Der Oppositionellen Alexej Nawalny nimmt am 26.02.2017 an einer Demonstration in Moskau teil.
Alexej Nawalny: Die Protestbewegung in Russland neu erfunden / picture alliance

Alexej Nawalny - Angriff auf das System Putin

Der inhaftierte Oppositionspolitiker Alexej Nawalny hat kein Programm und nur zwei Prozent der Russen würden ihn zum Präsidenten wählen. Dass er Wladimir Putin trotzdem gefährlich werden könnte, hat vor allem mit dem Internet zu tun

Autoreninfo

Maxim Kireev studierte VWL an der Universität zu Köln und absolvierte die Kölner Journalistenschule. Er ist gebürtiger Sankt-Petersburger und kam mit 10 Jahren nach Deutschland. Seit 2010 lebt er wieder in Russland und berichtet für verschiedene deutsche Medien über russische Politik und Wirtschaft.

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Noch im Hauseingang hatten ihn die Polizisten geschnappt. Alexej Nawalny wollte gerade von seiner Wohnung am Moskauer Stadtrand ins Zentrum aufbrechen. Nur einige Stunden zuvor hatte der Oppositionelle seine Anhänger zu einer nicht genehmigten Demo auf der Twerskaja-Straße unweit des Kremls aufgerufen. Für die ursprünglich genehmigte Demo an einem weniger zentralen Ort hatte sein Team nach eigener Aussage keinen Lieferanten von Bühnen- und Soundtechnik gefunden. Angeblich soll die Stadtverwaltung den Firmen gedroht haben. Eine Erniedrigung, die sich Nawalny nicht gefallen lassen wollte. Deshalb bestimmte er selbst den Ort der Kundgebung. Eine Frechheit, die sich der russische Machtapparat mit Wladimir Putin an der Spitze nicht bieten lassen will, weshalb Nawalny die kommenden vier Wochen hinter Gittern verbringen wird.

Noch nie so populär wie jetzt

Am Abend des 12. Juni waren allein in Moskau und Sankt Petersburg etwa 1500 Menschen in Polizeigewahrsam, weil sie dem Aufruf des Anti-Korruptions-Aktivisten gefolgt sind, sich an nicht genehmigten Demos zu beteiligen. Die Teilnehmerzahlen dürften in die Zehntausende gegangen sein.

Knapp ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen befindet sich der Putingegner, obwohl nun vorläufig hinter Gittern, auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Zwar würden aktuell nur zwei Prozent der Russen ihm bei einer Wahl die Stimme geben. Immerhin aber kennt ihn jetzt Umfragen zufolge mehr als die Hälfte der Russen.

Protestbewegung neu erfunden

Nawalny hat es geschafft, die Protestbewegung neu zu erfinden, die nach der Ukraine-Krise beinahe zum Erliegen gekommen war. Eigentlich darf er nicht bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren. Denn er ist nach einem, von Beobachtern als fingiert bezeichneten, Prozess vorbestraft. Trotzdem führt Nawalny einen für russische Verhältnisse beispiellosen Wahlkampf. Finanziert wird dieser größtenteils über Spenden. Seit Wochen hat er Dutzende Provinzstädte im Land bereist und Vertretungen seiner Bewegung gegründet. Die sogenannten Regionalstäbe helfen dabei, Kundgebungen auch in entlegenen Provinzstädten auf die Beine zu stellen. Auch das hat in der Ära Putin noch kein Oppositioneller geschafft.

Aber wie ist es überhaupt möglich, dass im System Putin ein Politiker wie Nawalny existiert? Es ist vor allem die Inkompetenz der restlichen Opposition, die Nawalny in gutem Licht dastehen lässt. Der stets gepflegt auftretende Moskauer Jurist ist eloquent und beherrscht als einer der wenigen Oppositionellen die Kunst der öffentlichen Rede. Dabei war er noch vor wenigen Jahren vor allem ein Blogger und Aktivist. Als solcher kaufte er sich bei Konzernen ein und forderte als Kleinaktionär die Herausgabe wichtiger Dokumente. Das Ziel: Die Korruption bei Staatskonzernen aufdecken.

