Unterlagen und eine Wahlurne des Meinungsforschungsinstitutes Infratest dimap im Auftrag der ARD stehen am 15.02.2015 in einem Wahllokal in Hamburg, um Wähler nach ihrer Stimmabgabe für die Bürgerschaftswahl zu befragen.
In den letzten zwei Wochen vor der Wahl gab es widersprüchliche Trends von ARD und ZDF / picture alliance

Demoskopie-Check zur Bundestagswahl - Was war gut, was war schlecht?

Die CDU erreichte bei der Bundestagswahl 33 Prozent – Demoskopen gingen von etwa 36 Prozent aus. Und das obwohl neue Techniken der Datenerhebung angewendet wurden. Wie gut waren also die Vorhersagen?

Autoreninfo

Thorsten Faas ist Professor für Politikwissenschaft im Bereich „Methoden der empirischen Politikforschung“ an der Universität Mainz. Zu seinen Forschungsgebieten zählen Wahlen, Wahlumfragen und Wahlkämpfe. 

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Ja, es gab sie in diesem Wahlkampf, die positiven Entwicklungen im Bereich der Demoskopie. Es gab zum Beispiel ernsthafte Bemühungen, die mit Umfragen verbundenen statistischen Unsicherheiten durch die Angabe von Schwankungsbreiten zu visualisieren. In denen lagen die wahren, aber naturgemäß unbekannten Werte der einzelnen Parteien. Also nicht 38 Prozent, sondern 36 bis 40 Prozent. Es gab auch einen nie gekannten Pluralismus eingesetzter Methoden: Wie früher gab es klassische Befragungen von Wählern, von Angesicht zu Angesicht oder am Telefon. Es gab aber auch mehr Versuche denn je, neue Webtechnologien zu bemühen, um so Stimmungsbilder zu zeichnen. Ist das gut? Ja! Denn alle Verfahren und Ansätze haben Probleme, das wissen wir doch. Daher ist es gut, wenn verschiedene Ansätze eingesetzt werden, mit ihren spezifischen Stärken und Schwächen. So ergibt sich insgesamt ein besseres Bild.

Mängel in der Datenerhebung

Leider gibt es aber auch die andere Seite der Bilanz. So manch unsäglicher Aspekt rund um Zahlen im Wahlkampf scheint nicht aus der Welt zu schaffen sein, Nachkommastellen etwa: „SPD bei 21,5 Prozent“ war kurz vor der Wahl zu lesen. Solche Zahlen suggerieren eine Präzision, die schlicht nicht gegeben ist. Dass auch weiterhin nicht transparent gemacht wird, wer eigentlich wie gewichtet, bleibt ebenfalls ein Manko. Wer aber im Vorfeld Präzision suggeriert, seine Methoden nicht offenlegt und dann das Ziel nicht trifft, der darf sich nach der Wahl auch nicht über Schelte beschweren.

Das TV-Duell ist eigentlich immer ein Höhepunkt des Wahlkampfs. Mit Blick auf die demoskopische Begleitung war es das dieses Mal aber definitiv nicht. Die methodischen Herausforderungen, binnen weniger Minuten nach einer Sendung belastbare Zahlen zu eben dieser zu präsentieren, lassen wir einmal außen vor. Aber Sekunden nach dem Ende der Debatte „Halbzeitstände“ zu veröffentlichen, das ergibt keinen Sinn. Dass diese sich zwischen Sendeanstalten auch noch erheblich unterscheiden, macht die Sache nicht wirklich besser. Und diese Unterschiede zwischen Sendern gab es auch in den Endständen, die gegen 22.30 Uhr veröffentlicht wurden. Und trotz der erheblichen Unterschiede transportierten die jeweiligen Sender in den Tagen nach dem Duell nur ihre eigenen Zahlen in die Öffentlichkeit. Das war auch nicht gut, weil eben hoch selektiv.

