Menschen liegen auf Steintreppenstufen in der Sonne von Tel Aviv
Die Sonne und das Leben genießen trotz permanenter Terrorgefahr? Alltag in Tel Aviv / picture alliance

Gesellschaftskritik - Die Ermatteten

Kolumne: Brief aus Tel Aviv. Lange war Deutschland ein Land des Konsenses. Doch seit der Terror vor der eigenen Haustür angekommen ist, driftet die Gesellschaft auseinander, die Zukunft scheint ungewiss – ein Prozess, den die Israelis schon lange kennen. Nur reagieren sie ganz anders

Autoreninfo

Die Schriftstellerin Sarah Stricker lebt seit acht Jahren in Tel Aviv. Ihr Debütroman „Fünf Kopeken“ (Eichborn) wurde unter anderem mit dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet, dem höchst dotierten Preis für ein deutschsprachiges Erstlingswerk, und wird derzeit in mehrere Sprachen übersetzt.

So erreichen Sie Sarah Stricker:

Als ich Ende 2009 von Berlin nach Tel Aviv zog, verließ ich ein Land, das keine nennenswerten Probleme hatte. Gut, die Mieten stiegen, die Löhne fielen, Karstadt-Pleite, Schweinegrippe, Stuttgart 21, schon klar. Aber im Vergleich zu Israel, wo man bisweilen eine Benachrichtigung im Briefkasten vorfindet, dass man sich doch bitte seine neue Gasmaske abholen möge, wo eine liegengelassene Tasche dazu führt, dass die Straße gesperrt wird und ein kleiner Roboter kommt, der sie zur Sprengung bringt, wo überall Schilder stehen, die den nächstgelegenen Bunker ausweisen und Menschen meines Alters ihre Kindheitserinnerungen anhand des dazugehörigen Kriegs verorten – im Vergleich zu all dem schienen mir die Sorgen der Deutschen dann doch, ich sag mal, überschaubar.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich meinen deutschen Freunden in den ersten Monaten mit diesen „im Vergleich dazu“-Sätzen gewaltig auf den Geist ging, dass ich bisweilen arg zu einem leicht spöttelnden, leicht herablassenden „Ihr wisst ja gar nicht, wie gut ihr’s habt, Kinder“-Ton neigte, der mir natürlich tatsächlich überhaupt nicht zustand. Zum einen, weil ich mir den Umzug nach Israel selbst ausgesucht hatte. Zum anderen, weil es ja völlig normal und verständlich und auch absolut richtig ist, dass einem die eigenen Probleme die wichtigsten sind; weil die Vorstellung, das eigene Schicksal würde dadurch leichter, dass es andere noch härter getroffen hat, an der menschlichen Natur vorbeigeht; weil der Rosenkohl nicht besser schmeckt, nur weil die Kinder in Afrika Hunger leiden, und ein gebrochenes Herz nun mal schweineweh tut, auch dann, wenn anderswo Raketen fliegen.

Auch in Israel keine pausenlose Angst

Vor allem aber war die Überheblichkeit auch ziemlich unehrlich, denn natürlich lebte ich in Israel nicht pausenlos in Angst. Ich glaube, ich habe mal irgendwo ein irisches Sprichwort gelesen: „Der Mensch gewöhnt sich an alles, selbst an einen Strick um den Hals.“ Anfangs riefen mir die bewaffneten Sicherheitsleute vor dem Einkaufszentrum die Bedrohung noch unangenehm ins Bewusstsein. Nach einer Weile gaben sie mir ein Gefühl der Sicherheit. Noch ein bisschen später nahm ich sie nur noch wahr, wenn ich Besuch aus Deutschland hatte, was ziemlich oft vorkam, denn ein paar der Freunde wollten sich das Ganze dann doch mal selbst ansehen.

Die einen waren überrascht, wie viel säkularer und linker und weltoffener die Israelis waren, als sie gedacht hatten. Die anderen waren schockiert, wie viel religiöser und rechter und rassistischer die Israelis waren, als sie gehofft hatten. Aber ein Begriff, der nahezu immer fiel, war der der „Energie“ – was für eine irre Energie dieses Land habe, wie man die überall spüre, wie sie sich fast zwangsläufig auf einen selbst übertrage.

Das mag damit zu tun haben, dass der Staat noch so jung ist, noch im Wachsen, die Dinge in Bewegung, dass vieles von dem, was bei uns als gesetzt gilt (oder es zumindest bis vor kurzem noch galt), sich hier erst noch entwickeln muss.

Die alltägliche Bedrohung vergisst man nicht

Es kann daran liegen, dass die Menschen, die diesen Staat aufgebaut haben, oft nicht viel mehr miteinander gemein hatten, als dass sie nirgendwo anders bleiben konnten, und die Bevölkerung bis heute enorm heterogen ist, – wenn sie der Glas-halb-voll-Typ sind, nennen Sie’s „vielfältig“, die meisten Israelis sprechen eher von „hoffnungslos zerstritten“ – während das Deutschland, in dem ich aufgewachsen bin, eins des Konsenses war, ein Land, in dem Parteien bisweilen absurde Verrenkungen unternehmen mussten, um sich überhaupt voneinander zu unterscheiden, in dem man sich weder sonderlich daran störte, dass ein SPD-Mann eine Agenda aufstellte, die vor allem der CDU gefiel, noch daran, dass die sich mit einer sozialdemokratischen Kanzlerin revanchierte.

Vielleicht liegt es auch an der Bedrohung selbst, daran, dass man sie, bei aller Gewöhnung, dann eben doch nie ganz vergisst, dass niemand weiß, was die nächsten Tage, Wochen, geschweige denn Jahre bringen. Aber Unsicherheit – das mag zynisch klingen, aber es zu leugnen, hieße genauso, die menschliche Natur zu ignorieren – Unsicherheit führt eben immer auch zu einem Gefühl von Lebendigkeit, weckt die Sinne, fordert einen heraus, treibt einen an.

Der Terror vor der eigenen Haustür

Oder zumindest dachte ich das, bis die Flüchtlingskrise begann.

