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Großbritannien - Die „Panama Papers“ helfen den EU-Kritikern

Der britische Premier Cameron steht massiv unter Druck. Der Steuer-Skandal um die Panama Papers gefährdet sein großes Projekt: sein Land in der EU zu halten

Tessa Szyszkowitz

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Tessa Szyszkowitz ist Londoner Korrespondentin des österreichischen Wochenmagazins Profil. Im September 2018 erschien „Echte Engländer – Britannien und der Brexit“. Foto: Alex Schlacher

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„Soll er vielleicht auch noch Kontoauszüge seines Bankkontos herzeigen, das er als 18-Jähriger hatte?“ wurde zu Wochenbeginn aus der 10 Downing Street verlautet. Im Büro des britischen Regierungschefs liegen die Nerven blank. Seit einer Woche schlagen die Wellen um die sogenannten „Panama-Papers“ hoch. In denen nach Informationen des „Guardian“ David Camerons Vater Ian auftaucht. Auch wenn der britische Premier zwar nicht in den Fluten dieses Skandals untergehen dürfte, kommt dennoch die Diskussion um die Steuerprivilegien der Reichen und Mächtigen zur gänzlich falschen Zeit.

Niemand wirft dem Chef der Tory-Party vor, dass er illegal gehandelt hat. Hatte nicht sein Vater Ian Geld in die Offshore-Firma Blairmore investiert? Das ist nicht die Schuld des Sohnes. Als dieser 2010 Regierungschef wurde, verkaufte er die eigenen Anteile, obwohl es nicht gegen geltendes Recht verstoßen hätte, sie zu besitzen:  „Ich wollte Interessenskonflikte vermeiden“, rief er Montagnachmittag bei einer Debatte mit den Abgeordneten im House of Commons. Seine Mutter überwies ihm zwei Mal 100.000 – als Erbvorschuss? Auch eine gängige Methode, sich legal die Erbschaftssteuer zu sparen. Dazu Cameron: „Viele Eltern wollen ihren Kindern helfen, ein Haus zu kaufen. Das ist ganz normal und wir sollten das unterstützen.“

Skandal um „Pam-Cam“


Dennoch hängt den stückweise enthüllten Steuerwahrheiten des konservativen Premierministers ein Hauch von moralischer Zweifelhaftigkeit an: Vor einer Woche meinte Cameron noch, Steuern seien Privatsache. „Jetzt hat er erfahren, was die Taktik ‚Furcht und Schrecken‘ bewirken kann“, meint Kamal Ahmad, Wirtschaftsexperte der BBC. Keiner wird in Zukunft mehr seine oder ihre Steuererklärungen verheimlichen können.

Darum aber geht es inzwischen gar nicht mehr. An dem glatten und durchsetzungsfähigen 49-jährigen Regierungschef sind bisher noch alle Skandale abgeperlt. „Pam-Cam“ wird da keine Ausnahme, sein Rücktritt ist nicht zu erwarten. Er hat ja ohnehin angekündigt, 2018 nicht mehr als Premier zur Verfügung zu stehen. Der Tory-Chef gilt nicht als jemand, der an seinem Posten klebt.

Was schwerer wiegt – David Cameron kämpft gerade eine der wichtigsten Schlachten seiner politischen Karriere: Das EU-Referendum Großbritanniens findet am 23. Juni statt. Cameron will, dass sein Land in der EU bleibt. Zehn Wochen vorher beginnt die offizielle Kampagne. Also jetzt.

Am Montag wurde zum Auftakt jedem Haushalt eine Broschüre zugeschickt: „Warum die britische Regierung glaubt, dass es für das Vereinigte Königreich besser ist, wenn es in der Europäischen Union bleibt“. Abgesehen von dem etwas sperrigen Titel ist derzeit die Frage, ob sich die Briten etwas von einem Premierminister sagen lassen wollen, der in Steuerfragen unter Druck geraten ist.

David Cameron verhinderte weitreichende Transparenzrichtlinien


Die „Financial Times“ hat einen Brief veröffentlicht, den der britische Regierungschef 2013 an den damaligen EU-Ratspräsidenten Herman von Rompuy geschrieben hatte. Darin stand „Es ist eindeutig wichtig anzuerkennen, dass Firmen und Stiftungen gravierende Unterschiede aufweisen“. Die Versuche der EU, der Geldwäsche korrupter Funktionäre und der Steuerflucht betuchter Bürger weitreichende Transparenzrichtlinien entgegenzusetzen, scheiterte also unter anderem am Widerstand von David Cameron. Der intervenierte in Brüssel, um Steuerflüchtlingen Schlupflöcher zu erhalten.

In Großbritannien herrscht bei vielen das Vorurteil, die EU sei ein Elite-Club. Das ist im übrigen Europa nicht anders, im Vereinigten Königreich kann es aber im Moment die explosivsten Auswirkungen haben. Jeder Beweis, dass Cameron „die da oben“ schützt, kann für das britische EU-Referendum am 23. Juni entscheidend sein. Umfragen zeigen ein in der Mitte gespaltenes Land. Immer noch sind viele unschlüssig. Camerons angestammte Klientel muss er nicht für einen Verbleib in der EU begeistern – sie sind für das Big Business, reisefreudige Wohlhabende und großteils ohnehin dafür.

Die Lacher gegen sich


Das Problem sind vielmehr die Frustrierten, sie fühlen sich von Cameron verraten. Und die sitzen auch in seinen Reihen. Ein Drittel der Tory-Abgeordneten und fünf seiner Minister sind für einen „Brexit“ - für den Austritt aus der EU. Außerhalb der politischen Kaste Westministers ist es noch schlimmer. Die Freizügigkeit der EU, fürchten viele, bedroht ihre Jobs; zudem ist jetzt bekannt, dass Cameron Offshore-Stiftungen und ihre windige Klientel schützt. Das kommt beim kleinen Mann, der weit entfernt vom Pomp und Glitzer Londons in kleinen Küstenstädten sitzt und um seinen Job und sein Haus fürchtet, ganz schlecht an. Die Spin-Doktoren in der 10 Downing Street schlafen in diesen Tagen schlecht: Sollte Grpßbritannien sich am 23. Juni aus der EU verabschieden, stehen ihre Jobs auf dem Spiel.

Selbst Labour-Chef Jeremy Corbyn fällt in diesen heiklen Stunden aus seiner Rolle: Von David Cameron und dem Rest der politischen Elite – auch in der eigenen Partei – wird er gemeinhin als unwählbarer Opa abgetan. An diesem regnerischen April-Montag aber lief Corbyn zu Hochform auf und wirkte wie ein veritabler Oppositionschef und rief voller Empörung: „Ist der Premierminister inzwischen vielleicht der Ansicht, dass Transparenz doch auf Offshore-Stiftungen ausgedehnt werden sollte?“

Als David Cameron den Journalisten gratulieren wollte, die den Leak der Panama-Papers aufgearbeitet haben, brach das Haus in brüllendes Gelächter aus. Das ist Cameron bisher noch nie passiert. Normalerweise hat er die Lacher auf seiner Seite.

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