Südafrikas Präsident Jacob Zuma vom ANC
Der ANC mit Präsident Jacob Zuma / picture alliance

Weiße Minderheit - „Südafrika könnte es heute besser gehen“

André Fourie war früher Minister der letzten Apartheid-Regierung in Südafrika. Nach der Machtübernahme der schwarzen Mehrheit kritisiert er im Interview Missmanagement und Korruption durch die regierende ANC-Bewegung von Präsident Jacob Zuma

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Martin Jehle ist Jurist und arbeitet im Gesundheitswesen.

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Herr Fourie, Sie gehören der Partei „Freedom Front Plus“ an, eine der vielen oppositionellen Parteien in der zersplitterten politischen Landschaft Südafrikas. Wo stehen Sie politisch?
Freedom Front Plus wurde ursprünglich gegründet, um für die Sache der Minderheit der Buren zu kämpfen. Mittlerweile haben wir die internationale Terminologie übernommen, um unseren Anliegen auf Grundlage der UN-Deklaration über Minderheitenrechte von 1992 zum Ausdruck zu bringen. Es gibt aber sehr viele britischstämmige Südafrikaner, die sich – in Abgrenzung zu sozialistischen oder liberalen Ansichten – uns verbunden fühlen. In letzter Zeit ist man auch aus der farbigen Gemeinschaft, die sowohl schwarze als auch europäischstämmige Vorfahren haben, auf uns zugekommen auf der Suche nach Schutz. Als Minderheiten befinden wir uns alle im selben Boot. Schwarze Südafrikaner werden in den Bereichen Studienplatz- und Arbeitsplatzvergabe bevorzugt. Um dieser Diskriminierung sind insbesondere viele weiße junge Leute, circa ein Fünftel, seit 1994 nach Großbritannien, Kanada und die USA ausgewandert.

Worin besteht ihre Kritik an der Anti-Apartheid-Bewegung African National Congress (ANC), die derzeit die Regierung stellt?
Der ANC bevorzugt schwarze Südafrikaner gegenüber weißen und farbigen Gemeinschaften. Zum Beispiel: Bei der Vergabe von Arbeits- und Studienplätzen herrscht folgende Reihenfolge: 1. Schwarze, 2. Farbige. 3. Inder, 4. Weiße. Für einen Zeitraum von zehn oder 20 Jahren könnte man diese Politik akzeptieren, aber es gibt dafür keine gesetzliche Auslaufklausel. 

Wenn man als legitimes Ziel zugrunde legt, dass der historisch gewachsene Rückstand der schwarzen Bevölkerungsgruppe durch Maßnahmen dieser Art aufgehoben und so zum Entstehen einer schwarzen Mittelschicht beigetragen wird, dann könnte man ja fragen, ob dieses Ziel nicht erreicht ist?
Ich denke, nein. Das Problem in Südafrika ist das ungenügende Bildungssystem. Rund 50 Prozent der schwarzen Schüler verlassen die Schule ohne Abschluss. Es gibt einen Mangel an Disziplin in der Schule, insbesondere bei schwarzen Schülern. Gleichzeitig gibt es eine sehr fordernde Einstellung der schwarzen Schüler gegenüber der Gesellschaft, die nicht mit entsprechenden Leistungen und Kompetenz korrespondiert.

Durch die Machtübertragung an die schwarze Mehrheit war ein gewisses Absinken des Niveaus in der Staatsverwaltung sicherlich normal, denn die Leute, die nun an die Schaltstellen kamen, verfügten über andere Erfahrungen, jedenfalls aber nicht in der Staatsverwaltung. Nach einigen Jahren sollte sich das aber normalisieren und das Niveau sich erhöhen.
Dafür gibt es keine Anzeichen. Im Gegenteil: Südafrika ist von massivem Missmanagement und Korruption geplagt. Stellen im Staatsdienst werden meist an unerfahrene ANC-Kader vergeben, die dadurch einfach einen Job erhalten.

Wie beurteilen Sie die Rolle von Nelson Mandela als erstem Präsidenten des „neuen“ Südafrika?
Mandela war sehr respektiert, aber nur das öffentliche Aushängeschild Südafrikas. Sein Image übertrug sich zum Anfang auch auf den ANC. Doch die tatsächliche Regierungstätigkeit war von Anfang an mehr in den Händen von Thabo Mbeki, der im Jahr 1999 offiziell Nachfolger von Mandela wurde.    