Seither hat sich Deutschland gravierend verändert – die einen sagen wegen der Fremden, die anderen wegen des wachsenden Fremdenhasses. Fest steht, dass die Zeit der großen Einigkeit vorbei ist. Stattdessen erleben die Deutschen zum ersten Mal seit langem einen Mangel an Sicherheit, sowohl, was die Zukunft angeht, was so grundlegende Fragen betrifft, wie die, ob das eigene Land in 10, 20, 30 Jahren noch dem ähnelt, das man kennt, ob es bunter wird oder verschlossener, und was man davon hält; als auch ganz konkret im öffentlichen Raum.

Der Terror ist vor der eigenen Haustür angekommen und mit ihm vieles, was in Israel seit langem zum Alltag gehört. Auch in Deutschland halten jetzt die ersten Katastrophenwarn-Apps Einzug, die per Eilmeldung über mögliche Anschläge informieren, wie es sie in Israel für Raketenanagriffe gibt; auch die Deutschen mussten in den vergangenen Monaten lernen, was es mit dem Sicherheitscheck auf Facebook auf sich hat oder mit jenen Beton-Blöcken am Straßenrand, die in Anlehnung an den Anschlag am französischen Nationalfeiertag vergangenes Jahr meist „Nizza-Sperren“ genannt werden und in Jerusalem bereits seit 2014 an fast jeder Haltestelle eingelassen wurden.

Ich weiß, spätestens ab hier läuft dieser Text Gefahr, ein bisschen nach Schadenfreude zu klingen, nach „jetzt seht ihr endlich mal, mit was wir es hier zu tun haben“. Full disclosure: Bei Teilen der israelischen Bevölkerung mag tatsächlich ein bisschen was davon mitschwingen, was natürlich nicht sonderlich sympathisch, aber nach Jahrzehnten des Terrors, in denen sich das Verständnis der Deutschen doch sehr in Grenzen hielt, in denen ich auf jeden, aber auch wirklich jeden Artikel, den ich je von hier aus geschrieben habe, mindestens ein, zwei Nachrichten bekommen habe, in denen mir erklärt wurde, die Israelis hätten sich das alles schon selbst zuzuschreiben, vielleicht ja auch ein bisschen verständlich ist.

Energie in Israel, Apathie in Deutschland

Aber was auch immer bei mir mal an Spott da war – davon ist jetzt nichts mehr übrig. Vielmehr sehe ich mit Sorge, dass die deutsche Gesellschaft einen Prozess durchmacht, den die Israelis seit langem kennen – nur dass sie statt besagter Jahrzehnte dafür gerade mal zwei Jahre braucht, dass sie die Entwicklungsschritte in einem so irren Tempo durchläuft, dass man sich nicht nur fragt, was denn bitte als nächstes kommen soll; statt mit Energie reagiert sie in weiten Teilen auch eher mit Ermattung, mit Rückzug, mit Apathie.

„Es ist mir ein Rätsel, wie ein Volk, das zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen hat, so schnell ans Ende seiner Kräfte kommen kann“, sagte neulich ein israelischer Freund zu mir, der geschäftlich regelmäßig nach München muss. Seit Jahren übernachtet er immer in derselben Pension. Als er 2015 dort war, erklärte ihm die Besitzerin noch, die Einwanderung sei ein Glück für die kinderarme Bundesrepublik.

Im Herbst 2016 kam er wieder.

Die Flüchtlinge würden das Land kaputt machen, sagte dieselbe Pensionsbesitzerin. Vor kurzem habe sie beim Heimkommen eine Tasche vor der Tür stehenlassen. Nein, die Straße wurde nicht abgesperrt, die Tasche auch nicht gesprengt. „Aber du glaubst es nicht, diese Araber haben meine Einkäufe gestohlen.“

Ob es nicht sein könne, dass die einfach Hunger gehabt hätten, warf der Freund ein.

Das sei ja wohl kein Grund, meinte die Pensionsbesitzerin, es könne doch nicht jeder, wie er wolle, wo bleibe denn die Dankbarkeit, wenn es nach ihr ginge, würden die alle abgeschoben.

Was man wo wie sagen darf

Neulich war er noch einmal da. „Frag nicht“, sagte die Pensionsbesitzerin, noch ehe er etwas sagen konnte. Sie schaue schon gar keine Nachrichten mehr, sonst kriege sie die ganze Nacht kein Auge zu. Es werde ihr alles zu viel, die Welt immer schlimmer, man wisse gar nicht, wo einem der Kopf stünde. „Aber man darf ja nichts mehr sagen“, schob sie hinterher, „sonst ist man gleich Rassist.“

Letzteres höre auch ich ständig, das heißt, zumindest der erste Teil der Aussage ist immer mehr oder minder derselbe. Der zweite Teil, das „Sonst“, nimmt hingegen höchst unterschiedliche Formen an. Es gibt die Variante: Man darf ja nichts mehr sagen, sonst gilt man als AfD-ler. Als Pegida-Anhänger. Als Nazi. Aber auch: Man darf ja nichts mehr sagen, sonst gilt man als Gutmensch. Als gehirngewaschen. Als hoffnungslos naiv.

Nun verliert der Satz natürlich schon dadurch an Überzeugungskraft, dass er von so vielen aus so vielen Richtungen auf einmal geäußert wird. Dass er zu implizieren versucht, man stünde allein auf weiter Flur und müsse sich gegen eine Übermacht Andersdenkender zur Wehr setzen, es aber nun mal logisch unmöglich ist, dass ALLE gleichzeitig Teil der Minderheit sind.

Zum anderen zeigt sich in ihm aber auch ein bedenklich leichtfertiger Umgang mit dem Wort „dürfen“. Der saudische Blogger Raif Badawi veröffentliche 2011 mehrere Beiträge, in denen er islamische Autoritäten beleidigt und Muslime, Christen, Juden und Atheisten als gleichwertig bezeichnet haben soll. Er bekam dafür zehn Jahre Haft und 1000 Peitschenhiebe. Der chinesische Internet-Dissident He Weihua schrieb 2007 über Korruption in der Kommunistischen Partei Chinas. Er wurde daraufhin in eine psychiatrische Anstalt zwangseingewiesen. Fragen Sie mal den Welt-Reporter Deniz Yücel, was man in der Türkei sagen darf und was nicht.

