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Datenschutzskeptiker - „Ich finde die Netzneutralitäts-Debatte albern“

Sandro Gaycken berät die Bundesregierung in IT-Fragen und will die Datenschutzdebatte versachlichen. Im Interview spricht er über Datenkraken, die „Drosselkom“ und chinesische Hacker

Autoreninfo

Julian Graeber hat Sportwissenschaft und Italienisch in Berlin und Perugia studiert.

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Herr Gaycken, Sie haben sich in Ihrem Buch „Jenseits von 1984“ mit der Datenschutzdebatte beschäftigt. Bei George Orwell überwacht Big Brother die Bürger. Heute geben viele Menschen ihre Daten in sozialen Netzwerken wie Facebook freiwillig preis. Sind wir unser eigener Big Brother?
Ja, wobei die Konsequenzen bei uns ganz andere sind. Technisch ist der Überwachungsstaat schon möglich, nur dass wir keine totalitäre Regierung haben. Wir müssen also nicht fürchten, inhaftiert oder erschossen zu werden, wenn wir bei Facebook die falschen Dinge posten. Man bekommt vielleicht gezielte Werbung, ansonsten haben wir in unserem politischen System aber glücklicherweise nichts zu befürchten.

Aber wie sieht es mit der Bedeutung des Datenschutzes in Diktaturen aus?
Dort ist die Situation natürlich dramatisch anders. Bei uns ist das Thema staatliche Überwachung ja ein vergleichsweise kleines Problem und hat eher aufgrund unserer Geschichte eine besondere Bedeutung. Erst in totalitären Staaten ist das Problem wirklich existent. Dort erfüllt die Technologie durch Überwachung und Zensur ihre furchtbarste Funktion. Wenn Menschen wie im Arabischen Frühling oder in China verfolgt werden, ist das fatal. Darauf ist mittlerweile auch die europäische Staatengemeinschaft aufmerksam geworden. Die Exporte von Überwachungstechnologie sollen jetzt  genauer kontrolliert werden. Das wird jedoch nicht die ganz große Wirkung haben, da ein Großteil dieser Technologie aus China oder den USA kommt.

[[{"fid":"53902","view_mode":"teaser","type":"media","attributes":{"height":211,"width":220,"style":"width: 220px; height: 211px; margin: 5px; float: left;","title":"Sandro Gaycken Foto: picture alliance","class":"media-element file-teaser"}}]]In Ihrem Buch wollen Sie die Datenschutzdebatte versachlichen. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Auch wenn die Lage in Deutschland wirklich nicht dramatisch ist, ist die innenpolitische Datenschutzdebatte wichtig. Die informationelle Selbstbestimmung jedes Einzelnen sollte ein ausreichender Grund für den Staat sein, sich hier zu engagieren. Ich stimme aber mit vielen Aktivisten nicht überein, die ein dramatisches Bild von der Situation zeichnen. Hierzulande ist es um den Datenschutz eigentlich ganz gut bestellt und ich habe die persönliche Erfahrung gemacht, dass die Sicherheitsbehörden dieses Thema auch ernst nehmen.

 

Die Ankündigung der Telekom, die Bandbreite ab einem bestimmten Volumen zu drosseln, hat eine große Debatte um die Netzneutralität angestoßen. Was halten Sie davon?
Ich finde diese ganze Netzneutralitäts-Debatte albern. Das ist nur eine Politisierung einer eigentlich wenig politischen Sache. Die Datenautobahnen sind ein kommerzielles Gut und selbst wenn meine Bandbreite gedrosselt wird, hat das keine demokratischen Implikationen. Ich kann mich im Internet oder im Fernsehen immer noch informieren, es dauert einfach ein bisschen länger.

Auch die neue Xbox von Microsoft steht in der Kritik. Der Datenschutzbeauftragte Schaar hat sie als „Überwachungsgerät“ bezeichnet. Ist das übertrieben oder stellt die Konsole tatsächlich eine Gefahr für unsere Privatsphäre dar?
Es ist klar, dass Microsoft durch die Xbox eine Menge Daten sammelt. Wie bei Facebook und Google dient das aber eher Marketingzwecken und zur Produktoptimierung und hat für uns eigentlich keine großen Auswirkungen. Rein technisch könnte das natürlich missbraucht werden.

Doch was passiert, wenn diese Unternehmen gehackt werden?
Das ist ja durchaus schon vorgekommen. Google durch die „Operation Aurora“ und die New York Times wurden schon Opfer von Cyber-Attacken aus China. Das ist natürlich hoch brisant, wenn dabei Daten von Informanten gestohlen werden oder ähnliches. Das kann für die Betroffenen lebensgefährlich werden. Das sind dann allerdings schon sehr gezielte Operationen, gegen die eher eine gute Kombination von Datensicherheit als Datenschutz hilft.

Was kann man gegen solche Angriffe schützen?
Das ist sehr schwierig. Wir sind da trotz diverser Sicherheitsstrategien genauso schlecht geschützt wie alle anderen und das ist kein Geheimnis.

Herr Gaycken, vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Sandro Gaycken, ehemaliger Aktivist im Chaos Computer Club, lehrt Sicherheits- und Technikforschung sowie Informatik an der Freien Universität Berlin und ist Stratege für IT-Außenpolitik im Planungsstab des Auswärtigen Amtes.

Das Interview führte Julian Graeber.

 

 

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