Der tschechische Milliardär Andrej Babib trinkt aus einem Glas Champagner
Milliardär und Unternehmer Andrej Babis: lieber Champagner als reiner Wein / picture alliance

Wahlen in Tschechien - Seine Firmen, sein Staat

Der Milliardär und Multiunternehmer Andrej Babis will Premierminister von Tschechien werden – und hat trotz diverser Skandale die Parlamentswahlen gewonnen.

Kilian Kirchgeßner

Autoreninfo

Kilian Kirchgeßner ist Korrespondent in Prag. Seit 2005 verfolgt er das Geschehen in Tschechien und der Slowakei.

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Wenn diese Sache mit den zwei Millionen Euro nicht gewesen wäre, wie viel näher hätte das Andrej Babis dem Posten des Premierministers gebracht! Es war noch im alten Leben des 63-Jährigen, als ihm dieses verfallene Anwesen eine Stunde vor den Toren Prags aufgefallen war, eingebettet in sanfte Hügel. Er ließ einen Star­architekten kommen, der eine private Residenz auf dem Gelände errichtete, ein paar Hotelzimmer, ein Restaurant, ein Fitness- und ein Kongresszentrum, eine Reithalle, ein paar Bowlingbahnen, einen Golfplatz, einen Tierpark und einen Bade­see. Wie angenehm, dass die EU eben jene zwei Millionen Euro dazutat.

Seit sechs Jahren mischt Andrej Babis jetzt die tschechische Politik auf. Dass der drahtige Mann eigentlich weder Posten noch Macht oder Ruhm bräuchte – gerade das hat ihn paradoxerweise zum Liebling der Wähler gemacht. Steinreich ist Babis in seinem vorherigen Leben geworden, auf der Forbes-Liste wird er mit einem geschätzten Vermögen von 3,4 Milliarden Dollar als zweitreichster Tscheche geführt. Aus dem Nichts baute er, der unter den Kommunisten im Außenhandel wichtige Kontakte sammelte, nach der politischen Wende den Konzern Agrofert auf, einen Gemischtwarenladen mit Dutzenden Firmen aus den Bereichen Agrar, Lebensmittel und Chemie.

Steiler Aufstieg

Warum er im Jahr 2011 die Bewegung Ano gründete, damals noch das Akronym für Allianz der unzufriedenen Bürger, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Er wollte der Misswirtschaft und der oft überforderten Staatsverwaltung im Land nicht länger tatenlos zuschauen, so lautet die offizielle Legende. Und weil Andrej Babis es aus seinem Leben als Unternehmer gewohnt ist, die Dinge entweder ganz oder gar nicht zu machen, heuerte er die teuersten Marketingspezialisten an, gründete einen politischen Thinktank als Ideengeber für seine Bewegung, die mit liberal-populistischen Positionen auftritt.

Er gewann bekannte Schauspieler, Kommentatoren und Firmenchefs als Unterstützer und überzog das Land mit einer nie da gewesenen Kampagne. „Wir führen das Land wie eine Firma“ – solche Schlagworte reichten im Wesentlichen aus, um Ano bei den Parlamentswahlen im Jahr 2013 zur zweitstärksten politischen Kraft in Tschechien zu machen. Babis wurde Vizepremierminister in einer Koalition mit den Sozialdemokraten und den kleinen Christdemokraten. Und er wurde Finanzminister.

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Christa Maria Wallau | Fr., 20. Oktober 2017 - 20:11

Wie die meisten Bürger Politik und Politiker in den verschiedenen Ländern Europas sehen bzw.
beurteilen ist durchaus unterschiedlich, von den USA, Rußland oder China ganz zu schweigen.
Es ist alles eine Frage der Mentalitäten, die sich durch Jahrhunderte unterschiedlicher geschichtlicher und gesellschaftlicher Erfahrungen
herausgebildet und zu so etwas wie einem Volkscharakter entwickelt haben.
Ähnlich wie die Italiener trauen die Tschechen
allen Politikern sowieso nicht (mehr) über den Weg. Deshalb versuchen sie es auch mal mit
einem Komiker(Grillo in I.) oder einem erfolgreichen Emporkömmling (Babis in der Tschechei) nach dem Motto: "Schlechter und korrupter als die vorherigen kann der auch nicht sein."
In Deutschland glauben viele Leute immer noch an
"das Gute" in den Politikern, was ja auch nicht ganz unberechtigt ist. Aber: Leider sind nicht wenige der "guten" Menschen in der Politik leider
auch ziemlich naiv und schaden damit dem Volk
genauso wie die abgebrühten...