Etwas nicht zu dürfen, bedeutet, dass Zuwiderhandlung geahndet wird. Ja, wenn Sie Politiker, Schauspieler oder sonst ein in der Öffentlichkeit stehender Mensch sind und sich dezidiert positiv oder negativ über Einwanderer äußern, besteht die Gefahr, dass ein Shit-Storm über Sie herein bricht, dass Sie Amt, Rolle, Buchvertrag oder ähnliches verlieren, im schlimmsten Fall Ihren Ruf. Ich will das nicht kleinreden; tatsächlich ist es besorgniserregend, dass viele der Demokratie so wenig zutrauen, dass sie glauben, jeder, der etwas extrem Rechtes oder Linkes oder auch einfach nur extrem Dummes von sich gibt, müsse aus der Gemeinschaft der Wohlanständigen ausgeschlossen werden. Aber für die meisten, die von angeblichen Sprech- oder Denkverboten reden, beschränken sich die Repressalien dann doch eher auf schräge Blicke, den einen oder anderen Protest, ein abgesprochenes Gespräch. Tatsächlich darf man in Deutschland so ziemlich alles sagen – nur eben nicht unwidersprochen.

Das scheint für viele aber schon mehr zu sein, als sie stemmen können. Oder wollen.

Über Politik reden? Besser nicht

In den vergangenen Wochen haben sich drei meiner Freunde von Facebook abgemeldet, mit der Begründung, die Plattform tue ihrer seelischen Gesundheit nicht mehr gut. Nun bin ich die Erste, die es versteht, wenn jemand mit seiner Zeit etwas anderes anfangen möchte, als sich das hundertste „Zehen im Sand“-Foto anzusehen. Aber den Dreien schien es gerade ums Gegenteil zu gehen. Eine schrieb wörtlich (denn um einfach zu verschwinden, ist man dem Medium dann doch zu verbunden): „Früher war Facebook etwas Positives für mich, wo man mitbekam, wenn jemand ein Kind gekriegt oder einen schönen Urlaub gemacht hat. Aber jetzt gibt es hier nur noch endlose Diskussionen. Das will ich mir nicht mehr geben.“

Natürlich mag da auch mit reinspielen, dass man sich Facebook-Freunde oft eher zufällig zuzieht und einen deren Meinung im Zweifelfall nicht sonderlich interessiert, dass die Umgangsformen gern ruppig und die Argumente nicht zwangsläufig bereichernd sind. Aber auch unter meinen analogen Freunden kommt es immer häufiger vor, dass jemand zu Beginn des Telefonats erstmal vorausschickt, dass er nicht über Politik reden wolle. Dass einer ein Familienessen schwänzt, weil er der Diskussion mit der immer fanatischer werdenden Schwester aus dem Weg gehen möchte. Dass sie sich darüber beklagen, wie sehr ihnen die aktuelle Lage zusetze, dass sie müde seien, eine Pause bräuchten.

Die wünschen sich die Israelis auch. Auch sie sind zermürbt, desillusioniert, wahrscheinlich noch viel desillusionierter als die Deutschen. Oder zumindest tun sie das mal gerne kund, denn Pessimismus gehört hier quasi zum guten Ton. Letzten Samstag war ich auf der Großkundgebung in Tel Aviv gegen die Besatzung des Westjordanlands, die diese Woche ihr trauriges 50-jähriges Jubiläum feiert. Jedes Mal, wenn einer der Redner das Wort „Hoffnung“ in den Mund nahm, stießen die Jungs neben mir ein heiseres Lachen aus, so sehr passten sie auf, auch ja nicht als Optimisten verkannt zu werden.

Leitkultur statt Streitkultur

Aber sie kamen trotzdem. Und mit ihnen rund 20.000 Demonstranten. Das mag angesichts der Tragweite des Themas wenig sein. Aber: Viele von ihnen machen das seit 50 Jahren. Diskutieren. Protestieren. Gegen alle Widerstände. Von außen. Von innen. Streiten weiter, vielleicht, weil sie sowas wie Einklang gar nicht kennen, vielleicht, weil sie einfach nicht anders können.

In Deutschland hingegen reden wir dieser Tage nicht über Streitkultur, sondern über Leitkultur, scheint es eine schier unbändige Sehnsucht zu geben, sich auf etwas Verbindendes, Verbindliches zu einigen, eine Sehnsucht nach jener Homogenität, die es einem erlaubte, seine Meinung zu äußern, ohne größeren Gegenwind fürchten zu müssen.

Ja, es gibt sie natürlich, die Engagierten, sowohl die, die lautstark eine Schließung der Grenzen fordern, als auch jene, die bei sich zu Hause Flüchtlinge aufnehmen. Aber nach der kurzen Euphorie 2015, als so mancher die Republik am Scheideweg sah und sich in die eine oder andere Richtung aufmachte, weisen viele heute einen Erschöpfungsgrad auf, als stünden sie seit Jahren unter Dauerstrom. Auch das ist völlig verständlich, zeugt sicher auch von Empathie, davon, dass einen die Situation nicht kalt lässt, man sie sich zu Herzen nimmt. Aber: Es geht gerade erst los. Ja, die Lage ist schwer. Aber es ist nicht davon auszugehen, dass sie auf absehbare Zeit leichter wird. Wem etwas an seinem Land liegt, der legt sich dafür an. Ruhiger Schlaf kann da nicht das Maß aller Dinge sein.

Einen Satz, den man in Israel oft hört, ist: Was dich nicht umbringt, macht dich stärker. Ich halte diesen Satz für falsch. Manche werden durchaus auch schwächer, halten der Belastung nicht stand, zerbrechen daran. Was ich jedoch glaube, ist, dass die Frage, ob man nun zur einen oder anderen Gruppe zählt, keine ist, die das Schicksal für einen beantwortet. Vielmehr ist es eine Entscheidung, ob man aus einer Krise Stärke zieht, oder sich unterkriegen lässt.

Oder zumindest bin ich noch so sehr Deutsche, dass ich an solchen Hoffnungen festhalte.

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Gerdi Franke | Mo., 5. Juni 2017 - 10:55

Früher hatten wir eine Kanzlerin die für Konsens im Lande gesorgt hat. Jetzt hat sie angefangen mit ihren "Bauchentscheidungen" gegen den Bürger zu regieren. Ob Energiekonzept oder Flüchtlingskonzept, die Kanzlerin spaltet die Bevölkerung immer mehr. "Wem etwas an seinem Land liegt, der legt sich dafür an". Notfalls auch mit der Kanzlerin.

