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() Ein intelligenter Stromzähler misst detailliert, wann wie viele Kilowattstunden verbraucht wurden
Die Schlacht um die intelligenten Energienetze

Der Strom der Zukunft fließt durch intelligente, IT-gestützte Energienetze, sogenannte Smart Grids. Das Marktpotenzial ist gigantisch: Nach Schätzung der EU-Kommission werden bis 2030 Investitionen von 400 Milliarden Euro für ihren Aufbau in Europa notwendig sein. Doch bevor die Zukunftsmusik erklingen kann, stören in der Gegenwart noch manche Misstöne.

Einem der lukrativsten Geschäftsmodelle der deutschen Wirtschaft droht das Aus. Jahre lang konnten sich die großen Vier der Energiebranche – RWE, EnBW, E.on und Vattenfall – in einem Oligopol ungestört von nennenswerten Wettbewerbern den Markt untereinander aufteilen, satte Gewinnmargen inbegriffen. Auch die örtlichen Versorger, in der Regel Stadtwerke, mussten nur wenig Konkurrenz fürchten. Zwar hatte der Gesetzgeber versucht, die verkrustete Branche gegen ihren Widerstand zu liberalisieren. Doch mehr Wettbewerb stellte sich nur in geringem Maße ein. Zu schwach war oft schlicht aus Gründen der Bequemlichkeit die Bereitschaft der Verbraucher, ihren Energieversorger zu wechseln. Doch nun werden die Karten neu gemischt und verteilt. Der Strom der Zukunft fließt durch intelligente Energienetze, sogenannte Smart Grids. Sie ermöglichen eine effiziente und dezentrale Erzeugung und Verteilung von Strom, indem sie seine Einspeisung regeln und den Bedarf der Endverbraucher optimieren. Diese Steuerung von Angebot und Nachfrage erfolgt mit Hilfe von Informationstechnologien. Da das dezentrale Einspeisen von umweltfreundlichem Strom aus Solar- und Windkraftanlagen in den bisherigen Netzen zu großen Problemen beim Ausgleich von Lastspitzen und Angebotsflauten führt – schließlich sind Sonnenschein und Wind höchst unregelmäßige und damit unberechenbare Energieträger -, ist eine modernere Strominfrastruktur schon aus Gründen des Klimaschutzes ein Muss. Ohne die Smart Grids dürfte es für die EU sehr schwer werden, ihre ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Auch die US-Regierung setzt auf das neue Versorgungssystem, das die veralteten und teilweise maroden US-Stromnetze ablösen wird. Sie hat dafür ein Investitionspaket von 3,4 Milliarden Dollar geschnürt. Nach Schätzung der EU-Kommission werden bis 2030 Investitionen von 400 Milliarden Euro für den Aufbau der Smart Grids in Europa notwendig sein. Analysten sehen darin ein ähnliches Potential wie beim Internet in den 90er Jahren. Zudem ähneln die Datenkommunikation und das sich selbst überwachende System der Funktionsweise des Internet. Denn neue Informations- und Kommunikationstechnologien werden die Energieinfrastruktur in eine riesige Kommunikationsplattform transformieren, über die Massen von Daten ausgetauscht und ausgewertet werden. Von der Digitalisierung elektrisiert, investieren führende IT-Konzerne wie Google, IBM, SAP, Microsoft und Cisco bereits kräftig in entsprechende Projekte, um sich für den Milliardenmarkt zu positionieren. Inwieweit sie den etablierten Energieriesen Marktanteile abjagen können, wird eine der spannendsten Fragen der Energiewirtschaft werden. Gleichzeitig verbünden sich die diversen Akteure branchenübergeifend in neuen Allianzen. Auch die Risikokapitalgeber aus dem Silicon Valley haben bereits Morgenluft gewittert und investieren in Start-ups für die intelligente Energiezukunft. Die Bundesregierung schließlich hat mit ihrem Förderprogramm e-Energy zum nationalen Leuchtturmprojekt erklärt und mobilisiert für den Aufbau von sechs Modellregionen bis 2012 140 Millionen Euro. Eine wichtige Rolle spielt dabei ein weiteres Zukunftsthema, nämlich die Einführung von Elektroautos. Batteriebetriebene Elektroautos sind eine der technischen Stützen für das „Internet der Energie“. Wie stark alles miteinander verwoben ist, verdeutlichte Wirtschaftsstaatssekretär Hans-Joachim Otto (FDP): „Die Batterien können als Speicher und Energiereserven für Stromnetze dienen. Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen dabei die Steuerung. Ohne sie können die erneuerbaren Energien nicht stark ausgebaut werden.“ Trotz der diversen Hürden für Elektroautos wie Reichweite, Ladezeit und Kaufpreis rief er zum Optimismus auf: „Lassen wir uns von den Möglichkeiten des anbrechenden Zeitalters der Elektromobilität elektrisieren!