Wähler in der Wahlkabine
Lassen ansonsten harmlose Zeitgenossen in der Wahlkabine ihren Ressentiments freien Lauf ? / picture alliance

Gegen Demokratie? - Politische Systeme sind keine Maschinen

Kolumne Grauzone: Der amerikanische Politologe Jason Brennan fordert, die Demokratie durch eine Herrschaft der Wissenden und Informierten zu ersetzen. Brennans Gedanken sind erfrischend tabulos und wichtig. Er macht aber einen Kardinalfehler

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Jason Brennan ist Politologe und Philosoph. Und der Mann traut sich was. Schon der Titel seines neusten Buches ist eine Provokation: „Gegen Demokratie“. Und damit auch ja kein Missverständnis aufkommt, legt der deutsche Untertitel nach: „Warum wir die Politik nicht den Unvernünftigen überlassen dürfen“.

Klarer geht es kaum. Entsprechend herausfordernd ist das Grundanliegen von Brennans Buch. Insbesondere in Deutschland ist es schlicht ein Sakrileg. Denn Brennan argumentiert in seiner Streitschrift dafür, das allgemeine Wahlrecht abzuschaffen und durch eine Epistokratie zu ersetzten, eine Herrschaft der Wissenden und Informierten.

Das ist starker Tobak und alles andere als politisch korrekt. Denn Brennan bricht mit seinem Buch gleich mehrere Tabus: Er hält das Wahlrecht für kein Menschenrecht, Demokratie für keinen Wert an sich und die wenigsten Menschen für demokratiefähig. Mehr noch: Demokratie korrumpiert den Menschen geradezu, so Brennans Argument. Sie macht aus harmlosen Zeitgenossen, die sich für so schöne Dinge wie Fußball, Bücher, Promitratsch oder Essen interessieren, irrationale Monster, die in der Wahlkabine ihren Ressentiments freien Lauf lassen.

Niedrige Wahlbeteiligung? Toll!

Doch die Demokratie trübt nicht nur unser Urteilsvermögen, sie setzt vor allem keinerlei Anreize, daran etwas zu ändern: Da die Stimme eines Ahnungslosen gleich viel wiegt wie die eines Informierten, gibt es für den unwissenden Zeitgenossen keinen Grund, sich besser zu informieren. Das hat nach Brennan verheerende Auswirkungen. Denn die schlecht informierte, inkompetente Masse der Wähler hat eine Schwäche für ebensolche Politiker. Ergebnis: Die Demokratie ist den politischen Herausforderungen immer weniger gewachsen ist.

In das übliche Klagelied über niedrige Wahlbeteiligungen kann Brennan daher nicht einstimmen. Im Gegenteil. Der Rückgang der politischen Beteiligung ist für ihn ein guter Anfang. Aber der reicht noch nicht. Noch immer wählen zu viele uninformierte Menschen. Und das macht Demokratie zu einem denkbar schlechten Werkzeug, um die Probleme unserer Welt zu lösen. Die Vorstellung, es sei irgendwie wünschenswert, den Bürger möglichst umfangreich in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen, ist für Brennan daher blanker Unsinn.

Brennans Kardinalfehler

Keine Frage: Da muss der durchschnittliche deutsche Demokratieliebhaber mehrmals schlucken. Dabei hat Brennan in zumindest einem Punkt Recht. Demokratien sind dysfunktional. Ginge es in der Politik vor allem darum, effizient Probleme zu lösen, würde man wahrscheinlich andere politische Akteure einsetzen – ganz sicher aber keine gewählten Parlamente.

Doch genau hier liegt auch schon der Kardinalfehler von Brennans Argumentation – und der ist erschreckend naiv. Denn im Kern läuft der Gedankengang des amerikanischen Politologen darauf hinaus, festzustellen, dass die Demokratie einen „ausschließlich instrumentellen Wert hat“. Da sie diesem instrumentellen Wert aber nicht genügt, muss sie, so die Schlussfolgerung, durch eine andere Staatsform ersetzt werden, die besser funktioniert. Und besser funktionieren würde, so Brennans feste Überzeugung, ein Wahlrecht nur für die wirklich Informierten – also besagt Epistokratie.