Peter Dietermann | Mo., 5. Juni 2017 - 11:21

Als ich vor ca. 15 Jahren in Israel zu Besuch war, dachte ich bei dem Anblick all der Sicherungsmaßnahmen dort dran, wir großartig, dass in Europa die Zeit der Kriege vorbei ist und Europa eine so friedliche Region geworden ist. Ich hätte nicht gedacht, dass 15 Jahre später auch in Europa Polizisten und Militärs mit Militärs rumlaufen, und es ein wachsende Zahl von "Gefährdern" und Salafisten gibt und die friedliche Zeit auch in Europa vorbei ist, und zwar auch in Europa wegen radikalisierter Muslime, also von Angehörigen einer Religion die in Fall von Westeuropa allerdings, anders als in Israel, vor ein paar Jahrzehnten in dieser Region noch fast nicht präsent war.

Mir persönlich gefällt jedenfalls das angeblich "beste Deutschland" das wir je hatten nicht. Ich fand die Konsensgesellschaft entschieden besser.

Klaus Wenzel | Mo., 5. Juni 2017 - 11:39

Deutschland hatte sich mE. bis etwa 2015 wohlig in der wohlhabenden Provinzialität eingerichtet. Die Rolle des Weltsheriffs war besetzt, die EU wucherte bürokratisch und die Anliegen der Parteien schwankten zwischen "Sie kennen mich", "Lebensleistungsrente" für gut versorgte Facharbeiter oder dem vegetarischen Kantinentag. Wir wurden älter und gesetzter. Die Weltkrisen schienen weit weg zu sein. "Plötzlich und unerwartet", obwohl lange vorhersehbar für Politiker und Nachrichtendienste, rückten uns die Probleme Afrikas und Arabiens auf die Pelle - und trafen auf eine völlig überforderte Bundesregierung und eine überraschte Bevölkerung. Typisch deutsch waren die Reaktionen, die entweder in allen Migranten Lichtgestalten, beinahe Erlöser, sahen oder sie als potentielle Terroristen betrachteten. Leider haben wir die politische Debatte verlernt und auch die Suche nach pragmatischen, rationalen Lösungen der Massenmigration und anderer Probleme ist unterentwickelt, stattdessen regiert Gefühl

Christiane Bohm | Mo., 5. Juni 2017 - 20:34

Antwort auf von Klaus Wenzel

Richtig, es regiert das Gefühl. Wann regiert man über das Gefühl`? Wenn man die Massen in eine Richtung bringen will, dass geht über das Gefühl, nicht über die Ratio. Größtenteils hat das auch funktioniert, die Presse hatte immer die richtigen Geschichten dazu parat. Mich wundert nur, dass sich so viele von faktenarmer Alternativlosigkeit haben rumkriegen lassen.

Reinhard Oldemeier | Mo., 5. Juni 2017 - 11:43

und da sag einer die jungen Menschen wären nicht politisch.
Unsere Medien befinden sich zur Zeit im Alarmmodus nach dem Motto "Bad News are good News". Jeder Terroranschlag wird gerade zu zelebriert. Bis hin zur Betroffenheitrethorik der Politiker und der Ankündigung wir kümmern uns drum.
Wer in den 70ern und 80ern aufgewachsen ist, müsste eigentlich ein Art Déjà-vu Erlebnis haben. Damals trieb die RAF und die PLO ihr Unwesen.
Früher hingen Plakate an jeder Strassenecke, Heute erledigt dies das Internet. Früher warnte die Polizei mit dem Hinweis "Vorsicht die Herrschaften sind bewaffnet, wenden sie sich an die nächste Polizeidiensstelle". Heute machen das die Protagonisten selbst, um gleich noch Ihre Botschaft los zu werden. Leider werden die Wirren dieser Welt nicht aussterben. Trittbrettfahrer sind mit eingerechnet.
Man kann nur hoffen das der Spuk ein Ende findet.
Für uns bleibt nichts anderes übrig als das "Problem zu geniessen" und hoffen, dass es uns nicht erwischt

Stefan Leikert | Mo., 5. Juni 2017 - 12:05

Sehr geehrte Frau Stricker, vielen Dank für Ihren Artikel, er hilft! Allerdings bei diesem Satz oder noch zugespitzter bei "sein(em) Land" da knirscht es doch gewaltig. Das ist doch der Punkt: es wäre überhaupt kein Problem, Energie aufzubringen und auch mal auf Schlaf zu verzichten für "sein Land", aber dieser Bezugspunkt oder Identifkationkern oder wie auch immer man das für sich bezeichnen möchte ("Heimat" ginge vielleicht auch) ist definitiv weg. Und das steckt auch dahinter, wenn man sich nicht mehr traut etwas auszusprechen, die Diskussionsunlust, man stößt nur auf Ausschluß. (schön auf den Punkt gebracht z.B. von Bazon Brock: "Kritikunwürdigkeit")Im Moment sind die Stimmen, die etwas bewegen wollen, jedenfalls noch zuwenige.

Wilhelm Maier | Mo., 5. Juni 2017 - 12:05

Beitrag hat mir sehr gut gefallen. Da sieht man parallele zu Replik von Klaus-Rüdiger Mai:
„Vor dieser Wirklichkeit die Augen zu verschließen und stattdessen fest ins Latte Macchiato-Glas zu starren, wenn neben uns in immer kürzeren Abständen gestorben und unsere Freizügigkeit von Tag zu Tag immer mehr eingeschränkt wird, ist die wahre Dekadenz.“

Ralf Vormbaum | Mo., 5. Juni 2017 - 12:07

Zuallererst, dass Israel sich nicht selbst infrage stellt, sondern aus einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein heraus dort Krisen und damit in Verbindung stehende Gefahren ganz anders bewältigt werden. Die Geschichte Israels ist eben eine ganz andere als die Deutschlands, wer wollte das auch in Abrede stellen.

Dieser Tage liest man wieder mal im deutschen Blätterwald viel von den freiheitlichen Werten, der Weltoffenheit und Buntheit unserer Republik. Tatsächlich redet man dabei aber über einen verabsolutierten Schein, ein Traumgebilde oder besser gesagt ein utopisches Selbstbildnis. Mit der Wirklichkeit stimmt dieses hauptsächlich von den Medien geprägte Selbstbild nicht überein. Statt Gedankenfreiheit findet sich zunehmend eine von einer spezifischen Weltsicht vorgeprägte Denkvorgabe, der nicht zu entsprechen, nahezu zu einem Kapitalverbrechen wird. Die vielbeschworene Toleranz ist in Wahrheit nichts anderes als Uniformität, die sich gerade darum für frei hält.