“ Das Großprojekt e-Energy skizziert als mögliches Szenario, dass die Elektroautos durch ein Internet-basiertes Anreiz- und Marktsystem Strom dann billiger abnehmen, wenn er außerhalb der Spitzenlastzeiten in großer Menge zur Verfügung steht. Bei kurzfristigem Bedarf wiederum wirken die Batterien als riesiger Stromspeicher und helfen gemeinsam, die Spitzenlast abzudecken. Die Autofahrer könnten damit erstmals und höchst bequem mit ihren Fahrzeugen Geld verdienen. Doch während diese Zukunftsmusik sehr verlockend klingt, stören in der Gegenwart noch manche Misstöne den harmonischen Übergang in die neue Energiewelt. Seit Anfang des Jahres müssen nach dem Energiewirtschaftsgesetz in Neubauten und nach größeren Renovierungen neue intelligente Strommessgeräte, sogenannte Smart Meter, installiert werden. Das Ende des alten schwarzen Ferraris-Zählerkastens wurde damit eingeläutet. Doch die Vorschrift ist schwammig und so stellte sich die Branche die Gretchenfrage, was unter solch einem klugen Zähler genau zu verstehen ist. Zudem sind insbesondere viele Stadtwerke bei dem Thema Smart Grids und Smart Meter zögerlich und müssen von ihren Kunden zum Einbau solcher Zähler und damit zum Vollzug des Gesetzes gedrängt werden. Denn die derzeit möglichen Einsparungen wiegen die Anschaffungs- und Installationskosten für die Versorger noch nicht auf. Ein anderes Hindernis machten eine Zeit lang viele im Wildwuchs an technischen Standards in der Kommunikationstechnik aus. „Alle warten auf die Festsetzung eines einheitlichen Standards durch die Bundesnetzagentur“, sagte zum Beispiel Johannes Alte-Teigeler, Sprecher der Geschäftsführung des Smart Meter-Anbieters EVB Energy Solutions. Doch „die Standardisierungsdiskussion wird von der Energiewirtschaft gerne genutzt zum Bestandsschutz“, hielt Thomas Walter dagegen, Energieexperte beim IT-Dienstleister Atos Origin. Im Juni veröffentlichte nun die Bundesnetzagentur ein Positionspapier, das festlegte, welche Mindestanforderungen die Stromzähler erfüllen müssen, um den tatsächlichen Energieverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerzuspiegeln. „Das Papier verschafft den Unternehmen die gewünschte Rechtssicherheit, welche Zählerkosten die Bundesnetzagentur als Teil der Netzentgelte anerkennt. Wir erwarten daher, dass die Unternehmen den Einsatz moderner Zähler jetzt stärker forcieren", forderte Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur. „Damit wurde ein Rahmen zur Einführung von flexiblen Tarifen geschaffen“, sagte Pressesprecherin Renate Hichert. Ab Januar 2011 sind die Stromlieferanten gesetzlich verpflichtet, ihren Kunden tageszeitabhängige Tarife und monatsgenaue Abrechnungen anzubieten. Solche variablen Tarife bieten momentan nur wenige Versorger auf freiwilliger Basis. Die Netzagentur werde keinen technischen Standard festlegen wie von manchen gewünscht, stellte Hichert klar. „Der Wettbewerb wird das regeln. Vorteile und Kosten der neuen Zähler für die Verbraucher müssen sich die Waage halten.“ Offensiver als die traditionellen Versorger stellen sich viele IT-Unternehmen auf den technischen Wandel ein. Denn wenn noch intelligentere Zähler in Zukunft zeitnah alle 15 Minuten oder sogar in Echtzeit den genauen Verbrauch aufgeschlüsselt nach Haushaltsgeräten abbilden und weitermelden, kann man daraus detaillierte Nutzerprofile gewinnen. Ein höchst privater Einblick in die Lebensweise des Stromkunden wäre damit möglich – einträgliche Vermarktungschancen für Datenhändler und kreative Marketing-Abteilungen. Kein Wunder also, dass die stets findige Datenkrake Google bereits in den Startlöchern steht. Google Energy wurde bereits von der US-Energiebehörde genehmigt und darf Energie als Großhändler anbieten. Die Nutzerprofile könnten sogar noch lukrativer werden, wenn, wie von vielen anvisiert, auch die Verbrauchsdaten von Gas, Wasser und Wärme von intelligenten Messgeräten erhoben und übertragen werden. Und so warnt das renommierte Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein in einem Gutachten vorsorglich vor der Verletzung des Bundesdatenschutzgesetzes. Allerdings winken viele Versorger ab und betonen, dass sie wegen des teuren Speicherns und Verwaltens der Datenmengen kein Interesse an der Überflutung mit Verbrauchsinformationen ihrer Kunden haben. Darüber hinaus wird das bei IT-Systemen stets virulente Risiko von Angriffen zum Ausspionieren oder Manipulieren der Daten eine ständige technische Herausforderung sein. Ein weiteres Gefahrenszenario ist die Möglichkeit für die Versorger, die intelligenten Haushaltsgeräte im „Smart Home“ säumiger Kunden herunterzuregeln oder gar abzuschalten. In anderen EU-Ländern ist man schon weiter bei der Einführung moderner Zähler als hierzulande. Schweden hat bereits komplett auf die „Smart Meter“ umgestellt, wobei die Geräte eine Minimalvariante der technisch möglichen Intelligenz darstellen. Auch Italien hat bereits Millionen von Verbrauchern mit den neuen Zählern versorgt. Ebenso hat Malta die Weichen für den Austausch der alten Zähler gestellt. In Österreich schließlich hat der Versorger Linz AG bereits 50.000 elektronische Zähler installiert. Nach einer EU-Richtlinie müssen bis 2020 80 Prozent der Haushalte mit Smart Metern ausgerüstet werden.

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