Bergpanorama mit Wald im Morgengrauen
Für viele der Inbegriff von Heimat: der deutsche Wald / picture alliance

Heimat - „Geborgenheit und Sicherheit gehören dazu“

Heimat – ohne Frage ein umstrittener Begriff. Was ist das? Wer gehört dazu? Ist die Heimat in Gefahr? Seit der Flüchtlingskrise werden solche Fragen wieder vermehrt diskutiert. Auch bei den Heimattagen Baden-Württemberg, wie der Oberbürgermeister von Karlsruhe, Frank Mentrup, erklärt

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Hannah Fuchs studiert Philosophie an der Universität Wien. 

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Julia Mirkin studiert Philosophie und Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Sie arbeitet für Cicero Online.

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Herr Mentrup, was verstehen Sie unter dem Begriff „Heimat“?
Für mich gehören zur Heimat zwei wesentliche Aspekte: Zum einen, dass man die Umgebung, in der man sich bewegt, kennt, sich in dieser zurechtfindet und sicher fühlt. Zum anderen, dass man sich mit Menschen umgibt, die einen wertschätzen, die berechenbar sind und bei denen man sich aufgehoben fühlt. Dort, wo beides zusammenkommt, ist für mich Heimat. 

Hatte Heimat für Sie schon immer diese Bedeutung, oder hat sich das mit der Zeit gewandelt?
Dieses Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit gehörte für mich schon immer zur Heimat dazu. Doch würde ich sagen, dass sich der Radius, in dem ich mich heimatlich fühlte, mit der Zeit veränderte. Ich erinnere mich noch gut daran, dass meine Heimat zu Kinderzeiten bis zur nächsten großen Straße reichte – der Punkt, bis zu dem ich mich selbstständig zurechtgefunden habe. Als ich mich mit dem Fahrrad in der Stadt orientierte, vergrößerte sich der Radius meiner Heimat bis zur übernächsten großen Straße. Irgendwann im Alter kommt schließlich die Sicherheit hinzu, sich auch da zurechtzufinden, wo man noch nicht oft war.

Mentrup
Frank Mentrup / Bild: picture alliance

Haben Sie jemals Ihre Heimat gewechselt?
Bei meinem Umzug von Mannheim nach Karlsruhe und dem Heimisch-Werden in einer neuen Stadt, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es möglich ist, seine Heimat zu wechseln. Das habe ich mir, bis ich Anfang 40 war, nicht vorstellen können.

Sind Ihnen dabei wesentliche Unterschiede zwischen ihrer alten und neuen Heimatstadt aufgefallen?
Die Mannheimer empfinden sich eher als Kurpfälzer. Man hat einen stärkeren Drang zur Dramatik und ein sehr unmittelbaren Verhältnis miteinander. Die Karlsruher Mentalität hingegen ist eine wesentlich zurückhaltendere und abwartendere, man lässt sich Zeit, bis man Kontakte knüpft. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht, dass dieser Kontakt nachhaltiger ist.

Denken Sie, dass die Stadt Karlsruhe für Geflüchtete eine neue Heimat werden kann? 
Ja, auf alle Fälle. Solange man ihnen den Freiraum gibt, sich mit ihren kulturellen Hintergründen, Erwartungen und biografischen Zielen zu verwirklichen, kann die Stadt für sie zur Heimat werden. So wie sie es auch für uns geworden ist. 

Könnten Sie sich vorstellen, selbst auch in einen anderen Kulturraum zu ziehen? 
Mittlerweile schon, weil ich international ausreichend Erfahrung gesammelt habe, so dass ich mich nun auch souverän an neuen Orten bewegen und mich sicher fühlen kann. Trotz eines anderen Kulturraums und einer anderen Sprache. Als Jugendlicher hätte ich es mir nicht unbedingt vorstellen können. 

Karlsruhe ist der Geburtsort von Karl Drais, dem Erfinder des Fahrrads. Fahren Sie gerne Fahrrad? Hat das etwas mit Ihrem Heimatgefühl zu tun? 
Ich bin schon immer gerne Fahrrad gefahren und fahre auch heute noch mit dem Rad, nicht als Sport sondern als selbstverständliches Fortbewegungsmittel. Durch das Fahrradfahren bekomme ich noch mal einen ganz anderen Bezug zu meiner Umgebung. 

