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Korruption bei Abgeordneten - Gesetz verzögert und vertagt

Es war ein letztes Aufbäumen im Kampf für mehr Sauberkeit im Bundestag. Die CDU-Politiker Siegfried Kauder und Norbert Lammert konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf gegen die Abgeordnetenbestechung einigen. Damit könnte ein letzter Versuch, Korruption noch in dieser Legislaturperiode unter Strafe zu stellen, scheitern. Sogar in der Opposition wirft man das Handtuch

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Verzögern, aufschieben, vertagen: Wenn Angela Merkels Koalition etwas nicht genehm ist, findet sie immer einen Weg, sich dessen geräuschlos zu entledigen. Etwa beim Thema Abgeordnetenbestechung.

Zehn Jahre nachdem die rot-grüne Bundesregierung die UN-Konvention gegen Korruption unterzeichnet hat, gibt es noch immer kein nationales Gesetz dazu. Damit gehört Deutschland zu Ländern wie Nordkorea, Syrien und Saudi-Arabien. Wenn es nach Schwarz-Gelb geht, wird Bestechung von Mandatsträgern auch noch bis zur Bundestagswahl (halb-)legal bleiben. Man sehe „große Probleme, zu einer verfassungsrechtlich einwandfreien Lösung zu kommen“, hieß es auf Cicero-Online-Anfrage aus der Unionsfraktion.

Dabei gab es zuletzt durchaus noch die Chance auf eine Einigung. Denn einer der bislang schärfsten Gegner einer Transparenzregelung ist umgefallen: Siegfried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Der CDU-Politiker hatte Ende vergangenen Jahres noch vehement gegen ein Gesetz zur Abgeordnetenbestechung  gekämpft – ganz im Sinne der Koalition. „Wir sind nur dem Wähler verpflichtet, nicht den Gerichten“, sagte er damals.

Und dann das: Im März brachte er – gegen Schwarz-Gelb – mit SPD, Grünen und Linken einen eigenen Entwurf zur Abgeordnetenbestechung ein. Der Spiegel ätzte, da wandele sich jemand „vom Saulus zum Paulus“ und mutmaßte, Kauder wolle in den letzten Sitzungswochen „noch schnell Geschichte schreiben“. Für den nächsten Bundestag ist er nicht mehr nominiert. Trotzdem ist Kauder eine Schlüsselfigur: Wenn er, der frühere Hardliner, es nicht schafft, seine Seite zu überzeugen, wird es niemandem mehr gelingen.

Kauder hat mächtige Gegner in der Koalition. Etwa seinen eigenen Bruder: Der Unionsfraktionsvorsitzende Volker Kauder habe Siegfried zurückgepfiffen, berichtete jüngst der Tagesspiegel. Auch FDP-Parlamentsgeschäftsführer Jörg van Essen gehört zu den Gegnern.

Die CDU-CSU-Fraktion lässt wissen, in Deutschland gebe es bereits „ein dichtes Netz an Straftatbeständen“, zum Beispiel beim Stimmenkauf. Das ist aber ein Scheinargument: Denn dafür müsste erst nachgewiesen werden, dass ein Abgeordneter vor einer Entscheidung seine Stimme verkauft hat. Eine „praktisch bedeutungslose symbolische Gesetzgebung“, hatte schon der Bundesgerichtshof gemahnt. Die Regeln für Beamte und Minister und andere Amtsträger sind da weitaus strenger. Die entsprechenden Gesetze regeln haarklein, was Staatsdiener annehmen dürfen – und ab wann ein Geschenk Korruption ist.

Die schwarz-gelbe Phalanx schickte bislang jeden Entwurf für ein Antikorruptionsgesetz durch den Gremien-Reißwolf – die Bundestagsausschüsse. Zuerst die drei Initiativen der Opposition: Nach einer ersten Lesung im Bundestagsplenum wurden sie an den Rechtsausschuss verwiesen. Dort wiederum sorgte die Koalition hinter verschlossenen Türen dafür, dass die Papiere von der Tagesordnung verschwanden, wochenlang.