Legitimation und Verbindlichkeit

Nun könnte man natürlich argumentieren, dass Brennans Vorschlag zirkulär ist. Denn wer bitte schön soll entscheiden, welche Bürger als informiert zu gelten haben. Die Informierten? Und anhand welcher Kriterien soll man das feststellen?

Doch dieser Einwand ist, wenngleich tragend, zunächst pragmatischer Natur und übergeht den gedanklichen Hauptfehler Brennans. Und der liegt in einer fundamentalen Fehleinschätzung des Wertes der Demokratie. Denn politische Systeme sind keine Maschinen. Sie sind nicht nützlich, wie ein Auto nützlich ist. Deshalb auch liegt der Wert der Demokratie nicht in ihrer Problemlösungsfähigkeit, sondern in ihrer Legitimität.

Dadurch, dass alle Bürger eines Staates ihr Wahlrecht ausüben können, ungeachtet wie ungebildet oder ahnungslos sie sich gegenseitig einschätzen, bekommt der demokratische Entscheidungsprozess ein hohes Maß an Verbindlichkeit. In pluralistischen Massengesellschaften gibt es keine bessere Legitimation gerade auch umstrittener Entscheidungen.

Staatsform für Erwachsene

Jason Brennan hat ein wichtiges Buch geschrieben. Weil er Fragen stellt, die sonst kaum einer stellt. Weil er Gedanken denkt, die nur wenige denken. Und weil er versucht, tabulos Antworten zu geben.

Doch einen Vorwurf muss man ihm machen: Er zeichnet ein erschreckend vereinfachtes Bild von modernen Gesellschaften und ihren politischen Systemen und kommt so zu noch einfacheren und erschreckenderen Lösungen.

Denn die Modernität der Demokratie liegt gerade darin, die Vielschichtigkeit und Unübersichtlichkeit der Welt aufzufangen. Eben weil nicht immer klar ist, was eine wichtige, eine nebensächliche oder gar eine falsche Information ist, sind demokratische Prozesse so wichtig, in denen nie das letzte Wort gesprochen ist und immer noch einer mitreden kann. Kindlichen Gemütern bereitet das ein tiefes Unbehagen. Doch Demokratie ist eine Staatsform für Erwachsene, die gelernt haben, mit Defiziten umzugehen.

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Ulrich Baare | So., 9. April 2017 - 11:52

Sehr geehrter Herr Grau,

ich stimme mit ihrer Argumentation überein, würde aber meinen argumentativen Schwerpunkt anders lagern.
Brennans' Argumentation läuft auf die Herrschaft der Exerten hinaus - also das seit Platon alte Lied der Herrschaft der 'Besten'.
Der fundamentale Fehler dabei ist es, dass hier idR. Glaube mit Wissen verwechselt wird.
Für die meisten komplexen, meist einmaligen Probleme kennt niemand die Lösung. Und solche Probleme hat man meist dann vor sich, wenn 2 'Experten' unterschiedliche Ergebnisse dazu haben. Glaube setzt da ein, wo nun diese Experten behaupten, dass sie die jeweilige Lösung besitzen würden - ohne es derart nachweisen zu können, dass sie alle überzeugeen können. Im Grunde könnte jeder Machthaber würfeln: ob es der Alleinherrscher ist, oder das Expertengremium oder eben ein (Staats-)Volk: ob die Entscheidung richtig war oder nicht, zeigt sich später. Der Unterschied besteht nur in der Legitimation.