Früher machte er auch Stimmung gegen Fremde 

In seinen Blogs machte Nawalny zudem hin uns wieder offen fremdenfeindliche Aussagen. So bezeichnete er Georgier während des Ossetien-Konflikts als Nagetiere und machte Stimmung gegen Gastarbeiter, ein Thema, das damals vielen Moskauern unter den Nägeln brannte, in den wichtigsten Medien des Landes jedoch Tabu blieb. Seine Sternstunde folgte während der Proteste gegen die fingierten Wahlen 2011. Damals prägte er den Spitznamen „Partei der Gauner und Diebe“ für die Regierungspartei „Einiges Russland“.  

Heute hat der 41-Jährige Kreide gefressen. Fremdenfeindliche Parolen sind inzwischen tabu. Auch weil Zuwanderung im russischen Alltag längst nicht mehr als ein so wichtiges Thema gesehen wird. In Interviews reagiert er meist allergisch auf den Versuch, ihn im politischen Spektrum rechts oder links einzuordnen.

Wohl auch, um keinem Lager zugerechnet zu werden. Schließlich haftet fast allen oppositionellen Politikern in Russland, egal ob liberal oder nationalistisch, die Aura der ewigen Verlierer an. Eine Plakette die Nawalny um alles in der Welt verhindern will und die er seiner oppositionellen Konkurrenz selbst gerne austeilt. Diese wirft ihm stattdessen vor, kein echtes Programm, sondern nur eine Ansammlung populistischer Forderungen anzubieten, etwa eine Vervielfachung des Mindestlohns von rund 105 auf 400 Euro im Monat.

Programm bleibt dünn

Tatsächlich ist es auch nach der Lektüre von Nawalnys kurzem Programm schwer zu sagen, für was er steht. Stattdessen hat er auf sein wichtigstes Thema zurückbesonnen: den Kampf gegen die Korruption. Im März produzierte sein Team einen 45-minütigen Film über die korrupten Verstrickungen von Ministerpräsident Dimitri Medwedew.

Allein auf dem Youtube-Kanal von Nawalny haben den Film bereits 22 Millionen Menschen gesehen. Der Film war es auch, der erstmals seit Jahren viele junge Russen auf die Straße trieb, darunter sogar einige Schüler. Dass die Korruptionsdemos Ende März fast flächendeckend im ganzen Land stattfanden, grenzt eigentlich an eine Sensation.

Das Internet als Waffe

Anders als die meisten anderen Oppositionellen und Kremlpolitiker hat es Nawalny verstanden, das Internet für seine Zwecke zu nutzen. Und zwar nicht bloß als Plattform für eigene Werbung, sondern als alternative Quelle für hochwertig aufbereitete Information. Während andere Regimekritiker bei jeder Gelegenheit betonen, keine Plattform in den Medien zu bekommen, schuf Nawalny einfach seine eigenen Kommunikationskanäle. Allein auf seinem Youtube-Kanal gibt es mehrere regelmäßige Sendungen, zum Beispiel die tägliche Morgenshow „Kaktus“, bei der mitunter bis zu 300.000 Nutzer einschalten.

Für Nawalny ist klar, dass seine Aussichten, zur Wahl zugelassen zu werden, äußerst gering sind. Daher braucht er die Unterstützung von der Straße, auch dann, wenn der Staat mal keine Genehmigung erteilt. Dazu ist ein direkter Draht zu den Jungen und Aktiven unerlässlich. Ein detailliertes Wahlprogramm oder die Arbeit mit klassischen Wählerschichten wie Rentnern und Staatsbeamten kann aus Sicht Nawalnys warten. Damit diese Wette aufgeht, muss er langsam die Einsätze erhöhen. Die zahlenmäßig erfolgreichen, unangemeldeten Demonstrationen vom Montag waren ein erster Schritt in diese Richtung. Die große Frage bleibt jedoch, wie weit die Protestler in den Straßen von Moskau bereit sind, ihm zu folgen. 

