Heuballen liegen auf einem abgeerntetem Feld vor einem wolkenverhangenem Himmel
Das Wetter war wechselhaft in diesem Sommer, der Ernte hat es offenbar nicht geschadet / picture alliance

Ein Rückblick - Das war der Sommer

Kolumne: Morgens um halb sechs. Der Sommer neigt sich seinem Ende entgegen. Der Bundestagswahlkampf ist auf der Zielgeraden. Zeit für ein kurzes Innehalten: Wo steuern wir hin? Und was haben die vergangenen Monate gelehrt?

Autoreninfo

Sabine Bergk ist Schriftstellerin. Sie studierte Lettres Modernes in Orléans, Theater- und Wirtschaftswissenschaften in Berlin sowie am Lee Strasberg Institute in New York. Ihr Prosadebüt „Gilsbrod“ erschien 2012 im Dittrich Verlag, 2014 „Ichi oder der Traum vom Roman“.

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Nun ist er vorbei, der Sommer. Stürme hat er uns gebracht und Waldbrände. Im Weißen Haus wurde auch viel gefeuert, nur der Oberfeuerteufel blieb im Dienst. Ein Sommer der Messerattacken war es und der Lieferwagen, die in Menschenmengen rasten. Der Solidaritätsbekundungen, der Teddybären, Kerzen und Rosen. Das Wetter war instabil, unruhige Wolkenbänder durchzogen wie Warnungen den Sommerhimmel. Tornardogefahr bestand, mitten in Europa.

Zwei Seiten der Lady Di

Dann stieg Lady Di aus dem Grab und wurde mit viel Schmuck und Drama medial neu aufbereitet. Wie ein scheues Reh wirkte sie in dem umstrittenen Dokumentarfilm „Diana, in ihren eigenen Worten“, der in Großbritannien für hohe Einschaltquoten sorgte. Die privaten Aufzeichnungen ihres ehemaligen Sprachcoachs Peter Settelen sorgten wochenlang für Furore. Tiefere Charakterstudien, die in Dianas Kindheit hätten führen können, blieben bei Settelen jedoch aus. In der Presse wurde Diana als Trendsetterin für Handtaschen gefeiert. Dass Lady Di eine Liebende und Liebessuchende war und dass ihre Liebe groß war, ja fast unerträglich intensiv – daran scheiterte nicht nur die royale Familie, sondern auch die sensationslüsterne Berichterstattung. Wahrscheinlich fürchten sich die meisten Menschen vor nichts so sehr wie vor der großen, unbedingten Liebe.

Jede Erzählung hat auch eine Gegenerzählung: Der Portraitfilm „Unsere Mutter Diana“, aus der Perspektive der Söhne gedreht, beschrieb das liebevolle Gegenteil. Hier wurde Dianas unendliche, ja fast hemmungslos direkte Liebesfähigkeit betont, ihre Impulsivität, ihr sprühendes Wesen und ihr Mut, der sie bis ins Landminengebiet nach Bosnien führte. Der Blick der Söhne führte bis in Dianas Kindheit, streifte den Verlust der Mutter, der Diana früh in die Position einer Gebenden warf. Die Haltlosigkeit und Unsicherheit, die sie  trotz aller Strahlkraft umgab, ist auf diesen frühen Verlust zurückführen. Manchmal war es, als stützten sich beide Seiten gegenseitig – als hielte nicht Diana die Hilfsbedürftigen fest, sondern als fände die Lady in den Händen der Obdachlosen und Aidskranken ebenfalls etwas Halt. Dass diese Kometin gerade in einem dunklen Tunnel ihr Ende fand, ist bis heute ungeklärt, unfair und vollkommen paradox.

Und immer noch Frieden

Auf der Nordhalbkugel der Erde war Sommer. Millionen Familien stürzten sich auf Autobahnen, die Flughäfen waren überfüllt und fast überall war und ist immer noch Frieden. Wie kostbar dieses Gut Frieden ist, das den größten Mehrwert überhaupt besitzt, sollten wir uns jeden Tag, den wir mit einem frisch gebrühten Kaffee beginnen, vor Augen führen. Die Profite des Friedens sind unendlich. Mit ihnen ist jeder Sommer groß, egal, wie verregnet er daherkommt. Wie klein dagegen wirkt ein Streit zwischen Kim Jong Un und Kasperl Trump. Sie haben nichts begriffen. Und dennoch ging der Blick in diesem Sommer ständig in Richtung dieser beiden Zankhähne, die bedrohlich mit Ketten und Raketen rasselten

Schließlich war und ist dieser Wahlkampf wohl der langweiligste überhaupt. Ein wenig Familienpolitik und das silberstreifenzwerghamsterartige Lächeln der Kanzlerin sollen uns beruhigen, während auf offener Straße Menschen mit Messern auf Passanten losgehen und es bereuen, falls sie nicht genügend Bürger erstochen haben. Während der IS auf den Straßen sein Unheil treibt, werben Plakate in Deutschland mit Schulranzen, Digitalisierung, sozialer Harmonie für alle und ein gutes Leben. Amen. Wie konnte das Thema innere Sicherheit von den großen Parteien durch die Bank vermieden werden? 

