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Wohlstand - Paradies Europa

Europa hat sich mit viel Können aus der Krise herausgearbeitet. Die Kaufkraft der Europäer ist in den vergangenen 25 Jahren fast kontinuierlich gewachsen – und das lässt sich fortsetzen

Autoreninfo

Alain Minc ist ein französischer Bestsellerautor, Politikberater und Wirtschaftswissenschaftler. 2013 erschien sein letztes Buch "Vive L'Allemagne".

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Obwohl Europäer sich dessen nicht bewusst sind, leben sie in einem Fleckchen Paradies und hätten viele Gründe, stolz zu sein.

In der Eurokrise haben die Regierungschefs und die Europäische Zentralbank ihre Arbeit getan. Sie haben die notwendigen Maßnahmen ergriffen, selbst wenn dies für einige Länder mit schmerzhaften Reformen einherging. Lassen wir den Sonderfall Griechenland beiseite; dort müssten vor allem Steuern effizienter erhoben werden. Die Kaufkraft der Spanier und Portugiesen ist zwar gesunken. Doch gemessen an den Vorteilen, die diese Länder vom Beitritt zur Währungsunion haben, ist es ein wenig wie in der Bibel: Nach den sieben fetten Jahren des Überflusses kommen die mageren. Insgesamt hat sich Europa mit viel Können aus einer Krise herausgearbeitet, die aus den Vereinigten Staaten importiert worden war.

Wer hätte sich einst vorstellen können, dass Deutschland einen Mechanismus zur finanziellen Hilfe für EU-Mitgliedstaaten akzeptieren würde? 2008 hatte es in Amerika sechs Monate gedauert, bis ein Rettungsplan für die Banken bereitlag; 2011 stand der Staat am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Die Mitgliedstaaten der Eurozone hingegen konnten Griechenland ihre Hilfe schnell zusichern. Europa kommt im Krebsgang voran, aber die Blockaden in Brüssel sind längst nicht so gravierend wie in Washington. Barack Obama skandiert „Yes we can“, aber er handelt nicht. Europa hat zwar kein Gesicht, aber es packt an.

Das BIP pro Kopf in Europa sagt mehr über Wohlstand aus als schwaches Wachstum
 

Denjenigen, die das schwache Wachstum als Argument vorbringen, sage ich: Die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf ist relevanter. Die Kluft zwischen Europa und den USA fällt dabei viel kleiner aus. Mittel- und langfristig ist es uns gelungen, das Gleichgewicht zwischen Protektion und Wettbewerb zu wahren, das den Kern des europäischen Modells bildet. Um die deutsche Wirtschaft wieder anzukurbeln, hatte Gerhard Schröder den Sozialstaat zwar angetastet, ihn aber nicht grundsätzlich infrage gestellt. Auch in anderen Ländern können wir die soziale Marktwirtschaft rationaler gestalten, Verzerrungen korrigieren, ohne sie radikal umzukrempeln.

Innerhalb der westlichen Welt ist die europäische Gesellschaft recht egalitär. Der Anteil des 1 Prozents der Reichsten am Nationaleinkommen betrug vor 30 Jahren in den USA 8 Prozent. In Europa war es ähnlich. Heute repräsentiert dasselbe 1 Prozent ein Viertel des amerikanischen Nationaleinkommens, in Europa sind wir bei 8 bis 9 Prozent geblieben. Wenn wir ein gewisses Maß an Gleichheit für einen Grundwert halten, dann ziehe ich das europäische System bei weitem dem amerikanischen vor. Die Kaufkraft der Europäer ist außerdem in 25 Jahren fast kontinuierlich gewachsen. Auch die These, die Konkurrenz der Schwellenländer stelle ein Problem dar, ist ein Hirngespinst. Im Gegenteil. Diese Länder sind hervorragende Kunden, und der Export ist ein Beschäftigungsmotor.

Was wiederhergestellt werden muss, ist kein gutgläubiger Optimismus, sondern Vertrauen. Politiker neigen dazu, aus Europa einen Sündenbock für alles zu machen. Man muss damit rechnen, dass Populisten an Bedeutung gewinnen. Aber wir leben nicht im Jahr 1933! Europa hat alle Möglichkeiten, den Weg zu mehr Konjunktur und Stabilität zu finden.

 

 

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