Herbert Weidner | So., 9. April 2017 - 12:15

Was Brennan vorschlägt, gab es bereits mehrfach in der Geschichte. Vor einigen Jahrhunderten war die Beherrschung durch den allmächtigen Adel üblich, die neben Bauernaufständen auch die französische Revolution verursachte. Aktuell gibt es die Kommunistische Diktatur in der UdSSR und in China durch "allwissende" Eliten.
Der Vorschlag von Brennan erzeugt ein Kernproblem, das ich nie erleben will: Eine Staatsführung durch "Wissende und Informierte" kann (und wird) immer auf seine Überlegenheit hinweisen und seine Herrschaft - nicht nur zeitlich - unbegrenzt ausüben. Auch, wenn diese Gruppe "Allwissender" massive Fehlentscheidungen zum Nachteil der Untergebenen getroffen hat. Jeder Einblick durch "dumme Bürger" in diese Art der Staatführung muss vermieden werden.
Nö, nö. Lieber Demokratie mit all ihren Unzulänglichkeiten als Diktatur durch eine kleine, verschworen Gruppe, für die alle Untergebenen per Definition dumm sind. Dazu empfiehlt sich die Lektüre der Fabel "Animal Farm" von Orwell

Andreas Müller | So., 9. April 2017 - 12:32

Ebensowenig, wie wir uns hätten den Unsinn aufschwatzen lassen, dass Demokratien per se und unabhängig vom Völkerrecht berechtigt seien, Kriege gegen Autokratien zu führen, sollten wir uns jetzt die Demokratie mit so billigen Argumenten abschwatzen lassen.
Es gibt schlicht keine objektiven Kriterien, um festzustellen, wer genug weiß, um mitbestimmen zu dürfen. Wir alle ahnen, wie leicht das notwendige Wissen zu einem vorgeschriebenen Konformismus umgebogen werden kann.
Darüberhinaus stimme ich dem Legitimitätsargument von Herrn Grau und seinen Schlussfolgerungen sehr zu.

Bernd-D. Wieth | So., 9. April 2017 - 13:02

Wie man das macht, kann in Platons Staat nachgelesen werden. Es empfiehlt sich, anschließend die Kritik Poppers, Die offene Gesellschaft und ihre Feinde (Bd. 1) dagegen zu lesen.
Wie sich so ein System entwickeln könnte, steht dann in George Orwells, Farm der Tiere.
Gibt es keine besseren Ideen, wie man eine Gesellschaft entwickeln kann?

Peter Schultheiß | Do., 13. April 2017 - 08:23

Antwort auf von Bernd-D. Wieth

Vielleicht lohnt sich ´mal ein Blick zurück: War das preußische 3-Klassen-Wahlrecht wirklich undemokratisch?

Stephan Herget | So., 9. April 2017 - 13:31

Demokratie macht keinen Sinn, solange keine Notwendigkeit dazu besteht, über die richtige Politik zu streiten.
Dies ist immer der Fall, wenn "objektiv" ermittelt werden kann, wie "gute" Politik auszusehen hat.
Deshalb konnten z.B. die Kommunisten nicht wirklich etwas mit Demokratie anfangen und auch sog. aufgeklärte Geister wie die Grünen oder atheistisch-naturalistische "Brights" tun sich damit mitunter schwer. (Dr. Schmidt-Salomon z.B., der Sprecher der Giordano-Bruno-Gesellschaft hat ein Buch mit dem vielsagenden Titel "Keine Macht den Doofen" verfasst). Die Reihe der Beispiele lässt sich noch lange fortsetzen ...

Wer klüger ist als Andere, würde sogar unverantwortlich handeln, nähme er die Meinung irgendwelcher Deppen tatsächlich ernst.
Was Mr. Brennan schreibt ist deshalb nur alter Wein in neuen Schläuchen.

Dr. Lothar Sukstorf | So., 9. April 2017 - 13:35

Demokratie ist kein Wert sondern NUR ein System, das wir uns gegeben haben! Die Frage, wer sollte regieren, ist schon Jahrtausende alt. Nachzulesen bei den wichtigsten griechischen Philosophen(z.B. Platon). Natürlich ist Demokratie dysfunktional; besser gesagt, sie ist dysnomisch. Während sich die Welt um uns herum exponentiell beschleunigt(siehe z.B. im Finanzsektor, der Hochfrequenzhandel) siehe Merkels Credo, die Digitalisierung, reagiert ein demokratisches System - in diesem "kybernetischen System" wie eine Schnecke auf Stör/Fehlergrössen. Demokratie funtioniert nicht in Krisen, und da wir uns in einem weltweiten permanenten krisenhaften Zustand befinden, ist unser System ständig überfordert und erodiert deswegen stets und beständig. Die Reaktionen sind z.B. hektisch neue Gesetze zu erlassen, wie Maas es versucht. Grau's wie anderer Fehler ist, stets eine quasi "teleologische Beweisführung" für die Erfolgsgarantie durch die Demokratie anführen zu müssen. Sie ist nicht zu überhöhen