Steht uns ein turbulenter Herbst bevor?

Von den Plakaten geht eine farbwarme Trägheit aus, die einschläfernd wirkt. Trägheit aber darf nicht mit Stabilität verwechselt werden. Wer länger schläft, ist nicht stabil. Und vor lauter Trägheit besteht die Gefahr, dass fast niemand zur Wahl geht. Eine geringe Wahlbeteiligung wäre im Herbst jedoch fatal, da es zu Pattsituationen kommen kann und einer nicht regierungsfähigen Regierung. Erdogan reibt sich jetzt schon die Hände. 

Wie turbulent der politische Herbst wird, lässt sich schwer einschätzen. Überraschungen sind möglich, Umfrageinstitute haben sich schon beim Brexit heftig getäuscht. Ein instabiles Deutschland will niemand. Zunächst also gilt es, die Trägheit zu überwinden, die von der Politik ausgeht, trotzdem wählen zu gehen, auch wenn das politische Programm wie Vanillequark daherkommt. Vanillin ist ja bekanntlich ein gutes Mittel gegen Depressionen. 

Ausgang ungewiss

Der Spätsommer bricht an. Wer aus dem Haus geht, nimmt Sonnenhut und Regenschirm gleichzeitig mit. Ich summe momentan jeden Morgen Robert Schumanns Lied „Des Sennen Abschied“. Es ist für mich eines der schönsten Lieder Schumanns neben den Heine-Vertonungen. Friedrich Schiller hat den Text geschrieben und dabei die Wiederkehr des Frühlings, während der Senne seine Arbeit beendet, gleich mit angedacht. Der Senne muss scheiden, sagt Schiller, der Sommer ist hin. Ist hin, wiederholt Schumann und setzt ein berückendes Nachspiel an, das dem Vorspiel spiegelbildlich entspricht. In der Wiederholung des ewig Gleichen ist alles konstant. Zumindest bei Schumann ist der Sommer rund und hat, für die dunkle Zeit, einen hellen Nachklang.

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Walt Kowalski | So., 27. August 2017 - 10:59

Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden. Lukas 24, 29.

Peter Weih | So., 27. August 2017 - 15:53

Klingt ziemlich depressiv und errinert mich an etliche Beschreibungen der Jahre vor 1914... Ein untrügliches Zeichen von heraufziehenden schweren Krisen ist der kollektive Wahnsinn, der die Menschen und ganze Gesellschaften vor der eigentlichen Katastrophe überfällt.

Wolfgang Tröbner | Mo., 28. August 2017 - 10:49

Antwort auf von Peter Weih

"Ein untrügliches Zeichen von heraufziehenden schweren Krisen ist der kollektive Wahnsinn, der die Menschen und ganze Gesellschaften vor der eigentlichen Katastrophe überfällt". Ziemlich auf den Punkt gebracht!

Ursula Schneider | So., 27. August 2017 - 16:50

Erinnert eher an einen Herbststurm, bei dem alles durcheinandergewirbelt wird.
Waldbrände und "Oberfeuerteufel" Trump, Tornados und Terrorattacken, Lady Di, die Ikone der Regenbogenpresse, und unser langweiliger Wahlkampf ...

Ja, wo steuern wir denn nun hin und was haben uns die vergangenen Monate gelehrt, wie im Vorspann gefragt wird?
Halb sechs am Morgen ist wohl doch noch ein wenig früh für solchen Fragen ...

ingrid Dietz | Mo., 28. August 2017 - 01:44

Außer, dass in unserer Straße an fast allen Laternenpfosten Groß-Portraits von Kandidaten befestigt sind - die eher an eine neue Art der Single-Vermarktung erinnern - ist zumindest im kleinen Saarland nichts von einem Wahlkampf einer nicht unwichtigen Bundestagswahl zu sehen und zu hören.
Aber vielleicht liegt es daran, dass das Saarland ja das Land ist, wo der Hase und der Igel sich Gute-Nacht wünschen.

Hermann J Stirken | Mo., 28. August 2017 - 08:36

Ganz richtig haben Sie festgestellt Frau Bergk, dass sich unsere Leben verändert hat.Unbefangenheit ist einer Unsicherheit gewichen. Trotzig stemmen sich sich die Politiker dagegen indem sie bekunden, dass wir unser Leben nicht ändern lassen. Tatsache ist: Es hat sich geändert, die Schergen des IS haben ihre Drohung wahr gemacht und uns im Herzen der Gesellschaft verwundet. Europa droht zu zerbrechen, die nationalen Parteien in allen Ländern erstarken. Was geschieht bei den nächsten Wahlen? Haben diese Parteien dann die Mehrheiten ? Herr Schulz führt einen Wahlkampf an den Sorgen der Bürger vorbei: Soziale Gerechtigkeit ! Was für ein Schlagwort, das so umkonkret ist, dass der Ruf danach ins Leere geht. Was tut Merkel? Sie lächelt, verkündet keine Inhalte und stellt sich als Bewahrern der Stabilität dar. Aber ist sie mit ihrer impulsiven von keiner Strategie getragenen Entscheidungskompetenz nicht das Problem. Was wird der Wähler am 24.9. tun.