Martin falter | Mo., 5. Juni 2017 - 12:17

- da kommt es wieder und ist doch wahr - Israel ist durch die Umstände und durch eigenes Zutun in diese Lage gekommen. Deutschland nur durch die Umstände. Man könnte auch sagen wer eine rechte Regierung mit Kriegstreibern und Unterdrückern hat bzw. wählt bekommt das auch wieder als Angst und Terror zurück. Wie lange wollen die Israelis diesen Weg noch gehen? Deutschland ist zu tiefst verunsichert, weil nach knapp 60 Jahren des Insellebens nun die Welt bzw. deren Probleme in Deutschland angekommen sind. Deutschland ist an den Problemen nicht ganz unschuldig, Israel aber auch nicht.

Miguel Bader | Mo., 5. Juni 2017 - 13:46

Und das ist das Tragischte von allem, was mich ganz massgeblich und mit Entäuschung dazu gebracht hat, Deutschland den Rücken zu kehren. Sie haben eine Regierung, die so gut sie kann für die Sicherheit ihres Volkes arbeitet. Wir haben dagegen eine alleinentscheidende Diktatorin, die Verfassungen und Gesetze aus Kraft setzt und eine unkontrollierte millionenfache Masseneinwanderung zu veranrworten hat, die sich zum grössten Teil aus den am meisten vom Terrorismus zerrissenen Gebieten der Welt rekrutiert. Und das betrachte ich persönlich als Hochverrat an Grundgesetz, Staatsvolk, Demokratie, Freiheit und v.a. jeder Verantwortung. Die allermeisten sind nach wie vor zu dieser Frau klar zu sagen was sie ist u.v.a. wo sie hingehört, nämlich nicht ins Kanzleramt, sondern vor ein demokratisch legitimiertes Gericht der Bundesrepublik. Sie sehen also, als Deutscher fühlt man sich angesichts dieser Person von Institutionen, die lediglich alle d. Führerin huldigen mehr und mehr alleine gelassen!

Offensichtlich haben Sie, Herr Bader, bereits ihre Entscheidung getroffen und der Bundesrepublik den Rücken gekehrt. Und ich unterstelle Ihnen, dass dies ein langer Entscheidungsprozess war und Ihnen nicht leicht gefallen ist.
Was mich aber irritiert, ist die immer wieder in Kommentarspalten so absolut formulierte Behauptung in einer Diktatur zu leben, wo eine "alleinherrschende Diktatorin" das Sagen hat und sich alle unterwerfen.
Es ist ein Leichtes die Definition von Diktatur zu recherchieren. Und das trifft nicht auf Deutschland zu. Auch nicht die "weichere" Form des Autoritarismus.
Ja, es gibt Dinge die in unserem Land zu kritisieren sind und handwerklich schlecht gemacht sind. Aber nein, eine Diktatur haben wir nicht, sonst könnten wir z.B. eine Diskussion wie hier nicht führen.
Ich persönlich halte es für bedauerlich, wenn mit solch extremen Positionen eine Diskurs erschwert wird. Ein Grundverständnis für politische Formen ist die Voraussetzung für konstruktive Debatten.

Erich Hamberger | Mo., 5. Juni 2017 - 14:46

Werte Frau Sarah Stricker! Es ist ein wahres Vergnügen zu lesen, wie Sie schreiben; so frisch, authentisch und lebensvoll. Nur leider kann der dabei vermittelte Inhalt, das Was, nicht (ganz) mithalten. Ein Beispiel: Wenn Sie etwa bemerken, die Sie besuchenden Freunde aus Deutschland wären überrascht gewesen: die einen, „wie viel säkularer und linker und weltoffener die Israelis waren, als sie gedacht hatten, [d]ie anderen waren schockiert, wie viel religiöser und rechter und rassistischer die Israelis waren, als sie gehofft hatten“, dann verfallen Sie in das Klischee, Religion wäre (ihrer Grundstruktur nach) weltfern, rechts (= fundamentalistisch) und rassistisch (= fremdenfeindlich). Ich kann Ihnen – als Christ – das genaue Gegenteil berichten: keine Welt-Anschauung ist ihrer Grundstruktur nach so säkular (= weltbezogen), links (im Sinne von „fortschrittlich“) und welt-offen wie die Religion des Christentums.

Jürgen Lehmann | Mo., 5. Juni 2017 - 14:58

Ein sehr guter und nachdenklicher Beitrag.

Die Frage ist nur, weshalb driften wir ab in „Depressionen“? Geht es uns zu gut, sodass wir Angst vor der Zukunft haben? Oder wächst nur die Zahl der ängstlichen und alles kritisch sehenden Menschen?
Ich bin der Ansicht, dass es uns tatsächlich zu gut geht, dass wir lernen sollten auch mit weniger zufrieden zu sein.
Vor allem sollten wir uns nicht einbilden, dass wir „besser“ wären als andere Völker, nur weil wir z.B. Exportweltmeister sind – oder werden wollen.
Es muss über Probleme, die nicht nur uns betreffen diskutiert werden, ohne sie zu zerreden.
In der Flüchtlingspolitik gibt es z.B.viele nicht ausdiskutierte Fragen. Hierzu zählt auch der Punkt wer eigentlich ein Flüchtling ist.