Durch das Internet können wir uns heute mit Menschen aus aller Welt verbinden und vieles ist gefühlt nähergerückt. Würden Sie sagen, dass das eine Rolle spielt in Bezug auf den Heimatbegriff?
Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich erlebe es selbst an meinen Kindern. Darüber, dass sie skypen oder sich über Facebook und Whatsapp austauschen, finden sie offensichtlich so etwas wie eine „Netzheimat“. Ich beobachte, dass sich bei den nachfolgenden Generationen oder auch von Menschen in meinem Alter, die mit ihren Kindern durch das Internet regelmäßig in Kontakt stehen, noch mal ein anderer Heimatraum entwickelt. 

Das würde die Heimat ein Stück weit von der Idee der Ortsgebundenheit lösen.
Genau, es gibt dann im Grunde einen „virtuellen Ort“. Es scheint, als würde man am selben Tisch sitzen und sich direkt begegnen. Das schafft offensichtlich eine Vertrautheit, die wie ein Stück Heimat wirken kann. 

Dr. Frank Mentrup ist Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe. Zu den Heimattagen Baden-Würtemberg in Karlsruhe gibt es das ganze Jahr über Veranstaltungen  

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Juliana Keppelen | Mo., 22. Mai 2017 - 18:40

dass mein geliebtes Badner-Land auch mal ein bisschen Beachtung findet. Einfach nur zu empfehlen gutes Essen, guter Wein, tolles Klima, man kann schnell mal über den Rhein in die Pfalz oder ins Elsass oder in den Schwarzwald oder Kraichgau einfach herrlich.

Dimitri Gales | Mo., 22. Mai 2017 - 21:07

"Ubi bene, ubi patria".
Aber ein richtiges Heimatgefühl hatte ich nie; manchmal beneide ich etwas jene, die mit ihrem heimatlichen Erdboden verwachsen sind, wie etwa die Bayern. Vielleicht kann ich mich gerade ohne wirkliche Heimatverwurzelung fast überall in der Welt zurechtfinden.

Cecilia Mohn | Mo., 22. Mai 2017 - 21:33

Danke für diesen Artikel und das treffende Bild dazu. Heimat ist für mich auch Sprache und Natur. Seltsamerweise fühle ich mich aber auch z.B. in Italien beheimatet. Es gefällt mir dort so, als wäre ich dort zu Hause. Ich habe Sehnsucht nach Florenz, obwohl diese Stadt eigentlich nicht meine Heimat ist. Merkwürdig. Und: Heimat bedeutet für mich auch Autoren, die ich liebe. Zum Beispiel Shakespeare - oder Goethe - ich fühle mich in den Texten dieser Menschen auch beheimatet. Oder Haruki Murakami - seine Texte lösen in mir ein unerklärlich tiefes Heimatgefühl aus. Aber er ist Japaner - und Japan ist eigentlich weit weg von uns.
Nochmals: danke für diesen anrührenden und tiefgründigen Artikel,

Cecilia Mohn

Wolfgang Tröbner | Di., 23. Mai 2017 - 09:46

"Dieses Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit gehörte für mich schon immer zur Heimat dazu". Hier ist Herrn Mentrup zuzustimmen.

Ich glaube aber, dass zur Heimat noch wesentlich mehr gehört. Nach meinem Dafürhalten ist der Ort oder die Region, in dem/der man aufwuchs und vor allen Dingen kulturell geprägt wurde, immer auch Heimat. Selbst wenn man diesen Ort später verlässt, bleibt er Heimat. Übrigens, wenn Herr Mentrup von Mannheim nach Karlsruhe gezogen ist, kann man kaum von einem Wechsel der Heimat sprechen. Er ist nur in seiner Heimat umgezogen, mehr nicht.

Und noch ein Aspekt scheint mir wichtig. Wenn zur Heimat das Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit gehört, wie ist es zu bewerten, wenn mir meine Heimat dieses Gefühl nicht mehr garantieren kann?

bedeutet kulturelle Identität, Liebe zu Natur, Sprache, Mundart und den Eigenheiten der Menschen, unter denen man aufgewachsen ist. Mir persönlich fallen spontan die Gedichte: “Oh Mensch, Du hast ein Vaterland“ und “Ans Vaterland, ans Teure, schließ dich an“ ein, wenn vom Vaterland die Rede ist. Nicht umsonst spricht man auch von “entwurzelten Menschen“. In anderen Ländern fühle ich mich dennoch sicher und geborgen, zumal Deutschland kürzlich bei der Untersuchung zur Sicherheit von Touristen vom 20. auf den 51. Platz abgestuft worden ist - weit hinter Marokko und Tunesien.