Frank Goller | Mo., 28. August 2017 - 10:25

Antwort auf von Hermann J Stirken

Ich denke in Zukunft werden 3-4 ? Koalitionspartner zur Regierungsbildung nötig sein. Zumindest in meinem Bekanntenkreis ( Mittelstand ) ist noch unklar was gewählt wird. Merkel und Schulz sind es nicht, ich denke die kleineren Parteien werden von der Unschlüssigkeit profitieren und werden als "Protestwahl" herhalten müssen.
Die Umfragen sind Makulatur, bei ca. 47 % Unentschlossenen.

Wolfgang Tröbner | Mo., 28. August 2017 - 10:44

Antwort auf von Hermann J Stirken

Herr Stirken, ich weiß nicht, wo Sie das hernehmen. Unsere Politiker stemmen sich dagegen? Unsere Politiker machen nichts, aber wirklich nichts dagegen. Sie lassen die Dinge einfach weiterlaufen und behaupten, man könne nichts tun.

Werter Herr Tröbner,

im Ergebnis bin ich Ihrer Meinung, deshalb habe ich die verbale Bekundungen der Politiker in den Medien betont. Dass diese tatsächlich nicht aktiv werden, zeigt das desaströse Scheitern der Abschiebepolitik, selbst von Gefährdern Laute Worte ohne Inhalt. Aber, wer von Personenschützern umgeben reist, hat dieses Problem eh nicht. Der Staat fängt an, vor diesen Problemen zu kapitulieren. Dieses Phänomen wird im Ausland genauer analysiert, siehe Times letzte Woche. Das Wählervolk in Deutschland wird da eher beruhigt.

Hermann J Stirken | Mo., 28. August 2017 - 09:00

Kommt eine große Überraschung heraus, oder lassen wir uns weiter von Floskeln den Blick auf die Realitäten vernebeln. Wahrscheinlich wird diese BK es wieder schaffen. Eine BK, deren Amtszeit wahrscheinlich als die mit großen Fehlentscheidungen in die Geschichte eingehen wird und die die Polarisierung Europas initiiert hat. Wenn die großen Parteien es nicht schaffen, sich personell zu erneuern, wird der Trend zu nationalen Parteien zunehmen. Dies wird nicht nur in Deutschland so sein, sondern auch in Frankreich, Holland und Italien.
Es fehlt eine charismatische junge Person wie ehemals Kohl, Brand oder Schröder, die die Bürger in Europa für eine vernünftige Zusammenarbeit gewinnen kann. Eine Person, die nicht in Urlaub fährt während die Autoindustrie Personen wie Herrn Dobrindt; dem Wegezollminister; auf der Nase herumtanzen und viele Bürger um ihren Besitzstand fürchten.
Quo Vadis CDU, SPD? Irrfahrt im Nebel oder Kurskorrektur?

Schulz, Irmgard | Mo., 28. August 2017 - 11:50

der noch über einen Rest intuitiver Intelligenz verfügt, muss derzeit mental schon sehr gefestigt sein, um nicht in tiefe Depressionen zu verfallen! "Deutschland, ein Land, in dem wir (nach Ansage unserer Perle aus der Uckermark) gut und gerne leben...", wird in den kommenden Jahren vor Problemen stehen, die sich die meisten Rauten- und Gerechtigkeitsfans offenbar noch gar nicht vorstellen können. Abgesehen vom "täglichen Wahnsinn" reicht schon ein Blick auf die - nicht weiß gewaschenen - Prognosen unseres globalen Finanz- und Wirtschaftssystems, das einem das Blut in den Adern gefrieren läßt.

Bernd Fischer | Mo., 28. August 2017 - 20:31

diesen Sommer war auch das in "Loch Ness" Nessie nicht aufgetaucht ist. :-))

Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 31. August 2017 - 12:06

über Diana, die Löwin ihrer Kinder und auch eine Löwin des British Empire.
Ich habe geweint, nicht weil mal wieder eine arme Frau auf der Welt ungerecht zu Tode kam, sondern weil Diana diese alle "verkörperte".
Sie gehörte längst der ganzen Welt, hatte dadurch enormen politischen Einfluss, konnte aber in ihren jungen Jahren noch nicht damit umgehen, auch nicht mit der Sexualität eines älteren und erfahrenen Mannes.
Der evtl. auch im System Krone gefangen war.
Das Mätressensystem gab es so und so.
Mal wurden Prinzen schlicht wildfremd verheiratet, mal mußten sie gentechnisch und machtpolitisch ihren Tribut zahlen. Mir wäre Macht das nicht wert.
Charles hätte sich eine Trennung von Camilla evtl. nicht leisten können?
Ich gönne ihm seine zweite Ehe, hoffe nur, dass Dianas Kinder ausserhalb dieser 2. Ehe sicher sind.
Elizabeth II konnte Philip wählen, Charles Diana.
Die umgekehrten Machtinsignien waren keine Garantie.
Elizabeth zu starr. Diana zu jung.
Beide starke Mütter!