- Dem Grexit könnte der Nato-Austritt folgen
Die Euro-Zone mag gegen einen Grexit gewappnet sein. Der Nato-Generalsekretär aber will ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro unbedingt verhindern. Denn das könnte auch zum Ende der Nato-Mitgliedschaft führen – nach 41 Jahren
Es sagt sich inzwischen leicht: Dann sollen sie eben gehen, die Griechen.
Nach dem Motto plumper Pädagogik: Wer nicht hören will, muss fühlen. Dumm nur, dass nach einem Grexit auch die EU einiges zu spüren bekäme. Europa fürchtet die geopolitischen Folgen schon jetzt.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat darüber soeben mit dem ZDF gesprochen. Seine Aussagen sind bemerkenswert. Vor allem, weil er in einem Punkt die geradezu absurd klingende Forderung aufstellt, Griechenland dürfe nicht seine Verteidigungsausgaben kürzen.
„Rüstungsausgaben sind nicht der Grund für die Probleme in Griechenland“, sagt da der sonst auch gern ausweichend antwortende Norweger Stoltenberg glasklar. „Die Probleme sind viel komplizierter als allein die Tatsache, dass Griechenland hier seine Zusagen bei den Militärausgaben einhält. Ich erwarte von allen 28 Nato-Partnern inklusive Griechenland, dass sie sich an ihre Versprechen halten, die zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Denn das ist wichtig für alle.“
Zweithöchste Militärausgaben in der EU
Wie bitte? Alle Welt fordert die Griechen dazu auf, endlich den Rotstift anzusetzen beim Militär. Und Stoltenberg will das genaue Gegenteil. Wohlwissend, dass Griechenland längst bankrott ist. Auch weiß er, dass sich kein zweiter EU-Staat nach Großbritannien die Rüstung so viel kosten lässt. Die griechischen Verteidigungsausgaben lagen laut Nato im Jahr 2013 bei 4,27 Milliarden Euro. Das entsprach 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Die Troika, pardon: die Institutionen, verlangen von Griechenland, die Verteidigungsausgaben um 400 Millionen Euro zu kürzen. Die griechische Regierung wollte den Etat immerhin um 200 Millionen Euro zusammenstreichen. Stoltenbergs Forderung löst natürlich Kritik aus: „Es hilft den Menschen in Griechenland nicht, wenn die Nato stumpf an einem aufgeblähten Militärhaushalt festhalten will. Lieber hier kürzen statt die sozialen Probleme durch andere Maßnahmen weiter zu verschärfen“, schimpft die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Agnieszka Brugger.
Skurril erscheint, dass Stoltenberg zugleich vor einem Grexit warnt. Fast flehentlich mahnt er, „dass noch eine Lösung gefunden und der Grexit verhindert werden kann“. Denn: „Ein starkes und vereintes Europa ist gut für uns alle – auch für die Nato.“
Doch was ein Grexit für die Nato bedeuten würde, will der Chef des Bündnisses partout nicht sagen. Wie ein Mantra betet er herunter, dass Griechenland – seit 41 Jahren schon in der Nato - immer ein verlässlicher Nato-Staat gewesen sei und dies auch heute noch gelte. So hätte es ihm selbst diese Regierung doch versichert, eben noch der Verteidigungsminister, vor einigen Wochen der Außenminister – wieder und wieder. Außerdem habe „kein Vertreter der griechischen Regierung irgendeinen Zusammenhang hergestellt zwischen der Finanzkrise auf der einen und der Nato-Mitgliedschaft auf der anderen Seite“. Na dann. Wenn diese vertrauenswürdigen Leute es doch so sagen…
Nato-General tut so, als wäre alles bestens
Stoltenberg tut so, als es gebe keinen Plan B für die Nato. Er weigert sich, die möglichen Folgen eines Grexit auszumalen. „Es würde die schwierige Situation nur noch schwieriger machen, wenn ich nun spekulieren würde über hypothetische Fragen.“
Dieses Herumwinden und Behaupten, in den Bündnisfragen sei noch alles in bester, alter Statik, verrät natürlich das genaue Gegenteil: Nämlich große Sorge vorm Wanken.
Deutsche Politiker haben das längst offen ausgesprochen: „Wenn Griechenland tatsächlich aus der Eurozone rausginge, dann stünde in der Tat auch die Zugehörigkeit zu Europa in Frage“, sagte der SPD-Fraktionschef Oppermann dem ZDF. „Deshalb muss man auch die geopolitischen Gefahren bedenken, die damit verbunden sind.“
Der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner sah bereits einen gefährlichen Drift Griechenlands Richtung Russland, als der griechische Ministerpräsident Tsipras vor zwei Wochen Russlands Präsidenten traf: „Sicherheitspolitisch ist das was, wenn ein Nato-Mitglied mit Herrn Putin, der ja Völkerrecht gebrochen hat, anders kann man es nicht formulieren, gemeinsame Sache macht. Das ist nichts, was der EU hilft, das ist nichts, was die Region stabiler macht.“
Syriza: ideologisch und anti-westlich?
Gemeinsam haben Tsipras und Putin den Bau einer Gasleitung durch Griechenland beschlossen, die „Turkish Stream“. Das allein wäre noch kein anti-europäisches Projekt. Es sollte sogar im Interesse der EU sein, wenn Griechenland daran verdienen könnte. Doch man muss natürlich erst einmal investieren in den Leitungsbau, um eines Tages an den Durchlaufgebühren zu verdienen. Woher das Geld nehmen nach einem Grexit? Russland hat sich als Geldgeber schon angeboten.
Doch dann könnte das westliche Bündnis ein Problem bekommen: „Die Nähe Griechenlands zu Russland ist ja nicht nur eine geografische, sondern auch eine politisch-kulturelle“, sagt Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz. „Die Versuchung wäre groß, die griechischen Beziehungen zu nutzen, um die Stabilität Europas zu schwächen.“
Genau das sei das Ziel der Syriza, vermutet der Europa-Parlamentarier Elmar Brok. Als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses kenne er etliche dieser griechischen Links-Politiker aus der täglichen Zusammenarbeit. Sie tickten ideologisch anti-westlich und suchten das Ende der Westbindung.
Der Grexit könnte demnach nicht nur zum Ausscheiden Griechenlands aus der EU, sondern auch aus der Nato führen – nach 41 Jahren Mitgliedschaft. Die beiden großen Bündnisse Europas sind bislang immer nur gewachsen. Nach dem steten Aufstieg wäre das eine neue, ernste Erfahrung: erstmals Niedergang. Mit anderen Worten: Over the peak!
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