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"Die Partei" - Plötzlich Abgeordneter

Als erster Abgeordneter der Spaßpartei „Die Partei“ hat Bastian Langbehn ein Mandat in einem Parlament gewonnen. Der 30-Jährige sitzt in der Lübecker Bürgerschaft. Porträt von einem, der aus Versehen im Tollhaus landete

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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An dem Michel-aus-Lönneberga-Grinsen kann man ihn noch erkennen. Und daran, dass er sich bei PR-Terminen gerne mit einem Bierkrug bewaffnet.

Bastian Langbehn, 30, redet dann, wie Politiker eben so reden. Eine Phrase folgt auf die andere. Schon nach fünf Minuten hat man vergessen, wonach man ihn gefragt hat, so weit ist er vom Thema abgeschweift.  Man muss aufpassen, dass er einen dabei nicht noch duscht. Denn beim Gestikulieren stemmt er den Bierkrug  in die Luft, so, als wolle er seine Sätze mit einem unausgesprochenen Prösterchen unterstreichen.

Wenn man nicht wüsste, dass dieser Mann gerade mit 831 Stimmen den Einzug in den Stadtrat von Lübeck geschafft hat, würde man ihn für einen Karnevalisten halten. Dabei muss das eine das andere gar nicht ausschließen. Das will, nein muss Bastian Langbehn jetzt beweisen. Er ist Abgeordneter einer Partei, die sich „Die Partei“ nennt.

Schon der Name ist blanke Ironie. „Die Partei“, das ist die Parodie einer Partei. P wie Pappnase. Ein Stammtisch von Satirikern, die sich einen Jux daraus machen, ein bisschen Sand ins Getriebe der Politik  streuen. Für Elitenförderung sind sie, aber auch für basisdemokratische Initiativen. Und die Mauer wollen sie auch wieder zurück.

Spalten statt vereinigen, mit dieser Forderung fing es an. Das war 2004. Inzwischen zählt „Die Partei“ 10 000 Mitglieder und einer von ihnen ist Bastian Langbehn, gelernter Einzelhandelskaufmann und Gelegenheits-DJ. Ein freundlicher Riese. Der Bart wächst, wo er will in seinem weichen Gesicht.

Dort, in seinem Gesicht, konnte man erahnen, was am Abend des 26. Mai geschehen war. Entgegen aller Prognosen und Hoffnungen war aus Jux plötzlich Ernst geworden. 831 Lübecker hatten ihm ihre Stimme gegeben. Das waren nicht viele, reichte jedoch, um ein Mandat für den Stadtrat zu bekommen.* 2008 hatte das Verfassungsgericht die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen für verfassungswidrig erklärt, weil sie kleinere Parteien benachteilige.

Plötzlich Abgeordneter. Langbehn sagt, er könne sich nicht mehr an seine erste Reaktion auf diese Nachricht erinnern. Schadenfreude? Oder eher Schrecken? Es ist nicht einfach, den 30-Jährigen zu verstehen, er versteckt sich hinter einem Panzer aus Ironie. „Wir wollten noch feiern gehen, und plötzlich hatte ich ganz viele Mikros im Gesicht.“ Stocknüchtern, wie er gewesen sei, habe er sich dabei ertappt, wie er in einer Kneipe eine Rede gehalten habe, ein Bierkrug in der Hand.  

Es war ein historischer Moment. Er war der erste Abgeordnete der „Partei“, der ein Mandat erhalten hatte. Politiker-Darsteller gab es viele, doch dieser eine muss jetzt dazu stehen. Irgendwie. Die Realität hat die Satire eingeholt. Es war das dicke Ende eines Wahlkampfes, der so luftig-leicht begonnen hatte, als Komödie. Dass alle Parteien mit F am Anfang verboten werden sollten, hatte Langbehn gefordert. Saubere Schultoiletten, nicht zu vergessen, und ein eigenes Ministerium für Clubkultur.

„Nicht rumeiern, sondern feiern“, lautete sein Credo. Bei 16-jährigen Erstwählern kam so etwas gut an und möglicherweise auch bei denen, die noch gar nicht lesen können. „Keine Kita-Maut!“, forderte Langbehn. Neues Leben wollte er der Stadt einhauchen und Gewissheiten ins Wanken bringen. Sogar das Holstentor war nicht vor ihm sicher, diese Festung der Spätgotik,  das  Wahrzeichen der Stadt. Einer zeitgemäßeren Nutzung wollte er es überführen - als Swingerclub. 

Die Grünen grinsten nachsichtig,  in der SPD und CDU taten einige so, als hätten sie das nicht gehört. Ach, der schon wieder, hörte man sie raunen. Lass den doch reden. Dumm Tüch, dummes Zeug.

