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Nach Mallorca-„Wetten, dass...“ - Was nun, Herr Mainzelmann?

Die Kritik an „Wetten, dass ...“ offenbart ein neues Selbstverständnis der Gebührenzahler

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Wäre „Wetten, dass ...?“ ein Politiker, er hätte sich nach der Mallorca-Ausgabe einem Misstrauensvotum stellen müssen. Es hätte einen ARD-Brennpunkt gegeben: „Was nun, Herr Mainzelmann?“ Und möglicherweise hätte der Verhörte noch auf Rückweg in die Garderobe seinen Rücktritt getwittert.

Schließlich ist am Samstag etwas passiert, womit keiner gerechnet hat, am allerwenigsten wohl das ZDF. Nein, die Rede ist nicht von der Quote, die auf einen historischen Tiefstand gerutscht ist. Nur noch 6,94 Millionen Menschen wollten sehen, wie Markus Lanz in der Stierkampfarena zu retten versuchte, was von dieser Show noch zu retten war.

Die Katastrophe hatte sich schon vor der Ausstrahlung der 206. Ausgabe von „Wetten, dass ...?“ angebahnt. Auf der Facebook-Seite der Sendung drohten Fans  den Mainzelmännern mit dem Schlimmsten, womit man Fernsehmachern drohen kann - nämlich mit Boykott.

[video:Gernot Hassknecht über „Wetten, dass..?“]

Nur vordergründig war daran die Gästeliste schuld. Die Ankündigung, dass nach den Absagen von Hollywood-Prominenten die Lieblinge des Trash-TVs das Sofa okkupieren sollten. „Die Geissens“ etwa, jene  Millionärsdarsteller einer  Dokusoap bei RTL II oder  Jürgen Drews und seine  Freunde, die Ballermann-Barden.

Der Zorn auf das ZDF und sein Immer-Noch-Aushängeschild  schwelte schon länger. Anfangs fokussierte sich die Kritik noch auf den neuen Moderator: Markus Lanz. Verhöre auf dem Sofa statt Small Talk. Besserwisserei statt Easy-Going. Lanz passte nicht zu dem Format, das wurde mit jeder Sendung deutlicher. Erst stieß er die Celebrities vor den Kopf und dann auch die Zuschauer.

Pech für das ZDF, dass das Desaster der Post-Gottschalk-Ära mit der Reform der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zusammenfiel.

 

Seit die Haushaltsabgabe die Gebühr für Radio - und Fernsehgeräte abgelöst hat und jeder Bürger zahlen muss, egal, ob er die Angebote nutzt oder nicht, ist etwas passiert: Die Zuschauer beginnen, sich zu emanzipieren. Aus GEZ-Zahlern sind Konsumenten geworden, die noch kritischer als bisher hinschauen, was ihnen ARD und ZDF anbieten/zumuten.

So wurde „Wetten, dass ...“, dieser leck geschlagene Tanker aus dem Neolithikum der Fernsehunterhaltung, zur Zielscheibe für den Volkszorn, zur Nagelprobe für das gebührenfinanzierte Fernsehen. Der Sender hatte den Abschied von Gottschalk genutzt, um die Sendung zu liften. Er hat sich einer Generation angebiedert, die mit dem Privatfernsehen sozialisiert wurde.

[gallery:Es war einmal bei „Wetten, dass...?“: Gottschalk und seine Politiker]

Er hat damit viele von denen vor den Kopf gestoßen, die einer Zeit hinterhertrauern,  als man am elektronischen Herdfeuer tatsächlich noch so etwas wie Wärme fand. Sie fragen sich jetzt, warum  sie  für etwas bezahlen sollen, was sie auf anderen Kanälen umsonst bekommen.  

Und sie fragen sich laut. Die Kritik auf der Facebook-Seite der Sendung liest sich wie das wütende Manifest einer neuen Partei. Wir haben die pointiertesten Forderungen aufgespießt.

Die Sendung muss von nun an von den Gerichten als Verweigerungsgrund für GEZ-Gebühren anerkannt werden!!!