Reaktion auf die Umfragen

In den letzten zwei Wochen vor der Wahl gab es ebenfalls widersprüchliche Trends. Da lag die SPD mit Tendenz nach unten im ARD-Deutschlandtrend bei 20 Prozent, zugleich ging es für die SPD im ZDF-Politbarometer nach oben. Und vor dem Hintergrund all dessen verwundern dann auch Meta-Diskussionen über Sinn und Unsinn von Demoskopie nicht, die mehr denn je geführt wurden. Zum Vertrauen in die Zahlen tragen auch sie nicht bei.

Und dann war da schließlich der Wahlabend mit seinem Ergebnis. Die meisten Umfragen im Vorfeld sahen die Union bei 36 Prozent, am Ende waren es 33 Prozent. Bei der AfD wurden aus 11 Prozent 13. Wieder einmal lagen die Demoskopen daneben. Oder? Vielleicht waren die Umfragen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung auch richtig, aber die Menschen haben sich auf der Zielgeraden noch (um-)entschieden, vielleicht sogar als Reaktion auf die Umfragen. Das kann man Demoskopen übrigens nicht per se vorwerfen. Aber man könnte erwarten, dass die Belastbarkeit der Zahlen offensiver diskutiert wird. Es bleibt noch einiges zu tun.

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Peter Lieser | Di., 26. September 2017 - 16:26

Mit dem "richtigen" Datensatz erhalte ich die gewünschten Ergebnisse. Auch Civey lag total daneben, kein Wunder es wird eine ausgesuchte Zielgruppe ( glaube Spiegel, Cicero,Focus ? ) angesprochen. Zudem habe ich den Eindruck, dass es bei den Ö/R zu Gunsten von Merkel schön gerechnet wurde. Die Zahlen waren auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht richtig, wie der Autor meint. Die Umfragen sind eine Geschäftsidee und der Auftraggeber zahlt, in den meisten Fällen, für die gewünschten Ergebnisse.
Im Frankfurter Nordend werde ich auf andere Ergebnisse kommen, als im Bankenviertel Westend.
Wie ein repräsentativer Querschnitt bei ca. 2000 Personen zustande kommen soll, ist mir schleierhaft. Kaffeesatz, die Glaskugel oder die rumänische Wahrsagerin sind auch geeignete Hilfsmittel. Ich war 30 Jahre in der Branche tätig, seitdem lüge ich ohne rot zu werden ;-)
Frei nach Churchill - traue nur den Umfragen die du selber gemacht hast.

Karin Zeitz | Di., 26. September 2017 - 16:59

Antwort auf von Peter Lieser

in der DDR, haben wir gesagt: “traue nur den Statistiken, die du selber gefälscht und den Bilanzen, die du selber frisiert hast“. Heute gilt noch immer: “wes Brot ich ess, des Lied ich sing“.

Walter Gerdes | Di., 26. September 2017 - 18:30

Es war nach meinem Dafürhalten ( gestärkt durch viele persönliche Gespräche), dass denjenigen, die telefonisch nach Wahlauskünfte anfragt wurden, gesagt gesagt haben: wähle CDU. Tatsächlich haben die aber AfD gewählt. Das stand von vornherein fest seit Ende 2015.
Also, das Problem liegt in der gesellschaftlichen Schiefstellung politische Meinungen "unbehelligt" ausdrücken zu können.
Die Spaltung ins Gesagte und Getane ist bereit voll durchgeschlagen.

Bernhard_Wilhelm | Di., 26. September 2017 - 18:50

Diese heimlichen Versuche der Beeinflussung widern mich mittlerweile an. Ganz schlimm die gestern veröffentlichte Umfrage der ARD, dass binnen 24 Stunden zusätzlich zu den 24% des Vortages 30% der Bundesbürger besonnen haben und nun eine Jamaika Koalition befürworten. Das scheint mir nichts anderes, als der Versuch, die in den Medienanstalten bevorzugte Koalition den Menschen schmackhaft zu machen. Und die Presse bejubelt bereits, wie gescheit der Bürger doch ist, die einzig machbare Koalition zu feiern. Erbärmlich.