Terror ist keine tägliche Bedrohung, das wird uns nur eingeredet. Verbrechen die täglich passieren,werden kaum mehr wahrgenommen, trotzdem diese ein weitaus höheres Risiko darstellen als vom „Terror“ getroffen zu werden.

helmut armbruster | Mo., 5. Juni 2017 - 15:09

"Deutschland ein Land des Konsenses, ...ohne nennenswerte Probleme...ohne Bedrohung"
Nur zur Erinnerung:
-Vor 72 Jahren bedingungslose Kapitulation u.von den Siegermächten besetzt. Städte u. Infrastruktur total zerstört. Millionen Tote. 12 Millionen Heimatvertriebene. Geächtet in aller Welt.
- 40 Jahre Teilung in Ost u. West.
- 40 Jahre atomare Abschreckung der Großmächte. Wäre der kalte Krieg heiß geworden, wäre D das Schlachtfeld geworden. Gasmasken wurden gar nicht erst ausgegeben, denn sie wären sowieso sinnlos gewesen.
- dann Terror durch RAF u. Baader-Meinhoff
- Wiedervereinigung mit immensen Kosten für D
- Euroeinführung wiederum mit immensen Kosten verbunden
Rechnet man noch ganze Reihen von unfähigen Politikern dazu, die D ebenfalls ertragen musste, dann ist es um so erstaunlicher, dass es D noch gibt.
Das alles hat D schultern können, ist nicht darunter zerbrochen, sondern führende Wirtschaftsmacht geworden.
D braucht sich Israel wirklich nicht zum Vorbild nehmen.

Josef Garnweitner | Di., 6. Juni 2017 - 14:49

Antwort auf von Udo Dreisörner

um so unverständlicher ist, daß man es einer einzigen Politikerin erlaubt hat, in kürzester Zeit das alles Makulatur werden zu lassen.

Markus Michaelis | Mo., 5. Juni 2017 - 15:31

Zitat: "Wem etwas an seinem Land liegt, der legt sich dafür an." Klingt für mich erstmal nach Leitkultur. Wenn es die gibt, gibt es mein Land und dafür engagiere ich mich. Aber ist das nicht vorbei? Nation ist out, Weltoffenheit ist in. In jedem Land der Erde leben Araber, Inder, Kommunisten, Jesiden, Technologiegläubige etc. nebeneinander, geeint durch das Band der universellen Werte. Oder so ähnlich zumindest. Warum sollt ich mich da für irgendein Land einsetzen? Wenn schon, dann setze ich mich für universelle Werte ein. Da kann ich aber nur erkennen, dass ich MEINE Werte für universell erkläre und sie allen Menschen auf's Auge drücken will. Also setze ich mich doch für gar nichts ein, sondern suche mir (ganz weltoffen) immer den gerade nettesten Platz auf der Welt (auf der richtigen Seite des Zauns). Das scheint mir doch die richtige moderne Herangehensweise.

paul peters | Mo., 5. Juni 2017 - 17:02

was sollen die vergleiche mit teilen der welt, wo es offenbar noch schlimmer zu sein scheint?
es verbessert mein sicherheitsgefühl überhaupt nicht, wenn ich weiß, dass israelis sogar erinnerungen für schutzmasken erhalten.
mit der logik ließe sich in europa auch sukzessiv kinderarbeit schmackhaft machen.

bemerkenswert finde ich, dass im text bereits nach der zwischenüberschrift ,Der Terror vor der eigenen Haustür, im folgesatz der hinweis auf die flüchtlingskrise kommt. ob es da wohl zusammenhänge geben könnte?

deutschland sollte sich positiv von anderen teilen der welt absetzen (können). leider setzt sich jedoch mehr und mehr die sicht- und argumentationsweise durch, dass es woanders noch schlechter sei. das schafft kein vertrauen, im gegenteil - so erkennt man wohin die reise geht.

Martin Reims | Mo., 5. Juni 2017 - 17:51

Eine​ Gesellschaft wie die deutsche, der es so gut geht wie nie zuvor, die Freiheit und Freiheiten genießt wie kaum eine andere Gesellschaft auf dieser Welt ist sich in ihrer faulenzenden Langeweile selbst zuviel.
Deswegen will diese Gesellschaft auch nichts wissen von Veränderungen, die durch verstärkte Migration auf sie zukommen. Diese Gesellschaft will auch nichts wissen von neuen Technologien oder anderen Veränderungen die andernorts als Chance gesehen werden. Rückwärts gewandte AfD Polemik und ebenso rückwärts gewandter politisch links dominierter Mainstream bilden keinen gesellschaftlichen Diskurs sondern sind Schattenspiele mit vorhersagbarem Ausgang. So faulenzt sich die deutsche Gesellschaft ihrer Selbstauslösschung entgegen (um Peter Sloterdijk sinngemäß zu zitieren).
Dies ist nichts anderes als Dekadenz.

Manfred Steffan | Mo., 5. Juni 2017 - 18:14

"Anfangs riefen mir die bewaffneten Sicherheitsleute vor dem Einkaufszentrum die Bedrohung noch unangenehm ins Bewusstsein. Nach einer Weile gaben sie mir ein Gefühl der Sicherheit." Auch wir werden uns daran gewöhnen, und wir werden deswegen - genausowenig wie die Israelis - nicht zum Polizeistaat werden, sondern eine freiheitliche Demokratie bleiben. Ermattet sind nur diejenigen, in deren rosarotes Weltbild nun mit Macht die Realität bricht.

Torsten Knecht | Mo., 5. Juni 2017 - 19:01

Nicht der Terror u. auch nicht die F-krise lässt die Gesellschaft auseinanderdriften o. ermatten. Im Gegenteil: Aus der F-krise ist politisch die AfD wiedererstarkt u. es gab erstmals seit der Wende u. der H4-Einführung Demonstrationen - bundesweit! Fakt!

Fakt ist auch, dass die öffentlich-rechtlichen Medien diese sofort rechtslastig brandmarkten u. so gesellschafts- u. damit diskussionsunwürdig machten. Die polit. Bewegungen sind als Reaktion für die fehlende parl. Opposition zu sehen. Aber es passiert nix. Wie zu DDR Zeiten hat die Partei (Groko) immer Recht.

Zweitens: Das wirkl. Problem vieler D. ist die Sorge ob das Geld bis zum Monatsende reicht. Sie also von ihrem prekären Job menschenwürdig leben können. Und das können 11 Mio. Menschen dank A-2010 nicht mehr. Das größte Niedriglohnimperium in Europa wurde von Merkel zusätzlich durch Aufmerksamkeitsentzug im AR-Bericht abgestraft.

Ohne Lobby - Schachmatt.

Gleiche Schlussfolgerung - andere Herangehensweise.

