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BND-Affäre - Im Dienste der Lüge

Angesichts der BND-Spionage gegen die Türkei steht die Bundesregierung maßlos blamiert da. Wird die Öffentlichkeit nur noch belogen? Ein Kommentar

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Hartmut Palmer ist politischer Autor und Journalist. Er lebt und arbeitet in Bonn und in Berlin.

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Was würde wohl passieren, wenn ein Drehbuchschreiber alles das, was in den letzten Tagen und Wochen über die Abhörpraktiken des Bundesnachrichtendienstes publik geworden ist, als Plot in einen Geheimdienst-Thriller zu packen versuchte? Die Produzenten würden ihm einen Vogel zeigen und ihn auslachen. Sie würden das, was da in seinem Film passieren soll, nicht glauben: eine Kopfgeburt, viel zu weit hergeholt, im Wortsinn unglaublich. Vermutlich würden sie ihm raten, den Stoff für eine Satire zu benutzen. Und damit lägen sie wahrscheinlich auch gar nicht so falsch.

Denn das, was jetzt Stück für Stück herauskommt, klingt nach Klamauk und Klamotte. Und obwohl die Geheimdienstposse noch längst nicht zu Ende ist, steht der Schaden schon jetzt fest: Die Glaubwürdigkeit ist ramponiert, die Bundesregierung – eben noch voller moralischer Empörung darüber, dass sie selbst Opfer einer systematischen Ausspähung geworden ist sich, steht nun selbst als Täterin da und hat sich maßlos blamiert.

Rückblende: Irgendwann vor ein paar Wochen erfährt man in Berlin vom eigens aus Karlsruhe angereisten Generalbundesanwalt, dass man einem Menschen auf die Spur gekommen sei, der sich den Russen als Spion angedient habe. Per E-Mail habe er bei der Botschaft Unter den Linden angefragt, ob seine Dienste erwünscht seien. Die Mail aber sei abgefangen worden. Jetzt werde man den Agenten verhaften und vernehmen.

„Abhören von Freunden, das geht gar nicht“, sagte die Kanzlerin


Kurz darauf die Nachfrage aus Berlin: Was ist denn nun mit dem Menschen? Ja, heißt es da, es stimmt, wir haben ihn verhaftet und vernommen. Und er hat auch gestanden. Aber er hat nicht für die Russen spioniert, sondern für die Amerikaner. Wie bitte?

Ja, heißt es, Sie haben richtig gehört. Er flog auf, weil man zwar die Botschaft der Russen abhört, nicht aber die der Amerikaner – wir doch nicht. „Abhören von Freunden, das geht gar nicht“, hat die Bundeskanzlerin gesagt, nachdem publik wurde, dass ihr Handy von der NSA abgehört wurde. Große Empörung. Selbst Barack Obama musste öffentlich versichern, dass dergleichen nie mehr vorkommen soll.

Die deutschen Dienste aber schienen brav und sauber. Sie hören nur die Russen ab, nicht die Amerikaner, hieß es. Deshalb flog der BND-Insider erst auf, als er sich auch den Russen andiente. Er schickte eine E-Mail an die amerikanische Botschaft und teilte mit, er hätte ein paar interessante Sachen zu berichten, auch über den Untersuchungsausschuss der Bundestages, der die Abhörpraktiken der National Security Agency (NSA) untersuchen soll.

Und jetzt kommt der Hammer: Statt ihre deutschen Kollegen zu informieren, dass es da einen Maulwurf gibt, nehmen die US-Agenten das Angebot an. Sie nennen dem Mann einen Ansprechpartner in der Botschaft und stellen ihm außerdem noch einen Laptop zur Verfügung, damit er seine Nachrichten in Zukunft verschlüsselt übermitteln kann. Allerdings sei das, was er den USA bisher geliefert habe, nicht relevant, heißt es es später aus unterrichteten Berliner Regierungskreisen.

Nicht relevant? Alles nur halb so schlimm?

Spätestens seit diesem Wochenende weiß man, dass das auch wieder gelogen war. Der Mann soll doch etwas ziemlich Relevantes verraten haben: die Mitschnitte von Telefongesprächen, die Hillary Clinton (damals US-Außenministerin) und ihr Nachfolger Kerry mit irgendwelchen anderen Politikern geführt haben. Gleichzeitig meldet der Spiegel, dass der BND auch Telefone türkischer Politiker in der Türkei überwacht.

Nachrichtendienstliche Real-Satire


Abhören von Freunden, das geht gar nicht? Sind die US-Außenminister keine Freunde, die Türken keine Verbündeten? Und ausgerechnet der BND-Mann, der sich zuerst den Amerikanern und später auch den Russen als Informant angeboten hat, ein Mensch, der immer nur als Markus R. durch die Medien geistert, ausgerechnet er soll die Quelle dieser peinlichen Indiskretion gewesen sein? Irgendwie hört man spätestens an dieser Stelle auf, die ganzen Erklärungen und Gegenerklärungen zu glauben.

Man hat das Gefühl, nur noch belogen zu werden – von allen Seiten. Und man fragt sich am Ende, was das Ganze überhaupt soll: Welchen Nutzen ziehen die Dienste daraus, wenn sie zuhören, wie sich der US-Außenminister mit einem anderen Politiker unterhält? Das meiste davon kann man irgendwann sowieso in der Zeitung lesen. Umgekehrt: Welch außenpolitischer Schaden wird angerichtet, wenn diese Praktiken bekannt werden!

Abschaffen kann man die Dienste nicht. Es gibt ein Kontrollgremium, das ihnen im Bundestag auf die Finger guckt. Hat man dort nicht richtig zugehört? Wurde auch dort nur gelogen? Man kann gespannt sein, welche Version erst den Kontrolleuren und dann der Öffentlichkeit als nächstes aufgetischt wird. Vorsorglicher Rat: Es ist besser, den Schlapphüten erst einmal gar nichts zu glauben. Dann ist man hinterher nicht so entsetzt, wenn die Wahrheit Stück für Stück publik wird. Außerdem ist es dann auch leichter, das Ganze als das zu verstehen, was es vermutlich ist: eine Real-Satire.

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