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Paul Lücking | Fr., 16. Juni 2017 - 11:00

endlich einen Schritt in Sachen Abrüstung, Korruption, und Meinungsfreiheit voran zu kommen.
Die Hälfte der russischen Oligarchen, von denen nicht wenige übrigens eine KGB Vergangenheit haben, lebt ohnehin in der City of London. Und Putin hat sich laut Anne Applebaum oder Zbigniew Brzeziński ein Vermögen von 20 Mia erklaut.
Die nächsten Jahre wird sich entscheiden, ob Russland vom Gangsterstaat zur Freiheit oder gar zurück in die militaristische sowjetische Zukunft findet. Es ist übrigens schon reichlich spät. Die russische Führung hat sich mittlerweile Schlimmeres als nur Korruption zu Schulden kommen lassen. Schließlich war der Tschetschenienkrieg nie von der UN resolutioniert worden, und auch kommen Erinnerung hoch an das Buch von Jürgen Roth über den "Unfall" des Flugzeugs in Smolensk, bei dem hohe Mitglieder unseres polnischen Nachbaren auf russischem Boden bisher ungeklärt starben.

Erster "spuck" von der Seite Spiegel, Bild usw. der von ihnen, Herr Lücking, auf den Cicero -seiten verbreitet sein soll. Leider sind sie nur einseitig (ob richtig?) Informiert worden. Informationen holt -mann sich vielseitig, und nicht nur bei oben genannten.
Was dass „oder gar zurück in die militaristische“ betrifft ist nichts anderes als die Antwort auf Aggression des NATO ,US und Westens die immer näher an die grenzen zu Russland treten.. Glauben Sie Bitte nicht an Tante Emma -erzählungen in der Politik, und informieren Sie sich nicht nur im Bild oder Sapiegel. Alles Gute.

Eine Replik an Ihnen:
1. Die Rüstungsausgaben der EU - Staaten übersteigen die von Russland um ein vielfaches.
2. Natürlich ist die Korruption in der EU oder in der westlichen " Wertegemeinschaft" ein absolutes Fremdwort.
3. Bereitet nicht unser "allseits geliebter" Justizminister ein Zensurgesetz vor , wo "Privatpersonen" entscheiden was "Rechtens" ist?
4. Und was die Kriege der "westlichen Wertegemeinschaft" die nicht von der UNO "genehmigt" worden sind , haben Sie sicherlich auch noch nichts gehört.

Denken Sie mal bitte etwas über Ihren Tellerrand hinaus.

Schöne Woche noch.

Rudi Ehm | Fr., 16. Juni 2017 - 14:04

Ja, baut ihn nur auf. Der Held der Sowjetunion. Alles was nur nach Opposition aussieht, muss im Sinne Deutschlands vermerkelt werden.
Mit russischen Geschäftsfreunden Kontak gehabt, die kennen den Mann überhaupt nicht. Gut, das könnten Ignoranten sein, aber sie sind Kapitalisten, wie die meisten Russen auch. Leute, an wen hängt ich euch hier im Westen und wer soll folgen? Schlimmstentfalls was?

Ulrich Bohl | Fr., 16. Juni 2017 - 17:21

Es wäre sehr interessant einmal zu erfahren
wer die Spender sind.
Man kann Putin kritisieren aber hier wird er
für alles verantwortlich gemacht, dadurch
entstehen berechtigte Zweifel bzgl. der
Art und Größe der Spenden und welche Ziele
die Spender wirklich verfolgen. Kommen die
Spenden evtl aus dem Ausland?

Juliana Keppelen | Fr., 16. Juni 2017 - 17:31

Nein Herr Nawalny wird das System Putin nicht gefährden so wenig wie "Pegida" das System Merkel gefährden können. Und in Spanien und Italien gingen auch schon Hunderttausende gegen Korruption auf die Straße auch gegen massivsten Polizeieinsatz in Spanien und die alten Korrupten sitzen immer noch fest im Sattel. Also gegen Korruption zu demonstrieren ist ehrenwert nur Herrn Nawalny nehme ich diesen Kampf nur für das Gute nicht so richtig ab. Außerdem sind die Russen sehr misstrauisch sollte ein Kandidat den Ruf haben von außen gesponsert zu sein wird er keine Chance haben.