Peter Panther | Mo., 5. Juni 2017 - 23:13

Mit Verlaub, wir haben eine Krise des Journalismus. Er vergiftet in einem Mix aus Dilettantismus, Moralpose und reiner Klick- bzw Auflagengeilheit bis in die sogenannten Leitmedien hinein jede Verständigung. Er prägt auf lange Sicht schlechten Denkstil und rhetorisch aufgeblähte Rechthaberei, und zwar bis in die private Kommunikation hinein. Was aber am schlimmsten ist: wir haben einen regierungshörigen Journalismus, der jede Opposition versucht, unter die 5%-Hürde zu hetzen. Die meisten Menschen haben für das Mediale ein schlechtes Bewußtsein, es rangiert auf der Subjektseite. Was das mit unseren Krisen zu tun hat? ALLES! Was man dagegen tun kann? Mehr Medienschelte, Medienkritik, Plasberg, Illner, Maischberger härter rangenommen, bitteschön an den Pranger. Sie sind die neuen Götter, vor denen selbst die mächtigsten Gäste zittern.

Andreas Ulbrich | Di., 6. Juni 2017 - 07:38

Sehr geehrte Frau Stricker, das hat mir sehr gefallen. Werde mir eines Ihrer Bücher kaufen.
An einem Punkt muss ich Ihnen widersprechen: Es ist in Deutschland 2017 nicht folgenlos, sich als AfD- oder gar PEGIDA-Fan zu bekennen. Es werden schon mal Bankmitarbeiter entlassen, weil sie zugeben, AfD zu wählen. Es werden auch Buchläden, Restaurants und Hotels ruiniert, wenn die Eigentümer sich nicht von der AfD distanzieren. Wenn ich auf FB einen Beitrag von Achgut teile, liken ihn nur sehr wenige. Viele sagen mir später unter vier Augen, wie gut sie ihn fanden. Sie haben Angst, von Kollegen denunziert zu werden.
Und man wird in Deutschland inzwischen auch für - zugegeben derbe oder blöde- Meinungsäußerungen vom Gericht bestraft. Für rechte. Für linke nie.

In der Tat ist es so. Der wahre rechte Mob kommt aus der linken Ecke, fühlt sich links, agiert vermeintlich links, ist aber rechts. Die Diffamierungen an AfD, Pegida oder überhaupt allem was nicht nach linkem Gusto ist,hat eine erschreckende Reichweite bekommen und die Politiker und Medien machen unverblümt mit. Extremismus ist immer Mist, ob politisch, religiös oder was auch immer. Aber die Art und Weise wie gerade die Linken gegen Rechte agieren erinnert (auch wenn es weh tut) an den "Judenboykott" vom 1.4.1933.

Holger Stockinger | Di., 6. Juni 2017 - 09:48

Abgesehen von der historisch falschen Behauptung, Deutschland habe den Ersten Weltkrieg verursacht, ist der Artikel der (darf man sagen Deutsch-Israelin?) lesens- und nachdenkenswert.

Heinrich Mann charakterisierte ein anscheinend Merkmal "deutschen Wesens" als Untertanengeist. Das "Staatsgefängnis Gesamt-DDR" brach erst zusammen, als der allgegenwärtige Stasi-Terror plus sozialistischer Mangelwirtschaft den Untertanengeist vorübergehend vergessen machten.

Die "Dekadenz" im Saturierten war das Ende des Römischen Imperiums.

Eine "Dekadenz des Denkens" gehörte noch untersucht, wie sich diese zusammensetzt. Peter Sloterdijk versucht sich meines Wissens daran.

Hermann Neumann | Di., 6. Juni 2017 - 10:04

Ich bin nicht mit allem einverstanden was in Israel passiert. Vor allem stößt mir expandierende Siedlungspolitik auf.
Was Israel von Deutschland unterscheidet ist die politische Härte in existenziellen Herausforderungen. Wenn es um das große Ganze geht, dann werden alle notwendigen Maßnahmen ergriffen und sei es auch ein bewaffneter Konflikt. In Deutschland geht man lieber offen Auges ins Verderben, bevor man mit Durchsetzungsvermögen und gebotener Härte gegen die Probleme angeht. Wenn es ums Land geht, dürfen Einzelschicksale keine Rolle mehr spielen. Eines Tage werden die intellektuellen Träumer aufwachen und für sie wird kein Platz mehr in ihrem neuen Deutschland sein.

Jonathan Odeon | Di., 6. Juni 2017 - 11:02

Deutschland hatte es sich dabei doch unter der Regie der Alt 68 und Linken doch so schön auf unserer Insel der Seligen eingerichtet. Wir waren plötzlich die Guten und konnten uns diesem Gefühl hingeben und unter Hinweis auf unsere Geschichte aus jedem militärischem Konflikt heraushalten oder es bei symbolischen Handlungen oder Zahlungen belassen. Konnten die unter dauerndem Eskalationsverdacht gestellte Polizei und den Staat (soweit er nicht Sozialstaat war) als eigentlichen Gegner aller friedlich und gerecht denkenden Einwohner darstellen, die Bundeswehr als unanständig und potentielle Mörder brandmarken, soweit diese nicht als Entwicklungshelfer unterwegs waren, konnten Datenschutz zu Täterschutz umfunktionieren, konnten ohne Folgen einen billigen Anti-Amerikanismus pflegen, wobei gerne relativiert wurde, dass es die Amerikaner waren, die uns beginnend am 6.Juni 1944 von einer der übelsten Diktaturen befreit haben. Nun ...."For the times they are a-changin".

Ulrich Heeger | Di., 6. Juni 2017 - 12:01

ich glaube, die Ermattung kommt zum Teil davon, daß der deutsche Staat sich in der Flüchtlingskrise ins Moralisieren zurückzog. Der israelische Staat fühlte sich seit seiner Geburtsstunde mehr der Wehrhaftigkeit des Landes verpflichtet, womöglich nicht zuletzt aus der traumatischen Erfahrung des Holocausts. Die Angst deutscher Politiker unangenehme Entscheidungen zu treffen - fast verständlich bei einer zur Dauerempörung neigenden medialen Öffentlichkeit - führte zum Gefühl der Ohnmacht. Wir haben es uns sehr bequem gemacht mit unserem moralischen Zeigefinger.

Petra Maria Schaefer | Di., 6. Juni 2017 - 12:36

...........nein - es ist die wahre Dekadenz, verbunden mit regierungsfreundlichen Leitmedien.
Diesen bestimmten Medien ist die "Schuld" zuzuschreiben. Bleibt zu fragen, was sie selbst ihren Kindern hinterlassen.
Es gab einmal Zeiten, da wurde in diesem Land
offen
diskutiert und der Andersdenkende nicht diskriminiert.
Wer in ausländischen Zeitungen liest und sich auch anderweitig informiert, weiß was die Stunde geschlagen hat: Unsere Demokratie ist in Gefahr.
DANKE Cicero.

