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Sperre der AfD - Gut gemacht, SWR!

Die AfD wird in den Elefantenrunden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht vertreten sein. Der Südwestrundfunk hat die Rechtspopulisten ausgelagert. Eine kluge Entscheidung

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Es ist ja richtig, dass man Kritik übt am öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Weder dieses Magazin noch diese Kolumne dürften in den Verdacht geraten, sich dabei je zurückgehalten zu haben.

Die Prügel aber, die der Südwestrundfunk für seine Entscheidung zur Wahlkampfberichterstattung in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg nun bezieht, sind völlig überzogen. Sie sind auch falsch: Denn der Sender hat alles richtig gemacht.

Dilemma der Programmverantwortlichen


Er hat am Dienstag angekündigt, die AfD von den beiden wichtigsten Wahlkampftalkrunden auszuschließen. Hintergrund waren Drohungen der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und des baden-württembergischen Landeschefs Winfried Kretschmann (Grüne), die TV-Gespräche zu boykottieren, sollte der SWR die jeweiligen Spitzenkandidaten der „Alternative für Deutschland“ einladen.

In beiden Ländern wird am 13. März gewählt, die 70-minütigen Live-Sendungen sind für den 10. März geplant. Öffentlich-rechtliche Sender müssen den Parteien im Wahlkampf Gehör verschaffen – und auch ihre Werbung ausstrahlen. Das gehört zum Informationsauftrag.

Die Programmverantwortlichen des SWR standen also vor einem Dilemma: Sollten sie auf die politischen Schwergewichte in der „Elefantenrunde“ verzichten? Oder sollten sie die AfD aussperren – und sich dem Vorwurf aussetzen, unliebsame Meinungen auszugrenzen?

SWR entschied mit „zusammengebissenen Zähnen“


Der SWR entschied sich für einen klugen Mittelweg: In der Talk-Runde werden sich nur die Spitzenkandidaten der in den beiden Landtagen vertretenen Parteien begegnen. In Rheinland-Pfalz sind das Dreyer, Julia Klöckner (CDU) und Eveline Lemke (Grüne), in Baden-Württemberg Kretschmann, Guido Wolf (CDU), Nils Schmid (SPD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP).

Die Parteien, die nicht in den beiden Landesparlamenten vertreten sind, aber gute Chancen auf einen Einzug haben, werden in anschließende Einzelinterviews ausgelagert. Das betrifft in Rheinland-Pfalz die AfD, die FDP und die Linke, in Baden-Württemberg die AfD und die Linke. So wird zugleich das Argument pariert, Linke und Grüne seien 2011 auch in der Elefantenrunde gewesen, obwohl sie nicht im Landtag vertreten waren.

SWR-Intendant Peter Boudgoust fällte seine Entscheidung mit „zusammengebissenen Zähnen“; er hielt die Weigerung von Dreyer und Kretschmann, mit der AfD zu reden, für falsch.

Er hätte sagen können, was er wollte: Die Häme war ihm ohnehin gewiss. In den Medien hieß es, der Sender, der zuvor schon einmal die AfD nicht mehr als „rechtspopulistisch“ bezeichnen wollte, habe dem „Druck der etablierten Parteien“ nachgegeben, habe sich dem drohenden Boykott „gefügt“, sei „eingeknickt“.

„Wie in Putins Russland“


Am giftigsten waren die Reaktionen der Ausgeschlossenen. „Bei Anruf Programmänderung gibt es offenbar nicht nur in Putins Russland, sondern auch in Dreyers Rheinland-Pfalz“, erklärte FDP-Landeschef Volker Wissing.

Der baden-württembergische AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen sprach von einem „teilweise geglückten Erpressungsversuch“ und unterstellte dem SWR ein „seltsame[s] Demokratieverständnis“.

Die AfD Rheinland-Pfalz veröffentlichte bei Facebook ein Bildchen des SWR-Logos hinter Stacheldraht. Dazu der Text: „Der SWR ist besser vor der AfD geschützt als deutsche Grenzen vor illegaler Zuwanderung!“ Der Post ist verbunden mit einem Aufruf, Beschwerden an den Sender zu schicken. In den Kommentarspalten, wo Flüchtlinge als „Schmarotzer“ beschimpft werden, bezeichnen AfD-Anhänger den SWR als „Propagandasender“, deren Verantwortliche als „Diktatoren“, die Rundfunkabgabe als „Zwangsgebühren“.

Aber wo ist eigentlich das Problem? Es gibt und gab nie einen Anspruch für Parteien, die nicht in Parlamenten vertreten sind, in einer Elefantenrunde zu sitzen. Die beiden AfD-Spitzenkandidaten bekommen am großen Wahlabend im jeweiligen Regionalfenster zehn Minuten Interviewzeit, und das in einer guten Programmschiene (21:15 bis 21:45 Uhr). Debatte wird hier weder abgewürgt noch verschwiegen. Hinzukommt, dass der SWR – wie alle öffentlich-rechtlichen Anstalten – die AfD in den Nachrichtensendern immer wieder thematisiert.

Die AfD-Leute nerven


Und zwar in solch einer Frequenz, Permanenz und Penetranz, dass man sich das Talkshowgucken fast schon abgewöhnen möchte. Die Moderatoren von ARD und ZDF laden immer wieder AfD-Politiker ein. Sei es der nervtötende Bernd (pardon: Björn) Höcke damals bei „Günther Jauch“; AfD-Chefin Frauke Petry war im Oktober bei „Maybrit Illner“, Niedersachsens AfD-Chef Armin-Paul Hampel im Dezember bei „Anne Will“, und erst am Montag der brandenburgische Fraktionschef Alexander Gauland bei „Frank Plasberg“.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Das Gefühl ist, dass AfD-Vertreter sogar häufiger zu Wort kommen als manche Oppositionspartei im Bundestag – das sollte mal ein Medienforscher nachzählen.

Fakt ist: Die AfD-Leute sind da. Sie nerven. Sie hetzen. Sie fischen sehr weit rechts. Und sie profitieren von der Bühne, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen ihnen gibt.

Auch die Talkshowmacher haben nur Vorteile: Die AfD zieht. Sie bringt Quote. Da scheint es egal zu sein, ob man ihr damit noch mehr Zulauf beschert oder ob man von denjenigen, die man einlädt, zugleich als „Lügenpresse“ beschimpft wird.

Es ist, als litten die Medien am Stockholm-Syndrom, bei dem sich das Opfer in seinen Geiselnehmer verliebt.

Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn man der AfD mal eine klitzekleine Sendepause verordnet.

Update am 20.01.: Diverse Links ergänzt sowie den Namen Armin-Paul Hampel korrigiert.

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