Beat Leutwyler | So., 9. April 2017 - 13:37

Zitat: „Warum wir die Politik nicht den Unvernünftigen überlassen dürfen“ --- Da bin ich als Schweizer absolut seiner Meinung. Mich erstaunt eigentlich nur, dass es in allen Demokratien der Welt, ausser der Schweiz, trotzdem genauso gehandhabt wird und auch noch verteidigt wird.

Kein verabschiedetes Gesetz geht in legitimiertes Recht über, ohne dass alle vollumfänglich darüber informiert worden sind.
Ist jemand nicht einverstanden hat er 100 Tage Zeit 50'000 Unterschriften zu sammeln. Die Volksabstimmung selbst ist nur der Akt der Legitimation und kommt nur bei vielleicht 10% der Vorlagen vor.

ist ein prima Beispiel, wie echte Demokratie funktionieren kann, geht aber leider nur in einem Land mit begrenzter
Einwohnerzahl.
Da im Allgemeinen die "Eliten" nicht dran interessiert sind, dass das "Volk" ihnen in ihre Privilegien pfuscht, wird dem Stimmvieh vorgegaukelr, dass es alle 4 od. 5 Jahre was zu sagen hätte, den Rest der Zeit bitte Klappe halten.
Ich sehe zwar auch keinen Weg, wie man die Altgriechische Demokratie wiederbeleben könnte bei den Massen von Wählern, es sollte nur möglich sein, dass auch normale Bürger sich zusammentun und unfähige, korrupte Politiker absetzen können. Ausserdem sollte nur eine einmalige Wiederwahl Gesetz sein, damit würden die faulen Sesselpuper gezwungen, was zu tun für ihr Geld.

Jürgen Streeb | So., 9. April 2017 - 13:43

Nun, ganz so neu sind die Gedanken Herrn Brennans ja nicht. Ihr äußerst provokanter Charakter gewinnt meines Erachtens in der Frage: Repräsentative versus direkte Demokratie deutlich an Brisanz. Wenn man Ihrem Gedankengang, Herr Grau, konsequent folgt, müsste doch eigentlich die Frage zugunsten der letzteren Option entschieden sein. Das findet natürlich bei den gewählten Volksvertretern kaum, wenn überhaupt Akzeptanz. Haben wir im Grunde vielleicht doch schon eine Herrschaft der "Wissenden"? Wissend zumindest in dem Sinn, dass die Protagonisten ihre Felle davonschwimmen sehen.

Josef Garnweitner | Mo., 10. April 2017 - 16:49

Antwort auf von Jürgen Streeb

Herr Streeb, haben wir eine Herrschaft der selbsternannten Eliten, der selbsternannten Wissenden.

Bedenkt man dann aber, daß Elite "Auslese der Besten" bedeutet. Sich ferner die Lebensläufe unserer sog. Eliten anschaut. Dann kommen einem schon arge Zweifel, ob die Herrschaften auf den richtigen Stühlen sitzen.

Ihre erwähnte direkte Demokratie wäre von allen Regierungsformen sicher die beste.

Aber um die zu bekommen, bedarf es vermutlich einer Revolution, denn freiwillig ändern die Entscheidungsträger sicherlich nichts.

Sie erinnern sich bestimmt an den Spruch Schröders: "Wenn man einen Teich trockenlegen will, fragt man doch auch nicht vorher die Frösche."