Bernd Fischer | Fr., 20. Oktober 2017 - 22:23

warum wir uns , meist von Journalisten aller Couleur ( wegen der Quote ) befeuert werden, uns den Themen , wer wann wo gewählt wird nun zwingend anschließen müssen?

Erstens sollten wir ( besonders die Presse ) uns so langsam daran gewöhnen das wir die Entscheidungen eines jeden Wahlvolkes in der EU zu respektieren haben.

Martin Arndt | So., 22. Oktober 2017 - 08:39

A. Babis hat gewonnen; Sebastian Kurz auch....Wird Europa doch noch realistisch, ohne der Politik vom Denken an den Ausnahmezustand her eine existenzielle Dramatik her zu verleihen u. so den gesunden Menschenverstand zu suspendieren? Das gedankliche Operieren mit dem sog. Ausnahmezustand wurde in Deutschland schon einmal praktiziert-Mit furchtbaren Folgen.

Gernot Ballauf | Mo., 23. Oktober 2017 - 13:36

Erfolg muss messbar sein. Warum Leute wie Babis gewählt werden, ist einfach erklärt. Dieser Mann steht für Erfolg durch eigene Leistung. Auch in Deutschland gibt es Erfolgreiche. Leider fast nie in der Politik. Dort liegt der Systemfehler. Politkarrieren bei Systemparteien fangen bereits im Jugendalter an, landen als Kofferträger, um irgendwann mal oben anzukommen, mit Ende 40 oder Ende 50. Bis dahin wurde oft nichts Messbares geleistet. Die Partei spühlt die Leute hoch. Wieso soll ich als Wähler so jemandem vertrauen? Bei einem Babis ist das viel einfacher. Der hat den Beweis, was er kann, bereits erbracht, messbar. Das ist der Unterschied zu deutschen Politclowns. Die haben nix vorzuweisen.

Romuald Veselic | Mo., 23. Oktober 2017 - 15:42

interessiert mich weniger, abgesehen davon, die Deutschen sollten sich davor hüten, anderen "gute" Ratschläge zu geben, siehe die Vergangenheit. Ansonsten sollten sie dann im Umkehrschluss darüber berichten, wie über dt. Politiker in eben diesen Ländern berichtet wird.
Und dass man sie für unzurechnungsfähig hält.
Was für mich ein Skandal ist, dass der Bundestag jetzt auf 709 Abgeordnete angeschwollen ist, durch sog. Überhangmandate. Der Überhang ist nur ein anderes Wort für Überflüssig.

Christa Maria Wallau | Mo., 23. Oktober 2017 - 17:39

Antwort auf von Romuald Veselic

Ich stimme Ihnen zu, Herr Veselic.
Es ist ein Skandal bzw. ein Armutszeugnis, daß es nicht gelungen ist, das
viel zu große deutsche Parlament zu verkleinern, sondern es noch weiter aufzublähen - ein weiterer Beweis dafür, wie handlungsunfähig (besser: handlungsunwillig) unsere Abgeordneten sind.
Es geht ihnen nur um ihre Pfründe. Alle Parteien sind sich einig in der Selbstbedienungsmentalität. Nur gegen die AfD wird gehetzt.
Eine wahrhaft tolle "Volksvertretung" haben wir in Deutschland!
Kein Wunder, daß niemand in Europa uns noch ernst nimmt (außer beim
Verteilen von Geldern)...

Ursula Horvath | Do., 26. Oktober 2017 - 15:24

Antwort auf von Romuald Veselic

Herr Veselic , seit Merkel erdreisten sich deutsche Politiker wieder andere Staatsoberhäupter öffentlich zu beurteilen und manchmal /wie in GR) auch noch bösartig bloß zu stellen (Merkel zu Beginn der Finanzkrise: (Die Griechen sollen weniger in der Sonne liegen sondern arbeiten) was ist das für ein Politstil? Unter Brandt, Schmidt und Genscher völlig undenkbar. Was an unangenehmen Wahrheiten gesagt werden muss, gehört nicht vor aller Welt. So zerlegt man eben auch Europa! Was Babis angeht, das entscheiden die Tschechen, denn sie leben auch mit ihm die nächsten vier Jahre. Diese unerträgliche Arroganz, die schon wieder suggeriert, "Wir sind wieder Wer" ist einfach nur widerlich! Die richtigen Probleme im eigenen Land anzugehen, dazu hatte Madam keine Chourage, da kümmert man sich lieber um fremde Angelegenheiten, lenkt ab von der eigenen Unfähigkeit!