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Volkswagen in der Abgas-Affäre - Gierig wie die Deutsche Bank

Volkswagen hat eingeräumt, die Abgaswerte bei seinen Dieselfahrzeugen in den USA jahrelang manipuliert zu haben. Es droht eine Milliardenstrafe und der Verlust der Glaubwürdigkeit. Der Skandal erinnert an die Betrügereien der Deutschen Bank. Ein Kommentar

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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Als „Katastrophenveranstaltung“ hatte der mächtige VW-Betriebsratsboss Bernd Osterloh das US-Geschäft des Autoherstellers bereits im vergangenen Jahr bezeichnet. Damals bezog er sich dabei nur auf eine verfehlte Modellpolitik und Absatzprobleme von Volkswagen in den USA, dem zweitgrößten Automarkt der Welt. Nachdem, was am Wochenende bekannt geworden ist, werden aber auch dem nicht auf den Mund gefallenen Osterloh die Worte fehlen.

Am Freitagabend hat die amerikanische Umweltbehörde EPA mitgeteilt, dass Volkswagen jahrelang die Ermittlung der Abgaswerte seiner Dieselmodelle bei Tests manipuliert habe. Mittlerweile hat ein Konzernsprecher bestätigt: „Der Sachverhalt trifft zu.“ VW bediente sich bei den Manipulationen einer Software, die an Parametern wie Steuerradwinkel und Geschwindigkeit erkennt, ob sich das Auto im normalen Straßengebrauch oder in einem Emissionstest befindet. Im Testmodus reduzierte die Software den Emissionsausstoß, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Im normalen Gebrauch spuckten die Dieselmotoren dagegen teilweise das 40-Fache der im Test gemessenen Werte aus, weil die Emissionsreduktion abgeschaltet wurde, nur damit die Autos besser beschleunigen konnten.

Es droht eine Strafe von 18 Milliarden US-Dollar


Nun droht dem größten Autohersteller der Welt in den USA ein wirkliches Desaster. 482.000 Fahrzeuge der Typen Golf, Passat, Jetta und Beetle sowie der Audi A3 sind von den Manipulationsvorwürfen betroffen, gebaut zwischen 2009 und 2014. Bei Verstößen gegen den „Clean Air Act“ beträgt das Höchststrafmaß 37.500 US-Dollar pro Auto (33.000 Euro). Wenn die EPA an Volkswagen ein Exempel statuieren will, droht den Wolfsburgern daher insgesamt eine Strafe von 18 Milliarden US-Dollar. Dazu kommen die Kosten für Rückrufaktionen der betroffenen Fahrzeuge, Schadensersatzforderungen der Kunden und der schwer zu beziffernde Imageschaden.

Auch wenn VW-Chef Martin Winterkorn volle Kooperation mit den Behörden verspricht, sich bei den Kunden entschuldigt und die Aufklärung des Manipulationsskandals jetzt zur Chefsache erklärt, erinnert das Verhalten des Konzerns in mancher Hinsicht an den Umgang der Deutschen Bank mit dem Libor-Skandal. Deutschlands größtes Geldhaus musste am Ende eine Rekordstrafe von 2,5 Milliarden Dollar bezahlen, weil Mitarbeiter der Bank in die Manipulation des internationalen Bankenzinssatzes Libor verwickelt gewesen waren. Auch die Bank hatte zunächst volle Kooperation mit den Behörden und rückhaltlose Aufklärung versprochen. Geliefert hat sie nicht. Die Strafe fiel auch deswegen so hoch aus, weil die Bank nach Angaben der Behörden immer wieder taktiert und die Ermittlungen massiv verzögert habe.

Volkswagen sollte dies eine Warnung sein. Ob sie schon in Wolfsburg angekommen ist, erscheint fraglich. Denn der Autohersteller weiß schon seit Mai 2014 von den Manipulationsvorwürfen, redete sich aber damals mit „verschiedenen technischen Problemen und unerwarteten Gebrauchsbedingungen“ heraus. Erst als die US-Behörden im Dezember 2014 drohten, den VW-Modellen für 2016 keine Genehmigungen zu erteilen, räumte Volkswagen die Nutzung der Manipulationssoftware ein.

Parallelen zum Libor-Skandal der Deutschen Bank


Angesichts der Tatsache, dass sowohl Modelle der Marken Audi und Volkswagen betroffen sind und somit verschiedene Abteilungen des Gesamtkonzerns in die Manipulationen verwickelt sein müssen, scheidet wohl auch ein Fehlverhalten einzelner, übereifriger Mitarbeiter in den USA aus: Sie wollten mit allen, notfalls auch illegalen Mitteln die ehrgeizigen Verkaufsziele aus der Zentrale in Deutschland erfüllen.

Da die Manipulationen vorsätzlich vorgenommen wurden, ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass gegen Topmanager des Konzerns strafrechtlich vorgegangen wird. Die US-Ermittlungsbehörden werden sehr genau wissen wollen, wer zu welchem Zeitpunkt Kenntnis davon hatte. Auch dies eine Parallele zum Libor-Skandal bei der Deutschen Bank.

Für Martin Winterkorn sind die Vorfälle in jedem Fall das größtmögliche denkbare Desaster. Das Geschäft in den USA läuft schon seit Jahren miserabel. Den Turnaround dort hatte Winterkorn ebenfalls zur Chefsache erklärt. Schon vor Bekanntwerden des Skandals musste VW einräumen, dass die Zahlen der Marke Volkswagen in den USA auch 2015 schlecht aussehen. Für den Zeitraum Januar bis August musste man auf dem insgesamt boomenden US-Automarkt ein Absatzminus von 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen. Dabei waren die jetzt beanstandeten Dieselfahrzeuge einer der wenigen Lichtblicke.

Schlechte Führung von Martin Winterkorn


Der Skandal ist aber auch ein weiterer Beleg dafür, dass Volkswagen sich unter Winterkorn zu einem schlecht geführten Unternehmen entwickelt hat. Der 68-Jährige steht zwar für zahlreiche Erfolge der Vergangenheit. Doch sein extrem autoritärer Stil und sein Hang zur Zentralisierung lähmen den Konzern. Seit dem gewonnenen Machtkampf mit Ferdinand Piëch ist Winterkorn auch noch stärker von Osterloh und der IG Metall abhängig, weil sie ihm bei der Beseitigung des Patriarchen Piëch halfen.

Den Aufsichtsrat wird ab November der bisherige Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch anführen. Dass er seinen bisherigen Chef Winterkorn wirksam kontrollieren wird, glaubt in Wolfsburg niemand. Ein autoritär geführter Konzern ohne wirksame Kontrolle durch den Aufsichtsrat und mächtigen Gewerkschaftern, die nur das Wohl der deutschen Belegschaft im Blick haben, das ist der beste Nährboden für kriminelles Verhalten nach außen. Die Krise der Deutschen Bank begann ebenfalls, als Josef Ackermann seinen Finanzvorstand Clemens Börsig zum Aufsichtsratschef machte.

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