Jürgen Streeb | Mo., 10. April 2017 - 17:01

Antwort auf von Josef Garnweitner

Wie wahr, Herr Garnweitner! Wahrheit, ein hohes Gut, das aber in diesem Fall schmerzlich ernüchternd ist.

Reiner Jornitz | So., 9. April 2017 - 13:47

Sehr geehrter Herr Grau,
sicherlich wissen sie , das Herr Brannan sich kolossal mit seiner Darstellung von demokratietauglichen und untauglichen Wählern irrt. Weil jeder einzelne Mensch in diesem Land ein gewisses Feingefühl oder im Volksmund Bauchgefühl hat. Er kann somit für sich selber einschätzen ob das gut oder schlecht ist. Nach einiger Zeit verlieren Politiker die Achtung und Respekt von denen Menschen die ihr Vertrauen in einer Wahl geschenkt haben. Man nennt das heute Arroganz und Abgehobenheit von der Realität , wie es uns derzeit in unserem Land praktiziert wird. Deshalb sollte man niemals den Menschen in diesem Land -ob Fachkenntnis oder keine - keine vernünftige Entschlussfähigkeit zutrauen. Leider ist es gerade anders herum ! Das wir derzeit die schwächste und von Lobbyisten manipulierte Regierung haben , die überhaupt nicht im geringsten die Menschen in diesem Land repräsentiert. OHNE STOLZ UND RÜCKRAD

Dr. Lothar Sukstorf | So., 9. April 2017 - 13:59

Wir, die "Theten" der modernen Demokratie, sind im Gegensatz zu Grau's These, nicht in der Lage Vielschichtigkeit und Unübersichtlichkeit einzuordnen. Modernität, sollte definiert werden, so ist es nur eine leere Worthülse. Modernität bedeutet heute in der praktischen Politik eines Parlamentes, inflationäres Gesetzesgebären. Unser System befindet sich auf einem absteigenden Ast, die politische Klasse schwingt dennoch Lobeshymnen(siehe Gauck), unser System trocknet aus, es verdorrt...und dieser Prozess wird durch solche Protagonisten wie Merkel noch beschleunigt. Uns geht - das Mit -Können-Bewusstsein in der Demokratie - abhanden(vgl. dazu Christian, Meier, die Entstehung des Politischen bei den Griechen).

Gerdi Franke | So., 9. April 2017 - 14:23

Soviel ich weiß, beginnt die Macht der Eliten sich aufzulösen. Sie haben lange genug versucht, die Mehrheit zu beherrschen. Sie sind weder klüger noch besser informiert, nur eingebildeter!

Hans Jürgen Wienroth | So., 9. April 2017 - 14:46

Jeder Mensch in einer Demokratie kann nur so gut informiert sein wie es der Journalismus zulässt. Wenn der Journalismus sich mit der Politik gemein macht hat auch der intelligenteste Mensch keine Chance für eine kluge Wahl. Er kommt erst gar nicht an die Informationen die er für eine Entscheidung benötigt.
Auch in einer Epistokratie muss der Entscheider an die notwendigen Informationen gelangen können. Die Epistokratie beschränkt sich heute nach meiner Einschätzung auf wenige führende „politische Eliten“. Der Bürger wird mit viel Populismus in eine Richtung gedrängt und hat im Grunde keine freie Wahl weil ihm die Grundlagen bewusst vorenthalten werden.

Robert Polis | So., 9. April 2017 - 16:15

Anscheinend ist der Aphorismus von (politischer) "Philosophie als Fußnoten zu Platon" (zustimmende, ablehnende, kenntnisnehmende Fußnoten) immer noch nicht verkehrt:
Zum Thema des Artikels ist es hilfreich, in die Politeia VIII hineinzuschauen (mit gedanklicher Übersetzung der Begriffe zu Staatsformen natürlich). Es ist erstaunlich, wie aktuell die Beschreibung von im Artikel / von Jason Brennan angesprochenen Gedanken erscheint.

Übrigens sind nicht nur die Abschnitte zu anderen aktuellen Themen wie "Gerechtigkeit" (IV) und "Anliegen des Feminismus" (V) wert, gelesen zu werden.