Die Kritik zielt in die richtige Richtung. ARD und ZDF müssen  transparenter machen, wofür sie die Fernsehgebühren ausgeben. Sie werden sich auch fragen müssen, ob die Verbraucher durch die Rundfunkräte angemessen vertreten werden. Man darf das Quoten-Desaster einer einzelnen Show allerdings auch nicht überbewerten. Als Kündigungsgrund reichen geschmackliche Ausrutscher wie Eiswürfel in der Hose eines Hollywood-Schauspielers nicht aus.

Bei Lanz sieht man mal, was Gottschalk wirklich drauf hatte.“ 

Mit der Samstagabendshow  ist es wie mit dem Fußball-Länderspiel. Jeder zweite Zuschauer glaubt, er wäre der bessere Moderator/Nationaltrainer. Dieser Irrglaube  hatte schon Thomas Gottschalk gegen Ende seiner Amtszeit zermürbt. Was sie an ihm gehabt haben, ist vielen Zuschauern tatsächlich erst nach seinem Abschied bewusst geworden. Die Wurschtigkeit , mit der er das Publikum umgarnte, die kann man nicht lernen.

„Lanz muss weg. Dann geht‘s bergauf.“

Der Moderator ist nur das Aushängeschild einer Show. Ihn alleine für das Quoten-Desaster verantwortlich zu machen, das ist, als würde man den Kapitän eines  Kreuzschiffes dafür haftbar machen, dass der Dampfer infolge jahrelang vernachlässigter Wartungsarbeiten leckschlug und sank.

Richtig ist: Der Erfolg von „Wetten, dass ...?“  war untrennbar mit der Person Gottschalk verbunden. Falsch aber wäre es, den Nachfolger durch einen Nachfolger zu ersetzen.

„Sollte es jemand geschafft haben, die Sendung von Anfang bis Ende gesehen zu haben: Das ist vollendete Körperverletzung.“

Ob der Konsum der Mallorca-Ausgabe von Wetten, dass ... ? die Gesundheit gefährdet, gilt noch nicht als erwiesen. Fest aber steht, dass die Kritik an der Sendung diesmal jedes gesunde Maß verloren hat. Beflügelt vom wütenden Echo der Zuschauer, kippten die Medien kübelweise Häme über dem „Lanz Wurst der Nation“ (Berliner Kurier) aus.

Die Bildzeitung hob das Thema noch am Dienstag auf den Titel. Man sah, wie der Moderator im Anzug auf dem Rücken lag. Dazu titelte das Blatt: „Lanz auf dem Tiefpunkt.“ Wer wollte, konnte die Schlagzeile auch als Kommentar zur Medienjagd auf den Moderator lesen:  „Wetten, dass es nicht mehr peinlicher geht?“

Schon haben sich die Kritiker der Kritiker zu Wort gemeldet. Sie steuerten das einzige originelle Wortspiel zu dieser never ending story „Schlag den Lanz“ bei: „Wetten, dass ...?“- Schluckauf.

„Thomas Bellut - Rücktritt jetzt!“

Auf der Suche nach Verantwortlichen für den Quoten-Absturz ist jetzt zum ersten Mal auch der ZDF-Intendant ins Visier der Zuschauer geraten. Der aber tut das, was er immer tut, wenn es brenzlig wird: Er duckt sich weg.

Unter dem Druck des medialen Trommelfeuers hat sich bislang nur ZDF-Unterhaltungschef Norbert Himmler zu Wort gemeldet: „Da gibt es sicher noch einiges zu verbessern. Wir werden die Sommerpause intensiv nutzen, um mit allen Beteiligten an der Sendung zu arbeiten“, verkündete er am Montag. Wie einer, der schon die Ärmel für einen Relauch hochgekrempelt hat, klang er nicht. Eher wie ein Getriebener.

[gallery:...keine Bücher mehr zu lesen]

„Das ZDF soll nur noch die Wetten zeigen und die Show auf eine Stunde verkürzen.“

Ein Vorschlag, den das ZDF ernst nehmen sollte. Die Wetten waren das Herz der Sendung, bevor Gottschalk seine Buddies aus Malibu auf ZDF-Kosten in die Sendung einfliegen ließ, damit sie ihre Filme promoten konnten. Eine abgespeckte Fassung mit den Wetten als Kern, das wäre vielleicht eine  Lösung. 

„Stampft die Sendung ein - R.I.P.“

Das wäre die einzige Alternative. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

 

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