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Entwicklungshilfe - Wer zahlt im Ausland welche Steuern?

Sie arbeiten für Deutschland im Ausland – doch sie zahlen weder hier noch dort Steuern. Manche Organisationen locken Mitarbeiter gezielt mit solchen Angeboten – bisher ganz legal. Doch im Rahmen der Debatte um Steuergerechtigkeit bleibt die Frage: Ist das in Ordnung?

Autoreninfo

Dagmar Dehmer ist Politikredakteurin des Tagesspiegels in Berlin und befasst sich schwerpunktmäßig mit Umweltthemen und dem Klimawandel

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Wer von der Bundesregierung ins Ausland geschickt wird, wird häufig um seinen Job beneidet. Die Welt kennen lernen auf Staatskosten und auch noch einen gehobenen Lebensstil genießen. Steuern zahlen die Entsandten oft auch keine oder nur sehr geringfügig. Da fragen sich viele Daheimgebliebene: Ist das gerecht?

Im Ausland sind die deutschen Experten häufig deshalb nicht steuerpflichtig, weil Entwicklungshelfer bevorzugt behandelt werden. In Deutschland müssen sie keine Steuern zahlen, weil sie für die Zeit ihres Aufenthaltes im Ausland ihren Wohnsitz aufgegeben haben. Bisher ist diese Praxis von der Politik gefördert und von den Finanzämtern akzeptiert worden, jetzt aber stellt der Fiskus in Einzelfällen angeblich hohe Nachforderungen.

Betroffen sind bisher Mitarbeiter der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), doch dieser Fall hat eine breite Diskussion über Steuergerechtigkeit im Ausland ausgelöst.

Warum haben GIZ-Mitarbeiter bisher keine Steuern gezahlt?

Eigentlich gilt die Faustregel: Wer nur vorübergehend, nach Angaben des Bundesfinanzministeriums weniger als 183 Tage im Jahr, im Ausland tätig ist, bleibt in Deutschland einkommensteuerpflichtig. Wer seinen Wohnsitz in Deutschland aufgibt und länger als 183 Tage im Ausland arbeitet, ist grundsätzlich im Zielland steuerpflichtig. Gibt es kein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem betreffenden Land, müssten die Auslandsmitarbeiter darüberhinaus auch in Deutschland, wenn auch geringfügigere Steuern, zahlen.

Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit hat in den jeweiligen Entsendestaaten jedoch einen Sonderstatus. Die Bundesrepublik handelt mit ihren Partnerländern in der Regel eine Steuer- und Zollfreiheit für Güter und Leistungen der Entwicklungshilfe aus. Existieren solche Abkommen und gleichzeitig auch noch ein Doppelbesteuerungsabkommen, zahlen GIZ-Mitarbeiter ganz legal keine Steuern. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums ist das dann der Fall, wenn es „einen unilateralen Besteuerungsverzicht des Partnerlandes“ gebe, der aber „nur für den Fall gilt, dass dem Partnerland nach den allgemeinen Grundsätzen ein Besteuerungsrecht zusteht“. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zitiert in ihrem Karriereportal „Faz-Job-Net“ den für das Nachwuchsprogramm bei der GIZ zuständigen Ulrich Heise mit den Worten: „Wenn das ein Entsendeland mit entsprechenden Abkommen ist, dann zahlt man wenige bis gar keine Steuern.“

Deutschland ist im übrigen nicht das einzige Geberland, das so verfährt. Auch Österreich und die Europäische Union verfahren nach diesen Vorgaben. Trotzdem sind die Folgen paradox: Die GIZ berät im Auftrag der Bundesregierung viele Regierungen vor allem in Afrika beim Aufbau von Steuer- und Zollsystemen, die für alle gelten sollen – nur nicht für die GIZ. Der Bundesfinanzhof bemängelt die bisherige Praxis.

Wieso steht die Praxis jetzt in der Kritik?

Die Diskussion entstand durch einen Beitrag des Vorsitzenden Richters am Bundesfinanzhof, Dietmar Gosch. Er machte im vergangenen Jahr in einem Fachaufsatz auf die Problematik aufmerksam und kritisierte die „Keinmalbesteuerung“ der GIZ-Mitarbeiter. Im Mai legte er in einem Kommentar zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach. Hier geht es allgemein um Steuerbegünstigungen für im Ausland tätige Arbeitnehmer, die Gosch auch als Verstoß gegen europäisches Recht ansieht, da Arbeitnehmer von Unternehmen aus dem EU-Ausland dadurch benachteiligt würden. „Gemessen an gängigen Vorgaben des Verfassungsrechts sollte und dürfte der Auslandstätigkeitserlass kaum eine Zukunft haben. Er gehört ersatzlos abgeschafft“, schreibt Gosch und ergänzt: „Ebenso wie vor allem jegliche anderweitige gleichheitswidrige verdeckte Steuerbegünstigung der ,öffentlichen’ Entwicklungshilfeorganisationen und hier zuvörderst der GIZ und deren Arbeit- und Auftragnehmer ansonsten auch.“