Rudolf Bosse | Fr., 16. Juni 2017 - 17:52

Sollten Herrn Kireew die zahlreichen NGOs auch in Rußland nicht bekannt sein? Dann sollte er auch auf sie eingehen. Bekanntlich sind sie überall die Vorboten von bunten Revolutionen gewesen.

Und diese bunten "Revolutionen" haben in der Regel ein paar Aktionäre reich gemacht und die Waffenindustrie. Und den "befreiten" Völkern Not, Tot und Elend und vollkommen destabilisierte Staatswesen gebracht. Aber was tut man nicht alles für "Demokratie" ach und nicht vergessen "Pressefreiheit".

Ruth Müller | Fr., 16. Juni 2017 - 18:45

Die Nawalnys bei uns.
1. Nicht genehmigte Demonstrationen sind in der BRD verboten und werden aufgelöst.
2. Kampf gegen Parteikungeleien und Korruption - siehe Schönefeld, Nürnberger Ring, Stuttgart 21, beugen der Rechtslage, etc. wird bei uns verweigert bzw. verschleppt.
3. Aktivitäten im Internet werden gesperrt, überwacht, verboten, und drakonisch in Einzelfällen bestraft.
4. ...
5. ...
...

Er äußerte sich gegen Minderheiten etc. ...
Kommt das uns bekannt vor?
In welcher Partei wäre Nawalny in Deutschland?

Das berühmte ABER - da er bei den Russen Unruhe stiftet ist er ein Demokrat im grün-westlichen Sinne. Die Hochrechnung seines möglichen Wahlerfolges liegt bei 2% also realistisch bei 1% - meine Frage wäre: über wenn wird hier berichtet?

99% vs 1% - ein Witz würde mein Vater sagen.

Wir sollten uns nicht mit Nawalnys 1% beschäftigen sondern mit dem "kläglichen Rest" .

Unsere Aufmerksamkeit sollte den 99% gelten damit wir in Frieden miteinander auskommen!

Ingo Neubert | Sa., 17. Juni 2017 - 11:17

Über die Internetplattfprm sind Spenden per Überweisung, Kreditkarte, Paypal etc möglich. Ausländer sind laut den Geschäftsbedingungen explizit ausgeschlossen.
Nur soviel dazu.

Dr. Lothar Sukstorf | Sa., 17. Juni 2017 - 12:33

Was bitteschön, ist denn das System Putin? Da wird mit einem Angriff auf das System Putin aufgemacht, aber keine Silbe darüber, wie das System Putin denn gestaltet und strukturiert ist. Ist das Journalismus?
Wir kennen alle mehr oder weniger das System Merkel, wenn man davon reden kann, daß sie mit Friede Springer und der Mohn-Partonin eng befreundet ist, denn das reicht allemal, um in D. Macht zu erlangen und zu behaupten...aber kennen wir das System Putin. Da ist die Rede von Korruption, Bereicherung, Geldentfremdung, Kumpanei...nur, ist, können wir das Alles beweisen? Was, also ist das System Putin? Ich bitte um Aufklärung vom Cicero!

Wilhelm Maier | Sa., 17. Juni 2017 - 18:26

Maxim Kireev sehe ich als Hassprediger Richtung Russland. Der Mann ist irgendwie auf Russlands-feinde--seite immer da. In denn letzten Jahren nur noch negatives in fasst allen berichten. Für mich einfach unglaubwürdig, wenn nicht mehr! Der Mann muss doch auf ein Auge blind sein?
Schade, das er noch auf Cicero -seiten seine Propaganda berichten verbreiten kann..
Stellen sie sich vor, das Lutz Bachmann und er ist ein deutscher politischer Aktivist, sich im September als Bundeskanzler zur Wahl stellt!. So ist es auch mit Nawalny der als Anarchist! (meine meinnnung) in die Welt schaut, und nur für Unruhe stiftet. Oder die Spenden so teilweise noch abschreiben kann, egal in welche währung.
Silberlinge halt...