Rüdiger Tatus | Di., 26. September 2017 - 20:28

welch eine Metapher, bezeichnet die AFD und ihre Wähler als durch und durch Rechtsradikale, und dieser Mann macht "neutrale" Wahlumfragen? Auch mit deren Veröffentlichungen kann man Wähler beeinflussen, durch die Presse als willige Multiplikatoren. Erstaunlich, wie erst 14 Tage vor der Wahl die Ergebnisse sich den tatsächlichen Endwerten annähern.- Und der Schulz-Zug erst! Bei den AFD Prognosen habe ich fast nur Meldungen von Abstürzen in Erinnerung, die müssten eigentlich bei - 25 %:am Ende gelegen haben.- Wir brauchen in diesem Lande Naturwissenschaftler, keine Politik - Medien- und Sozialwissenschaftler, auch einen kritischen, investigativen Journalismus, keinen Meinungs - und Hofjournalismus, kein Regierungs - und Verkündungs- TV als TREIBRIEMEN für die Machteliten. Wir leben in einer Politisch- Medialen- Aristokratie die vielleicht gerade jetzt durch eine Opposition durchbrochen werden könnte- sie haben das verdammte Recht das auch einmal lautstark zu tun.

Reinhard Czempik | Di., 26. September 2017 - 21:11

33% für die ungekrönte Königin von Dtl. und 38% für den selbsternannten "Kini" von Bayern, das geht im Vorfeld gaaaaarnicht!!!

Juliana Keppelen | Do., 28. September 2017 - 13:25

Antwort auf von Reinhard Czempik

Nein für die Königin (CDU) gab es 26,2% für den König 39% (6,7% umgerechnet) ergibt für beide 32,9% zusammen.

Joost Verveen | Mi., 27. September 2017 - 00:10

Bei den Allensbach-Umfragen muß man von den Ergebnissen der CDU immer 5% abziehen. Dann stimmt es einigermaßen.

Ulli Ramps | Mi., 27. September 2017 - 00:29

Ein gravierender Aspekt wird gern übersehen:

Sagen die Umfragen aus, dass Mutti mit weitem Abstand gewinnt, dann löst das natürlich erst aus, dass man deswegen gar nicht mehr hingeht!

Sprich, die Umfrage selbst beeinflusst das Ergebnis massiv.
Wäre es spannend gewesen, ob CDU oder SPD, vorher gleichauf, Nr. 1 würden - die CDU hätte weit mehr Stimmen bekommen.
So aber war "alles klar" und man konnte mit seiner Stimme experimentieren.
Klarer Verlierer durch die Ankündigung des klaren Sieges: Die CDU. Wozu hingehen, oder alternativ - wozu Mutti ankreuzen, die gewinnt doch eh.
Sicher erklärt dies die starke FDP, teils sicher auch die fette "Million plus", die von der CDU an die AfD ging.

Dr. Lothar Sukstorf | Mi., 27. September 2017 - 12:08

Jedenfalls kann man konstatieren, daß die Demoskopie-Unternehmen im Wahlkampf Hochkonjunktur hatten. Meine Perzeption von deren Wirken - Wahlbeeinflussung ohne Ende - wes Brot ich ess, des Lied ich sing...

Wolfgang Lang | Mi., 27. September 2017 - 23:08

wurde die Zukunft in den Eingeweiden der Tiere ausgelesen. Kaffeesatz gab es damals noch nicht. Vielleicht sollte man die Methoden Vielfalt um die einen oder andere bewährte Methode erweitern. Diversity ist ja voll krass in.

Bernd Eifländer | Do., 28. September 2017 - 14:40

Umfragen dienen zur Meinungsbeeinflussung, wer will schon zu einer Minderheit gehören und hängt sich an die 39 bis 42 % Pronose z.B. für Merkel.
Und ein Beispiel aus dem richtigen Leben. Anruf eines Institutes aus Wiesbaden, mit der Frage : Wollen Sie in den nächsten 6 Monaten ein Auto kaufen ? Meine Antwort : Nein, habe kein Geld. Neue Frage : Wenn sie Geld hätten, würden sie dann ein Auto kaufen ? Meine Antwort : Ja !
Institut : Danke für die Cooperation !
Und schon wieder einer der ein neues Auto kaufen will, für die Statistik..............