Konkret geht es derzeit um Mitarbeiter, die nicht direkt von der GIZ beschäftigt werden, sondern über das Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) vermittelt werden. Das sind Fachkräfte, die zeitlich befristet in Firmen im jeweiligen Gastland nach den regionalen Regeln beschäftigt werden. Das CIM, das gemeinsam von der GIZ und der Bundesagentur für Arbeit getragen wird, zahlt diesen Fachkräften einen Aufschlag, der ihr Gehalt auf ein vergleichbares deutsches Niveau bringt, und hilft ihnen, die Sozial- und Rentenversicherungszahlungen in Deutschland aufrecht zu erhalten. Da diese Mitarbeiter einen Teil ihres Gehalts aus der Staatskasse bekommen, gilt für sie das Kassenstaatsprinzip. Das bedeutet, dass sie in Deutschland zumindest über diese Gehaltsbestandteile steuerpflichtig bleiben. Die GIZ hat diesen Mitarbeitern in der Vergangenheit jedoch geraten, ihren deutschen Wohnsitz aufzugeben, um so der Steuerpflicht zu entgehen. Diese Praxis scheinen deutsche Finanzämter aber immer weniger zu akzeptieren und haben einigen dieser sogenannten integrierten Fachkräfte hohe Steuernachforderungen geschickt, gegen die einige dieser Betroffenen geklagt haben. Inzwischen rät die GIZ integrierten Fachkräften, sich von einem Steuerberater über ihre Steuerpflichten aufklären zu lassen.

Wie handhaben andere Entwicklungsorganisationen die Steuerfragen?

Nach Auskunft der Welthungerhilfe haben etwa 85 Prozent ihrer Auslandsmitarbeiter ihren Wohnsitz in dem jeweiligen Land, in dem sie tätig sind. „Wenn in dem Land Steuern (oder vergleichbare Abgaben) erhoben werden, entrichten die Mitarbeiter ihre Steuerzahlungen vor Ort“, sagte eine Sprecherin. Sie seien in Deutschland von der Lohnsteuer befreit, wenn ihr Lebensmittelpunkt im Ausland liege. „Deutsche Steuerbehörden prüfen diesen Sachverhalt in regelmäßigen Abständen“, sagte die Sprecherin weiter. Die Welthungerhilfe weise ihre Mitarbeiter im Rahmen ihrer Arbeitsverträge darauf hin, dass sie sich an die vor Ort geltenden Gesetze und Vorschriften halten müssen. Das machen die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung und die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung genauso.

Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) weist seine Mitarbeiter „ausdrücklich auf ihre Steuerpflicht und auf die strengen Voraussetzungen für Steuerbefreiungen hin“, sagte eine DRK-Sprecherin. „Der Auslandstätigkeitserlass, der es Finanzbehörden ermöglicht, steuerpflichtige Arbeitnehmer, die zum Beispiel in der Entwicklungshilfe tätig sind, von der Besteuerung auszunehmen, findet keine Anwendung beim DRK“, sagte sie weiter. Bei den Ärzten ohne Grenzen bleiben die Projektmitarbeiter mit einem deutschen Arbeitsvertrag sozialversicherungspflichtig beschäftigt, sagte ein Sprecher. Deshalb würden „in Deutschland automatisch Steuern und Sozialabgaben abgeführt“.

Wie werden deutsche Mitarbeiter der Europäischen Union steuerlich behandelt?

Wer als Deutscher in Brüssel arbeitet, wie das wegen der dort ansässigen EU-Institutionen und des Nato-Hauptquartiers besonders viele tun, kann auf verschiedene Arten besteuert werden. Der Normalfall ist, dass dann in Belgien Steuern gezahlt werden müssen. Die liegen höher als in der Bundesrepublik, weshalb vorübergehend in Belgien lebende Mitarbeiter ausländischer Unternehmen geringer besteuert werden als Einheimische. Das gilt für die Interessenvertreter aus Wirtschaft und Politik, die alle ihre Büros vor Ort haben. Audi und Bosch unterhalten aber auch große Werke in Brüssel. Ein 1967 abgeschlossenes Doppelbesteuerungsabkommen regelt die Details. Für Diplomaten und EU-Beamte gelten ebenfalls verschiedene Regeln. Wer für die Ständige Vertretung der Bundesrepublik bei der EU arbeitet, also ein die deutschen Interessen in Brüssel vertretender Diplomat ist, zahlt weiterhin in Deutschland Steuern – obwohl sein Lebensmittelpunkt in Belgien liegt. Für die gut 200 Beamten der „StäV“ gilt somit eine andere Besteuerung als für ehemalige Ministeriumskollegen, die nun direkt bei den EU-Institutionen angestellt sind. Wer nämlich bei der Kommission, dem Europaparlament oder dem Rat der Regierungen arbeitet, kommt in den Genuss eines eigenen EU-Steuersatzes. Der ist im Vergleich zum deutschen ziemlich lukrativ, weil er aus den Steuersätzen aller Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gebildet wird. EU-Beamte bekommen daher nicht nur eine höhere Besoldung als Beamte in Deutschland. Sie haben durch den günstigeren Steuersatz auch geringere Abzüge. Nach Angaben der deutschen CDU-Europaabgeordneten Inge Gräßle, die in dieser Funktion ebenfalls in Deutschland steuerpflichtig bleibt, zahlen deutsche EU-Beamte je nach Dienstgrad und Einkommen zwischen zehn und 15 Prozentpunkte weniger Steuern als ihre nach deutschem Recht besteuerten Berufskollegen.

Was gilt für deutsche Mitarbeiter der Vereinten Nationen?

Egal, wo deutsche Mitarbeiter weltweit arbeiten: Es gibt mit jedem Land ein Host Country Agreement, diese Vereinbarungen unterscheiden sich von Land zu Land. Es gibt hunderte solcher Ländervereinbarungen, was die Lage sehr unübersichtlich macht. UN-Mitarbeiter profitieren aber davon, wie andere auch, dass die Steuereintreibung in vielen Gastländern so unprofessionell stattfindet, dass sie längst wieder ausgereist sind, bis die lokalen Steuerbehörden Notiz von ihnen genommen haben.

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