Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
(picture alliance) Strategiewechsel: die USA konzentriert militärische Truppen in der Asien-Pazifik-Region

USA - Das Ende eines Imperiums

Die USA vollziehen einen radikalen Strategiewechsel und verlagern ihren außenpolitischen Schwerpunkt in die Asien-Pazifik-Region. Das könnte ein folgenschwerer Fehler sein

Jene, die wie der frühere Chefinspektor der Internationalen Atomenergiebehörde, Hans Blix, hofften, die USA würden sich wie vor ihnen Frankreich und Großbritannien an den Gedanken gewöhnen, ein Empire zu verlieren, dürften von der Obama-Regierung schwer enttäuscht sein. Washington hat nämlich keineswegs seine imperiale Macht beschränkt, sondern sie einfach ostwärts verlagert. Die US-Landstreitkräfte in Afghanistan und im Irak werden zwar verringert oder abgezogen. Stattdessen aber demonstrieren die USA mit ihrer 5. Flotte eine eindrucksvolle Präsenz im Persischen Golf. Und was noch wichtiger ist: Amerika will eine neue und selbstbewusstere Rolle in der Asien-Pazifik-Region spielen.

Allein wie Washington diese neue Rolle formuliert, ist schon bemerkenswert: Abwechselnd spricht man davon, sein militärisches Gewicht zu „verlagern, zu schwenken, neu auszubalancieren“. Das sind sorgfältig gewählte Worte, die keinerlei Bedrohung ausdrücken. Lässt man diese Euphemismen beiseite, dann heißt das nichts anderes als: Die USA nehmen eine Bedrohungsposition gegenüber China ein. Pekings immer deutlicher formulierter Unmut darüber ist absolut nachvollziehbar.

[gallery:10 Jahre Afghanistan: Bilder eines Krieges]

US-Verteidigungsminister Leon Panetta wird deutlicher, wenn er erklärt, dass die USA in dieser Frage in langfristigen Zügen denken. Bis 2020 sollen die „aufgestockten Kapazitäten“ sechs Flugzeugträger mit entsprechenden Kampfgruppen in der Asien-Pazifik-Region umfassen. Auch für Bodentruppen gibt es bereits Pläne: Australien hat sich im vergangenen Jahr dazu verpflichtet, 2500 Marine- Kampfsoldaten in einem ihrer nördlichen Häfen zu stationieren.

Die Schaffung eines virtuellen Empires ist damit noch längst nicht abgeschlossen. Die Philippinen, wo die USA die Bekämpfung islamistischer Terroristen unterstützt haben, werden den Vereinigten Staaten höchstwahrscheinlich erlauben, zwei Stützpunkte – die größten außerhalb der USA – zu reaktivieren. Sie waren 1992 von Manila geschlossen worden, weil sie als Überbleibsel des Kolonialismus galten.

Würden sie tatsächlich wieder eröffnet, hätte dies eine ganz besondere Bedeutung: Schließlich befinden sich die Philippinen in einer Auseinandersetzung mit China über einige in der Südchinesischen See verstreute Inseln. In diesen Gewässern gibt es nicht nur reiche Fischbestände, es werden dort auch Öl und andere Rohstoffe vermutet. Das Weiße Haus erklärt seine Unterstützung für Manila, um „ein Minimum an glaubhafter Verteidigungsfähigkeit“ durch „bilaterale Manöver und Ausbildungsprogramme“ herzustellen.

Selbst der alte Feind Vietnam wird in die amerikanische Strategie einbezogen. Vietnams Häfen, so Panetta, wären für die USA „von großem Nutzen, da wir unsere Schiffe von Häfen an der amerikanischen Westküste in die asiatische Pazifik-Region verlagern“. Auch Hanoi befindet sich in einem Konflikt mit China über Inseln im Südchinesischen Meer.

Dennoch erklärt das Weiße Haus, diese Maßnahmen seien nicht gegen China gerichtet. Nur gegen wen denn dann? Die ungemein kriegerischen Neuseeländer?

Man stelle sich den Aufruhr in den USA vor, würden die Chinesen Militärstützpunkte nach Lateinamerika verlagern und dort umfassende militärische Übungsprogramme durchführen. Man würde Taten fordern und an die Kubakrise erinnern, die um ein Haar einen Atomkrieg ausgelöst hätte. Hauptgrund für jene Auseinandersetzung im Oktober 1962 war der Versuch der Sowjetunion, den Amerikanern klarzumachen, wie es sich anfühlt, wenn Raketen direkt vor der eigenen Haustür stationiert werden. Beide Seiten fanden damals einen Ausweg, der es ihnen erlaubte, das Gesicht zu wahren. In einem geheimen Einverständnis zwischen den beiden Supermächten wurden die amerikanischen Raketenbasen in der Türkei geräumt.

Wenn schierer Stolz zu einer solchen Krise führen konnte, wie können wir dann sicher sein, dass es nicht zu einem ähnlichen Szenario mit China kommt? Kleinere Konflikte gäbe es genug im Südchinesischen Meer. Ist einer gelöst, bricht schon der nächste aus. Keiner dieser Konfliktpunkte ist für sich allein genommen besonders bedeutend. Aber die Tatsache, dass die USA sich für ihre Klientenstaaten in dieser Region starkmachen wollen, weckt unangenehme Erinnerungen: etwa an den Balkan vor dem Ersten Weltkrieg.

Damit es aber nicht so weit kommt, sollte Amerika sich an Hans Blix’ Worte erinnern und die richtigen Schlüsse aus dem Untergang früherer Empire ziehen.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.