Das Lächeln sollte ihnen nach dem 26. Mai jedoch gefrieren. Da spazierte der frischgewählte Kandidat der Partei mit einem Bierglas in der Hand ins Rathaus und erkundete sein versehentlich erobertes Reich, Reporter in seinem Schlepptau. Sie beäugten ihn, wie man jemanden beäugt, der im Verdacht steht, er könne Viren einschleppen aus einer anderen Galaxie. Und Bastian Langbehn spielte das Spiel mit. Augenzwinkernd, das kann er gut.

* In einer früheren Version hatten wir fälschlicherweise behauptet, die Partei hätte mehr Stimmen als die FDP erhalten.

Dabei war die Lage ernst, bierernst. Sowohl Rot-Grün als auch Schwarz-Grün fehlte nur ein einziger Sitz für die Mehrheit. Ein Gau für Lübecks Kommunalpolitiker. Willkommene Werbung für die Satire-Partei. Der Abgeordnete aus Versehen als fleischgewordener PR-Gag.

Noch hat die Spaß-Guerilla die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie doch noch ein Schlupfloch findet, um bei der Bundestagswahl anzutreten. In aller Bescheidenheit hat ihr Gründer und Bundesvorsitzender Martin Sonneborn, ehemaliger Chefredakteur des Satire-Magazins „Titanic“ und vielen besser bekannt als Außenreporter der ZDF-heute-show, schon mal die Richtung vorgegeben: „100 Prozent - plus x.“

Was, wenn ausgerechnet von diesem Abgeordneten die politische Zukunft der Hansestadt abhängen sollte?

Nun, so weit dürfte es nicht kommen. Am Donnerstag hat sich die Bürgerschaft zu ihrer ersten konstituierenden Sitzung getroffen. Und so wie es aussieht, läuft es auf eine rot-grüne Koalition hinaus - mit freundlicher  Unterstützung eines Kandidaten der Initiative „Freie Wähler“. Der ist gegen Lohndumping und Tempo-30-Zonen, für mehr Ganztagsangebote an Schulen. Keine visionären, aber sehr berechenbare Ziele.

Und Bastian Langbehn? Dem ist die Erleichterung darüber anzumerken. Die Bruchlandung auf dem Boden der Tatsachen, das Schicksal aller Politiker, die sich plötzlich auf den harten Bänken der Regierung wiederfinden, bleibt ihm vorerst erspart. Er formuliert es naturgemäß diplomatischer. „Man muss auch ein bisschen auf die Außenwirkung achten. Wenn wir uns bei der CDU oder bei der SPD angewanzt hätten, hätten wir gar nicht so gut  Missstände anprangern können. Dann wäre auch das Interesse ganz schnell weg.“ 

Gerade nochmal die Kurve gekriegt. So aber kann er sich zurücklehnen und wieder das machen kann, was er am liebsten macht: Sand ins Getriebe der Politik zu streuen. Er hat sich mit dem einzigen Piraten im Parlament zusammengeschlossen. „Eine Minderheiten-Regierung“, so nennt er die Zwei-Mann-Fraktion. Doch das ist auch wieder so ein Euphemismus. Zusammen ätzt man weniger allein. 

An Gelegenheiten dazu würde es ihnen nicht mangeln. Theoretisch. Lübeck schiebt einen Berg von Schulden vor sich her. Bis 2019 wird die Stadt 660 Millionen Euro aufgetürmt haben. In ihrer Not hat sie schon den defizitären Flughafen an einen Geschäftsmann verkauft - für den symbolischen Preis von einem Euro.

Doch praktisch ist Bastian Langbehn noch vollauf damit beschäftigt, sich ins Klein-Klein zu verstricken und sich von den Folgen des Pokers um die Mehrheitsfindung zu erholen. Von der Niederlage, die doch eigentlich ein Sieg ist. Für seinen ersten großen Auftritt in der konstituierenden Sitzung der Bürgerschaft hatte er sich extra eine rote Pappnase bestellt. Eine Kampfansage sollte es sein an die SPD. Die Partei, die ihn nicht wollte. Einen Clown, so hatten ihn die Genossen genannt und sich hinter seinem Rücken über ihn beschwert: Die Demokratie sei keine Juxveranstaltung.

Wohl wahr: Reden ließen sie ihn am Donnerstag nicht und die Pappnase, die er bei Amazon bestellt hatte, kam auch nicht rechtzeitig an. Bastian Langbehn hebt sie jetzt auf. Er wird sie noch brauchen.

Hinweis: In einer früheren Version hieß es, Die Partei habe mehr Stimmen bekommen als die FDP. Tatsächlich erhielt die FDP 2029 Stimmen, Die Partei 831. Das sollte natürlich nicht Teil der Satire werden, bevor uns Michael Hoffmann freundlicherweise darauf aufmerksam machte...

 

 

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