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Nach Blockupy - Linksextreme spielen Revolution, die Politik redet es schön

Kolumne: Grauzone. Die Blockupy-Proteste folgten dem üblichen Ritual: Angriffe auf Polizisten, Kritik seitens der Politik, weiter im Programm. In Deutschland herrscht eine verzerrte Wahrnehmung des Linksextremismus

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Das war mal wieder was: brennende Autoreifen, Polizeiwagen, die in Flammen stehen, abgefackelte Mülltonnen, demolierte Haltestellen – dunkle Rauchschwaden über Frankfurt.

Es war absehbar, es war angekündigt, es ist so gekommen. Und die nächsten Termine, um ein bisschen Revolution zu spielen, stehen auch schon fest: der 1. Mai in Berlin, die G7-Tagung Anfang Juni auf Schloss Elmau.

Dann folgt das übliche Ritual: Minister, Fraktionsführer und Parteifunktionäre werden die Gewalt auf das Schärfste verurteilen. Man wird betonen, dass das Demonstrationsrecht nicht missbraucht werden dürfe, dass man für Steinewerfer kein Verständnis habe und diese nun die ganze Härte des Gesetzes spüren müssten.

Doch ändern wird sich natürlich nichts. Daher werden, wann immer sich ein Vorwand findet, die Straßenbarrikaden weiter brennen, im Hamburger Schanzenviertel oder in Berlin-Kreuzberg. Und wenn es keinen aktuellen Anlass gibt, dann werden eben „Bonzenautos“ angezündet oder Baugerüste abgefackelt.

Unterkomplexe Weltsicht für griffige Slogans
 

Ganz ehrlich: Es reicht! Man kann es einfach nicht mehr ertragen. Diese Hobbyrevolutionäre, ihr aufgeblasenes Getue, ihre peinliche Attitüde, die schwarzen Klamotten und schwarzen Fahnen, dieser ganze infantile Guerilla-Kitsch. Die zynische Gewalt.

Noch schlimmer als die abstoßende Straßenkampfästhetik ist jedoch die Selbstgerechtigkeit, mit der man sich zum Besitzer der einzigen moralischen Wahrheit emporschwingt. Dass die dabei zutage tretende Weltsicht – vorsichtig formuliert – etwas unterkomplex ist, überrascht nicht, vereinfacht aber griffige Slogans, zur Not in wackligem Englisch („People over Banks“).

So widerwärtig die Gewaltinszenierung und die intellektuelle Dürftigkeit der linksextremen Szene sind, so beschämend ist das verbale Gewürge im ideologischen Umfeld.

So gab sich Ulrich Wilken, Anmelder der Blockupy-Demonstration und Abgeordneter der Linkspartei im Hessischen Landtag, zwar entsetzt über die Gewalt, zeigt aber durchaus Verständnis „für die Wut und die Empörung“. Für Katja Kipping, Bundesvorsitzende der Linken, war nicht etwa der Gewaltexzess des schwarzen Blocks „erschreckend“, sondern das Polizeiaufgebot. Und eine Sprecherin der Grünen Jugend, Teil des Blockupy-Bündnisses, befand, „das ist halt die Dynamik einer Demonstration“.

Verzehrte Wahrnehmung des Linksextremismus
 

Doch Demonstrationen arten nicht naturgemäß in Gewaltexzesse aus. Wer zudem, wie Blockupy auf seiner Homepage, einen „Knast-Shuttle“ anbietet, plant offensichtlich Straftaten oder nimmt sie billigend in Kauf.

Noch einmal: Es reicht! Man kann diese Beschwichtigungen nicht mehr hören, dieses Schönreden und Relativieren. Ganz zu schweigen von der unterschwelligen Symphatie, diesem unerträglichen Augenzwinkern – zumal von Leuten, die bei anderen Gelegenheiten nicht schnell genug Lichterketten oder Mahnwachen veranstalten können.

In Deutschland herrscht eine verzerrte und mitunter bizarre Wahrnehmung des Linksextremismus und linksextremistischer Gewalt. Immer noch gelten Linksextremisten vielen hierzulande als die Guten – die in ihren Mitteln vielleicht etwas übertreiben und hin und wieder über die Stränge schlagen, im Grunde aber ehrbare Ziele verfolgen.

Tränendrüsigkeit hinter dem Hypermoralismus
 

Exemplarisch für dieses Milieu erklärte etwa Jakob Augstein in seinem Blog: „Die Gewalt der Protestierenden wird einhellig verurteilt. Aber die Gewalt des Systems ignorieren wir. Was ist mehr wert: Das Leben eines griechischen Rentners? Oder ein deutscher Streifenwagen?“

In diesen geschmacklosen Sätzen kristallisiert sich der Irrsinn des linksintellektuellen Weltbildes: Der Wahn von dem gewalttätigen „System“, die Rechtfertigung von Gewalt gegen Sachen, die Tränendrüsigkeit, hinter der sich ein aggressiver Hypermoralismus verbirgt.

Gerade im Juste Milieu der Akademiker, der Kreativen und Intellektuellen sind linksextremistische Positionen allerdings schon lange salonfähig geworden. Gegen Banken, das Finanzsystem, gegen TTIP und die Globalisierung ist man ja ohnehin.

Tatkräftige Unterstützung vom System
 

Und was macht die Politik?

Damit man erst gar nicht genauer hinschauen muss, war es eine der ersten Amtshandlungen von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, die von ihrer Vorgängerin eingeführte Extremismusklausel wieder zu streichen. Die sollte verhindern, dass Radikale in den Genuss staatlicher Förderung kommen. Aber wieso eigentlich? Staatsgeld für Verfassungsfeinde, warum denn nicht?

Sich ritualisiert über linksextremistische Gewalt aufzuregen, ist wohlfeil. Wer linksextremistische Gewalt nachhaltig bekämpfen möchte, sollte zunächst einmal die Gelder für all die Initiativen, Zentren und Gruppen streichen, die unter dem Mäntelchen des Antifaschismus verfassungsfeindliche Ziele verfolgen und unseren Staat bekämpfen. Denn ein Faschist ist aus deren Sicht jeder, der nicht so denkt wie sie.

Vor allem aber dürfen linksextreme Denkmotive nicht länger als irgendwie comme il faut gelten. Da das aber ein frommer Wunsch ist, werden bald wieder Barrikaden brennen und Pflasterstein fliegen. Und irgendwann wird einmal Schlimmeres passieren. Aber daran wird dann natürlich das „System“ Schuld sein.

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