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 6. Juni 2017 - 13:31

ich schaue grade lieber nach Österreich, Tschechien, Dänemark.
Unsere europäischen Nachbarn.
Die Israelis reagieren evtl. wie die passenden Nachbarn in Nahost, sie werden m.E. problemlos militärisch agieren, bis zur Atombombe.
In Afrika herrscht vor allem Militär, wenn man mich fragt.
Israel ist ein militärischer Staat.
Das muss ich nicht haben.
Zurückdrängen des Terrorismus durch schärfere Überwachung des Islam. Gespräche mit dem Islam über eine UNS zufriedenstellende KOMPATIBILITÄT mit unseren Werten und Gesetzen und mit jeder Religionsgruppe, die glaubt in Deutschland nicht von dieser Welt sein zu müssen.
Religionsgruppen können auch angesichts solcher wie Scientology m.E. nicht weiter mit Freibriefen durch Deutschland und Europa laufen.
Daraufhin sollte das GG zwecks Präzisierung überprüft werden.
Religion wird missbraucht.
Das darf unser GG nicht fahrlässig befördern und dadurch Menschen gefährden.
Religion und Terror/Gewalt passen nicht, das auch nach Irland etc.

Heidemarie Heim | Di., 6. Juni 2017 - 13:51

Weder noch,so mein Empfinden. Denn beides würde ein weitverbreitetes Interesse in der Bevölkerung an Politik und daraus resultierendem Gemeinwesen voraussetzen.Selbst,sagen wir mal diskussionsfreudig,mache ich immer wieder die Erfahrung,wie defizitär dieses ist, bzw.wie gern man sich hierzulande dem "betreuten Denken"
überläßt.Halt saturiertes couchpotatotum in der
eigenen,sowie sicheren kleinen Wohnzimmerwelt.Was muß man auch nach Paris oder London, den Weltoffenen markieren und dabei unter die Räder geraten? Und Kirmes mit Betonpoller und Rucksackverbot? Nee danke! Muß
noch mit meinem Vermieter ausdiskutieren welche
Zusatzriegel an die Haustür und welche Gitter vor`s
Fenster:).Mit der Mentalität der Israelis und deren Verständnis von Schutzmechanismen liegen da ganze Welten! Und erst beim Vergleich was deren und unsere politischen Führungspersönlichkeiten betrifft.Wie gesagt,Welten. MfG

Werner Schick | Di., 6. Juni 2017 - 14:13

Werter Herr Lehmann,
wenn sie in diesem Land über Flüchtlinge diskutieren wollen und dabei noch statitische Daten anführen ist die Diskussion beendet. Soviel zu ihrer Aussage über nicht voll ausdiskutierte Fragen zu Flüchtlingen und zur Diskussionskultur in diesem Land im Allgemeinen.

Peter Müller | Di., 6. Juni 2017 - 15:57

„Es ist mir ein Rätsel, wie ein Volk, das zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen hat, so schnell ans Ende seiner Kräfte kommen kann.“

Der Morgenthau-Plan, der nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland in einen harmlosen Agrar-und Bauernstaat umwandeln wollte, wurde letztendlich nicht auf staatlicher Ebene, wohl aber in den Köpfen der Menschen umgesetzt. Mental sind die Deutschen inzwischen ein Volk, das in einer unnachahmlichen Schafesgüte alles über sich ergehen lässt - wie ein Bauer, dem es die Ernte verhagelt.

Die Flüchtlingskatastrophe, mit die höchsten Steuern weltweit, die Aufgabe des Sozialstaates ... alles quasi Naturkatastrophen, denen man nichts entgegen setzen kann, sondern sich mit einem frohgemuten "Wir schaffen das!" jeden Tag länger aufs Feld stellt und ackert.

Werner Schick | Mi., 7. Juni 2017 - 12:23

Werter Herr Müller,
Der Bauer, dem es die Ernte verhagelt, ist in der Regel machtlos der Katstrophe ausgesetzt. Den Katastrophen von Frau Merkel ist das Wahlvolk nicht machtlos ausgeliefert, es wird durch Manipulation von Systemparteien und dazugehöriger Lügenpresse dazu gebracht, seine Macht nicht konsequent auszuüben, sondern weiterhin die Verursacher der Katastrophen zu ertragen und darüber hinaus auch noch fürstlich zu entlohnen. Dümmer gehts nimmer.

Gudrun Möller | Mi., 7. Juni 2017 - 15:41

Ein guter Artikel. Meine Meinung dazu: Es liegt vielleicht an der Religion? Ich beschäftige mich erst seit kurzem mit dem Judentum. Die Religion strahlt Energie aus. Das Christentum war sehr gut, hat aber mit den neuen Herausforderungen Schwierigkeiten, am Kreuz sterben heißt Apathie. Das muss überwunden werden.

Berend Boll | Fr., 9. Juni 2017 - 18:55

Schöner Artikel. Ich denke die Deutschen haben einfach seit dem 2. Weltkrieg riesige Angst vor Veränderungen. Das sie vorne sind bei "grünen" Veränderungen ist dabei kein Widerspruch, denn das sind ja Veränderungen "zurück" in eine bessere Zeit (biblisch gesprochen = "Paradies"/friedliche Agrargesellschaft). Ich bewundere Israels Vitalität und Leidenschaft. Ich würde mir durchaus mehr "Kante" und schärfere, vorbehaltlosere, pragmatischere Diskussionen in unserer Gesellschaft wünschen. Andererseits, wenn ich nach Italien (Berlusconi) oder aktuell nach USA/UK schaue, dann bin auch wieder froh, das wir so konsensorientiert sind und keinen charismatischen nationalistischen Anführer haben, der große Teile der Bevölkerung hinter sich zu versammeln mag (ein Glück, wer weiß wo die AfD sonst stehen würde). Ein wenig Angst habe ich selbst nach 70 Jahren noch davor, das das Biest in Deutschland wieder geweckt werden könnte. Also ein typischer Einerseits-Andererseits meinerseits.