Besuch. „Sie sagen dir: Entweder du kämpfst mit uns oder du bist tot.“ Er kenne viele Fälle, bei denen die Taliban ihren Drohungen Taten folgen ließen.
Ein anderer Bewohner des Baseballstadions zeigt auf ein zierliches Mädchen mit feinem Gesicht, das gerade einen kleinen Jungen in den Armen hält. „Ihr Vater wurde vorgestern von einem Mann aus dem Iran im Streit erstochen. Ihre Mutter ist gerade im Krankenhaus und leitet die teure Beerdigung an der türkischen Grenze in die Wege.“ Das Mädchen heißt Jameela, sie ist 12 Jahre alt. Ihr großer Bruder hat es gerade noch vor der Grenzschließung nach Deutschland geschafft.
Keiner will hier bleiben
Keiner der Menschen möchte in Elliniko bleiben, sie wollen nach Großbritannien, Schweden oder Deutschland. „Das ist kein Leben hier. Ich fühle mich wie in einem Gefängnis, denn hier kann ich nichts tun, außer zu warten“, sagt Nouri. Bereits zweimal traten die Flüchtlinge in einen Hungerstreik und gaben das ausgegebene Essen zurück. „Mittlerweile kaufen wir von unserem wenigen Geld selbst Lebensmittel, aber die beiden Herdplatten reichen zum Kochen natürlich nicht aus und dann gibt es Streit“, ergänzt er.
Eine Forderung der Flüchtlinge in Idomeni war „Another country, not another camp“, doch dieser Wunsch ist für viele nach der Räumung nicht in Erfüllung gegangen.
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