Torsten Knecht | Di., 23. Mai 2017 - 12:23

... wer, egal wo, mit sich selbst gut auskommt, der hat zumindest "eine" Heimat - die in sich selbst.

Ingeborg Bachmann hat das so ausgedrückt: "Wer ein Warum hat, zu leben, der erträgt auch jedes Wie!"

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 3. Juni 2017 - 12:13

Antwort auf von Torsten Knecht

der jeden liebenden Menschen zur Not als Weltbürger ausweist.
Weder "Warum" noch "Wie" werden für mich durch den neuen Islam, den alten wahrscheinlich auch nicht, beantwortet.
Wird es für die flüchtenden Muslime einzig oder vorrangig durch den Islam beantwortet, sollten sie in ihre ihnen kompatiblen Länder nach Kriegsende zurückkehren, denn wir dürfen hoffen, nicht nur fast jedes wie zu/ ertragen/zu haben, sondern uns in Europa in Freiheit, menschlicher Würde und Selbstbestimmung zu entfalten.
Christliche Nächstenliebe gewähren wir gerne auch in muslimischen Ländern.
Ich spende der Diakonie so im Werte eines Bündel Stroh für den Kölner Dom, Saudi-Arabien kauft für Milliarden Waffen und hilft wo seinen entfernteren Landsleuten?
PFUI

Karl Meier | Di., 23. Mai 2017 - 21:51

Wer seiner Weltanschauung nicht ganz vertrauen kann, muss sie vor den Fragen und der Kritik der Gegenseite schützen. Deswegen wurde hier auch meine Kritim an der Phrase "umstritten" unterdrückt.
Der "Heimatbegriff" ist nicht "umstritten".
Erstens ist das selbst eine intellektualisierende Phrase und zweitens hat die große Mehrheit in allen Ländern kein Problem mit ihrer Heimatbindung. Anders als einige verstiegene vorzeitig Schreibende in westlichen Subventiosszenen.

Kurt Kuhn | So., 28. Mai 2017 - 08:49

ist es wie mit der Gesundgeit: Was sie wert ist, merkt man erst wenn man sie verloren hat.
Ich kann als "Migrationshintergrundler" aus dem heute rumänischen Banat ein trauriges Lied davon singen. Ich habe meine alte Heimat verloren bevor ich sie verlassen durfte (siehe Kommentar von Herrrn Wolfgang Tröbner).
"Seine Heimat zu wechseln" ist nicht einfach. Ein neues Heimatgefühl bekommt man erst wenn man sich in der Gesellschaft 'unter seinesgleichen gleich zu sein" empfindet. Bei mir lag es nicht an den Sprachkenntnissen, an Mentalität und Konfession, am Integrationswillen, Beruf und Arbeitsplatz sowie am eigenen Heim.
Der Bogen vom Umzug des Herrn Dr. Mentrup zur Problematik der Geflüchteten dieser Tage ist hier in keinster Weise zutreffend.

Dr. Lothar Sukstorf | Do., 1. Juni 2017 - 12:45

Für jemand, der lange und viele Jahre im Ausland verbracht hat, ist Deutschland mein Heimatland. Aus der Ferne betrachtet ist es wunderschön!! Heimat-Heimweh-alles, was verbunden ist mit dem, wo man herkommt...ist reine Emotio. Und niemand hat das Recht( auch die Grünen, Merkel, die Sozis und Linken nicht)einem dieses Gefühl abzusprechen, es gar zu negieren oder es ins Lächerliche zu ziehen. Heimat ist für mich immer noch das Land und die Deutschen, für die ich einmal lange Jahre bereit war, als Soldat, auch mein Leben einzusetzen. Allmählich verliere ich durch Merkel, die Grünen und die Überfremdung diese Identifikation. Zumindest ist Merkel nicht MEINE KANZLERIN!

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 3. Juni 2017 - 16:39

Antwort auf von Dr. Lothar Sukstorf

John Denver "Take me home, country roads".
Und um es klar zu sagen, meine Wege führen in keine `Wüste´, weder mental noch real.
"Wehe, die Wüste wächst". Herr Trump, auch in den USA?