25 Jahre zurückgedacht: Mit dem Ende des Kalten Krieges kam auch das Apartheid-System zu einem natürlichen historischen Ende, weil nicht mehr die Gefahr bestand, dass Südafrika im Zuge eines Wandels in den Block der kommunistischen Staaten und damit unter den Einfluss der Sowjetunion fällt. Wenn man in größeren historischen Zeitläufen denkt, war der Zeitpunkt für den gesellschaftlichen Wandel doch passend. Sind Sie generell damit einverstanden, dass es einen Systemwechsel gab und kritisieren nur die Umsetzung?
Niemand in Südafrika wollte den Status Quo bewahren. Alle politischen Parteien hatten erkannt, dass es Veränderungen geben muss. Der Grundsatz, dass es eine Verhandlungslösung geben musste, wurde von allen akzeptiert. Ich erinnere mich daran, dass es im September 1989, als Frederic de Klerk Präsident wurde und ich seinem Kabinett angehörte, ein Treffen vom Kabinett, den stellvertretenden Ministern und den Provinzverwaltern gab, an dem ich teilnahm. Es war für das ganze Wochenende angesetzt, so dass alle Themen auf den Tisch kamen: die Sanktionen, die internationale Isolation und so weiter. Wir erkannten, dass wir uns ändern müssen.

Was geschah dann?
Auf diesem Treffen trafen wir die Entscheidung, in Verhandlungen einzutreten. Wir trafen die Entscheidung, Mandela freizulassen – ohne daran Bedingungen zu knüpfen – und alle im Exil befindlichen Südafrikaner zur Rückkehr einzuladen. Die regierende Nationale Partei wollte damals eine Machtteilung verhandeln, wobei die Minderheiten eine Beteiligung an der Regierung erhalten würden. Zum Beispiel nach dem Modell des Kantonsystems der Schweiz oder durch ein föderales System, das den verschiedenen Gemeinschaften Mitsprache gewährt hätte.

Zu so einem politischen System ist es aber nicht gekommen. Heute ist Südafrika ein Zentralstaat.
Mitten in diesem Prozess, 1992, begannen die Vorgängerpartei der Freedom Front Plus und auch die oppositionelle Konservative Partei, eine Nachwahl nach der anderen zu gewinnen. De Klerk forderte in einer Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein Mandat für die weiteren Verhandlungen und brachte die Idee eines Referendum innerhalb der weißen Bevölkerung zur Frage der politischen Umgestaltung Südafrikas ein. Wir machten Werbung für eine Machtteilung. Um es in de Klerks eigenen Worten zu sagen: „Sowohl eine politische Trennung wie bisher, als auch eine schwarze Mehrheitsdominanz sind nicht akzeptabel, denn nur eine Machtteilung gewährleistet den Schutz der Rechte der Minderheiten.“ Wir dachten, dass wir für solch eine Lösung ein Rezept finden würde. Aber dann, praktisch über Nacht, wurde dieser Grundsatz von de Klerk und seinem Verhandlungsteam aufgegeben, was zu dem Ansatz von „one man, one vote“ führte – einer schwarzen Mehrheitsdominanz! Ich sagte zu de Klerk: „Das ist der größte Fehler deines Lebens!“ Er erwiderte: „Nein, ich werde die checks and balances verhandeln, um den Schutz der Minderheiten zu gewährleisten.“ Schauen Sie heute mal in unsere Verfassung, was davon verwirklicht wurde. 

André Fourie
André Fourie

Wäre es denn auch angesichts des internationalen Drucks möglich gewesen, den Wandel anders zu gestalten?
Daran habe ich keinen Zweifel. An einem bestimmten Punkt sagte de Klerk: Wenn wir keinen Konsens finden, kehren sie [der ANC] wieder zum bewaffneten Kampf zurück. Mein Argument und das anderer Leute war: Lass sie! Wenn sie in laufenden Verhandlungen wieder zurück zum Terrorismus gehen, werden sie die internationale Unterstützung verlieren. Ich glaube wirklich, dass es möglich gewesen wäre, ein besseres und international akzeptiertes Modell zum Schutz der Minderheiten zu verhandeln. Südafrika ginge es heute zum Vorteil aller besser.

Ein anderer Aspekt: Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Auflösung der Sowjetunion war auch der größte Unterstützer des ANC weggefallen. Hatte das Auswirkungen auf die Verhandlungen?
Natürlich, da öffnete sich ein Fenster, um besser zu verhandeln. Der ANC war im Kalten Krieg durch die Sowjetunion manipuliert, mit dem Ziel, Südafrika zu einem Satelliten-Staat wie etwa die DDR zu machen. Damit war es nun vorbei. Der ANC erfuhr starke Unterstützung von China. Das Ende des Kalten Krieges und die wegfallende Unterstützung bot die Gelegenheit, ein besseres Verhandlungsergebnis zu erzielen – aber wir haben sie nicht genutzt!

Fourie, 1944 in Pretoria geboren, war unter der Präsidentschaft von Frederic de Klerk von 1989 bis 1994 Mitglied der südafrikanischen Regierung, zunächst als stellvertretender Minister für Planung, Regionale Entwicklung, Kommunalverwaltung und Wohnen und später als Minister für Regional- und Landangelegenheiten. 1970 wurde in das südafrikanische Parlament gewählt. Nach seinem Rückzug aus dem Parlament wirkte er als Stadtrat in der Kommunalpolitik Kapstadts mit, wo Fourie auch lebt.

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