Vielleicht ist in der Urlaubszeit die Muße zum Lesen da - aber besser nicht in der Karl-von-Prantlschen Übersetzung aus den 1850er (?) Jahren.

peter hauser | So., 9. April 2017 - 16:41

Zu viel < Brennean >, aber "die vergehende Zeit" ruft.
Transparenz im Politischen ist wohl erwünscht, aber nie gegeben.
<Politische Systeme> sind immer interessenbezogen!

Also,jedes Bild ist <erschreckend> einfach.
"Denn die Modernität der Demokratie liegt gerade darin, die Vielschichtigkeit und Unübersichtlichkeit der Welt aufzufangen.".....wie naiv muß ein solches Urteil sein?

Denn der menschliche Intellekt unterscheidet,nie komplex,wenn Klarheit vor gegeben wird und Unübersichtlichkeit erwünscht ist und dann gefordert, eindeutige Entscheidung zwar erwünscht ist; doch:
"Demokratie ist eine Staatsform für Erwachsene, die gelernt haben, mit Defiziten umzugehen."......wie naiv !! Noch Fragen?
Es lebe der mündige Bürger!

helmut armbruster | So., 9. April 2017 - 17:26

warum sagt Herr Grau nicht, dass schon ein gewisser Platon solche Ideen hatte?

Bernhard Kopp | So., 9. April 2017 - 17:40

Brennan erscheint als eine interessante intellektuelle Turnübung. Ähnlich wie manchmal die Beschäftigung mit Libertären (Mises, Hayek u.a.) erfrischend zur tatsächlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik sein kann. Neben diesen intellektuellen Turnübungen sollten wir aber unser tatsächliches demokratisches System, Parteien, Repräsentation und Legitimität, Mitwirkung uvam. als zentrales Anliegen im Auge behalten. Es schadet nicht, wenn eine grosse Zahl von Wählern mit relativ wenig Sachkunde und sehr emotional entscheidet. In der Summe sind die Instinkte meist nicht falsch. Trotzdem muss das System für den Kundigen fair funktionieren. Oder es wird zerfallen.

Samuel von Wauwereit | So., 9. April 2017 - 17:48

Na was ein Glück, dass Brennan sich und uns nicht gemeint hat, oder? Aber Scherz beiseite. Brennans Geschreibsel ist doch nur der altbekannte Demokratische Zentralismus Lenins in anderer Form. Was wir brauchen ist nicht weniger Demokratie, sondern weniger Politiker, die sich alle Bereiche des täglichen Lebens einmischen und lustig und vergnügt auf Steuerzahlers Kosten leben.

Enrico Tuttino | So., 9. April 2017 - 17:52

in der EU seit 30 Jahren haben eine Welt von Freiheit zelebriert, was nicht mehr zu erweitern ist. Statt harte Abschiebungen und Grenzenschließungen durchzuführen, werden sie jetzt Steinblöcke an den Straßenränder platzieren. Diese Systeme haben unsere Freiheit beraubt und uns in einer Welt von täglichen Unsicherheiten und der Angst von Armut und Arbeitslosigkeit geschaffen, Der Islam bringt alles in seiner Sinne in Ordnung, die armen Kopten und Zivilisten in der Welt, ein Beten, wie in Rom wird auch nicht mehr helfen....

Nicolas Wolf | So., 9. April 2017 - 21:07

Was hier beschrieben wird ist nicht starker Tobak, sondern einfach nur dreist, denn es verkennt worum es im eigentlichen Sinne geht. Es geht um die Organisation der Macht des Staates. Was ist der Staat? Eine Struktur die unter Androhung von Gewalt und Freiheitsentzug Steuern einzieht, um damit Dinge zu finanzieren, nichts sonst. Seine Legitimation stützt sich daher auf zwei Dinge: 1. die Zustimmung derer die den Staat mit Steuern finanzieren und 2. die Bereitschaft derer die vom Staate leben die Steuern mit Gewalt einzutreiben. Sollte man daher über eine Ausschluss von Menschen am demokratischen Prozess nachdenken, so ist der anständigste und vernünftigste Gedanke, hier zwischen Steuerzahlern und Steuerempfänger zu trennen, wobei Steuerzahler nur in der Privatwirtschaft vorzufinden sind und nur diese am aktiven Wahlrecht teilhaben sollten. Denn nur von ihnen sind Steuern zu erwarten, die den Staat ermöglichen. Die "Informierten" wären höchstwahrscheinlich nur tyrannische Schmarotzer...