Seite 2: „Das Thema ist zu wichtig, um es im Wahlkampf zu zerreiben“

Dasselbe droht nun dem vierten Entwurf von Siegfried Kauder. Zwar hatte die FDP ein erneutes Expertengespräch zum Thema Abgeordnetenbestechung im Rechtsausschuss zugelassen. Aber es wurde für den 12. Juni angesetzt. Viel zu spät, um noch rechtzeitig vor der Sommerpause in erster und zweiter Lesung durch den Bundestag zu kommen. Das Verfahren sage doch schon alles, heißt es bei Zuständigen unter der Hand.

Deswegen wollte sich Siegfried Kauder im Ausschuss eigentlich bemühen, den Termin auf Mai vorzuverlegen. In einer Geheimsitzung am Mittwoch aber wiederholte sich das Spielchen: Der ganze Tagesordnungspunkt „Abgeordnetenbestechung“ wurde vertagt.

Siegfried Kauder hatte noch ein Ass im Ärmel: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Der hatte selbst einen Gesetzentwurf gegen die Abgeordnetenbestechung vorbereitet. Am Mittwoch trafen sich die beiden, um eine mögliche Zusammenarbeit zu sprechen. Das Vorhaben platzte. „Er hat den Straftatbestand doppelt und dreifach vernagelt, zu viel für meinen Begriff“, sagte er Cicero Online. Auch für eine Zusammenführung der beiden Anträge sieht Kauder keine Chance mehr: „Das würde sechs Wochen dauern. Da läuft mir die Zeit weg.“ Lammert war für eine Stellungnahme am Abend nicht zu erreichen.

Kauder will nicht aufgeben. Wenn es ihm gelingt, die Sachverständigenanhörung gegen die schwarz-gelbe Mehrheit im Rechtsausschuss vorzuziehen und den Entwurf so in den Bundestag einzubringen, soll es zur Namensabstimmung kommen. Kauder hofft, dass ihn diejenigen, die sich bisher für Transparenzregeln stark gemacht haben, dann auch nicht hängen lassen. In der Union sind das auch noch Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, Ernst Hinsken (CSU), Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses oder der Abgeordnete Uwe Schummer (CDU).

Diese und weitere Abgeordnete von Schwarz-Gelb müssten dann mit der Opposition paktieren. Eine solche namentliche Abstimmung wünscht sich etwa der Geschäftsführer von Transparency Deutschland, Christian Humborg: „Dann wollen wir doch mal sehen, wer gegen schärfere Regeln bei der Korruptionsbekämpfung ist.“

Dafür müsste die Entscheidung allerdings zu einer Gewissensfrage erklärt werden – und der Fraktionszwang aufgehoben. Darauf wird sich die Koalition sicher nicht einlassen. Das Taktieren um die Frauenquote hat gezeigt, dass sie auf Geschlossenheit pocht. Es sind sehr viele „Wenn“ und „Dann“.

In der Opposition sieht man die namentliche Kampfabstimmung kritisch. „Das Thema ist zu wichtig, um es im Wahlkampf zu zerreiben“, sagt Marco Bülow (SPD). Im Zweifelsfall müsse man im neu gewählten Bundestag zu Jahresende erneut mit einer solchen Initiative starten.

Bis dahin will Bülow die Parlamentarier mit einem freiwilligen Verhaltenskodex zu mehr Transparenz verpflichten. Das Papier, das er vor gut einem Monat mit seinem Grünen-Kollegen Gerhard Schick vorgelegt hat, enthält Regeln zum Umgang mit Nebenverdiensten, Lobbyisten und fordert die Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung.

Bislang hätte er schon aus allen Fraktionen positive Rückmeldungen bekommen, sagt Bülow. Zwei Wochen will er die Vorschläge diskutieren lassen – und dann nochmals an alle Bundestagspolitiker schicken. „Wir werden sehen, wer dann wirklich unterschreibt.“

Wieder so ein „Dann“.

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