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NSA - Die Empörung über die US-Spionage ist naiv

Bis hin zum Bundespräsidenten empören sich Politiker über die Spionageaktivitäten der Amerikaner in Berlin. Dabei verwundert die Naivität der Deutschen. Empörend ist vielmehr deren romantische Weltsicht. Ein Kommentar

Autoreninfo

Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Spione spionieren. Das ist ihr Job. Geheimdienste kundschaften im Geheimen. Sie stellen keine offiziellen Anträge auf Dateneinsicht, sondern zapfen alle möglichen Quellen an. Vor allem solche abseits des Erlaubten. Dafür muss man keine Agententhriller von John le Carré gelesen haben. Das alles ist hinlänglich bekannt. Nur in Deutschland offenbar nicht mehr. Groß ist das Erschrecken, wenn uns „befreundete Nationen“ aushorchen. Nun haben die bösen Amerikaner sogar einen BND-Mitarbeiter abgeschöpft, der wiederum den ach so geheimen NSA-Untersuchungsausschuss ausspioniert haben soll. Was sich mittlerweile allerdings als hysterischer Alarmismus entpuppt hat. Gleichwohl rufen die Gutgläubigen in Medien und Politik bis hin zum Bundespräsidenten „Skandal“ und sehen sogleich die transatlantische Freundschaft in Scherben.

„Skandal“ rufen die Gutgläubigen in Medien und Politik bis hin zum Bundespräsidenten.

Doch skandalös ist vielmehr die Naivität, mit der in Deutschland die Winkelzüge der Außenpolitk idealisiert werden. Vergessen schein die alte Erkenntnis, dass Staaten keine Freunde, sondern Interessen haben. Alles andere ist eine sehr romantische Weltsicht. Und so viel Romantizismus macht Sorge.

Erwarten wir ernsthaft, dass US-Geheimdienste einen BND-Mitarbeiter abweisen, der ihnen gegen Bezahlung geheime Dokumente anbietet, die für sie von Interesse sein können? Zu fragen ist doch vielmehr: Wie kann es geschehen, dass ein  Angestellter des Bundesnachrichtendienstes mit einem schlichten Datenstick über zweihundert Dokumente nach außen schleusen kann? Aufgeflogen ist der 31-Jährige nur, weil er die internen Papiere auch noch den Russen angeboten hat. Er offerierte diese sogar per Mail - in Zeiten der totalen Datenüberwachung also quasi öffentlich. Das lässt nur den Schluss zu, dass man sich schon sehr tölpelhaft anstellen muss, um vom deutschen Verfassungsschutz ertappt zu werden. Der BND fragt sogar noch brav nach, ob das den sein könne.

Das ist der eigentliche Skandal: Sind unsere Geheimdienste löchrig wie ein Schweizer Käse? Und soll die Empörung über die Amerikaner von den eigenen Mängeln ablenken?

Um die Hintergründe eines „Skandals“ zu ergründen, behilft man sich am besten bei den alten Römern: Qui bono? Wem also nützt es, wenn ein neuer Keil zwischen Deutschland und den USA getrieben wird?

Wem also nützt der Skandal?

 

Warum nehmen wir alles für bare Münze, was ein Edward Snowden an immer neuen Schüben gezielt einzelnen Medien zuspielt? Dabei hätte der frühere NSA-Mitarbeiter doch in Putins Reich, das ihm Asyl gewährt und das unter Putins Führung zunehmenden in eine aggressive Despotie zurückfällt, auch genug zu enthüllen.

Und vor allem:Warum hegen wir mehr Misstrauen gegenüber den Verbündeten, die auch unsere Geheimdienste mit wichtigen Informationen versorgen und damit sogar Terroranschläge verhindern, als etwa gegenüber Moskau oder Peking? Deren Horchposten, die in Deutschland reichlich stationiert sind, lachen sich doch ins Fäustchen. Ihnen kommt die hiesige Aufregung sehr gelegen. Es ist eine willkommene Ablenkung von den eigenen Aktivitäten. Das ist Gold wert.

Aber wir sind eben die Guten. Wir sehen die Russen selbst dann noch als „befreundete Nation“, wenn sie die Ukraine heim ins Sowjetreich holen. Die wackelige Energieversorgung mit Fracking absichern, um mit  Gas und Öl aus den deutschen Tiefen die Abhängigkeit von Russland zu drosseln? Nicht doch! Viel zu gefährlich! Kampfdrohnen anschaffen, um notfalls die eigenen Soldaten besser schützen zu können? Nur im äußersten Notfall und nach langen Parlamentsdebatten! Am besten verbunden mit einer Volksbefragung selbst im Krisenfall.

Weiterhin Rüstungsgüter produzieren? Lieber sollen die Firmen auf zivile Produktion umrüsten, teilt ihnen Wirtschaftsminister Gabriel kühl mit und kündigt noch schärfere Exporthürden an. Bis dahin werden unsere schmutzigen Waffen allenfalls an jene Länder verkauft, die sie bestimmt nicht brauchen. Sollen sich doch andere Länder die Hände schmutzig machen und Konfliktherde befrieden. Wir nicht! Wir wollen Gutes tun - und davon, natürlich, gut leben. Am besten Hilfspakete produzieren -  und damit Exportweltmeister werden.

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