Diese Idee will mir seit langem nicht mehr aus dem Kopf: Der Staat hat die Aufgabe, eingesammelte Steuern zum Nutzen der Bewohner auszugeben, er muss auch für deren Sicherheit sorgen. Wer nichts einzahlt (Hartz4, Kinder, Rentner,..) darf auch nicht darüber entscheiden, wofür die Steuern ausgegeben werden. Problem ist nur: Wie hoch ist die Mindeststeuer? 20 %? Es genügt nicht, symbolisch einen Euro beizusteuern, nur um mitbestimmen zu können.

Dimitri Gales | So., 9. April 2017 - 21:38

Theorie und wenig Praxis. Deshalb findet in der Politik wenig Intellektuelle, weil die eben die Realität erst einmal theoretisch angehen und dann zu Idealbildungen neigen - so aber funktioniert die Gesellschaft nicht. Die jetzige Demokratie in den westlichen Ländern krankt an einem ganz anderen Syndrom, dass nicht allein durch "Wissende und Informierte" geheilt werden kann.
Ausserdem: Vereinfachungen sind Markenzeichen des Totalitarismus.

Rolf Bergmeier | Mo., 10. April 2017 - 02:56

Man muss ja nicht gleich von jedem Wähler eine hohe Bildung verlangen. Es reicht, wenn wir diese Forderung an die Bundestagsabgeordneten stellen. Für jeden höheren Beamten werden Eingangsfordeungen gestellt, aber für einen Bundestagsabgeordneten, der über das Schicksal des Volkes mitbestimmt, nicht. Also, keine abgebrochenen Theologiestudenten mehr, keine reine Parteihochkömmlinge, keine Volksschullehrer mit zweijähriger Praxis, keine reinen Gwerkschaftsvertreter. Das römische Riesen-Weltreich wurde rund 500 Jahre von 300-600 Senatoren regiert, die in den meisten Fällen alle Stufen des damaligen Schulsystems durchlaufen, häufig Philosophie studiert und zum Teil als Prokonsuln Auslandserfahrung hatten. Was für ein Unterschied zu unserern Parlamentarierern.

Jeden einigermaßen Gebildeten schrecken die sprachlichen Umgangsformen innerhalb der Politikerkaste ab. Das ist meist starker Tobak, der so manchen abschreckt, der denkt, bevor er den Mund aufmacht. Dazu kommt: Wer als Politiker vorwärts kommen will, muss sich bei jeder Versammlung (vom Sportverein bis ins Bierzelt) sehen lassen und dabei viel Zeit verbringen. Wann hat er Zeit, sich weiterzubilden? Entweder redet man auf niedrigem Niveau überall mit oder man sucht im stillen Kämmerchen nach Lösungen. Zwischen diesen beiden Lebensweisen gibt es kaum eine Schnittmenge.

Dr. Lothar Sukstorf | Mi., 12. April 2017 - 07:32

Antwort auf von Herbert Weidner

es heißt immer, die Politiker, die wir uns wählen, entstammen aus unserer Mitte, sie seien nicht besser und schlechter als die Gesellschaft, die sie wählt. Das ist nur theoretisches Geschwafel, denn die entsandten Abgeordneten werden meist in den sogenannten "Hinterzimmern" ausgekungelt. Das Prinzip, der Besten-Auswahl wird so ad absurdum geführt. Wenn man zurückdenkt an die 50ziger und 60ziger Jahre, damals war das Parlament durch Intellektualität und durch politischen Instinkt und Durchsetzungsfähigkeit geprägt. Heute haben wir stattdessen mediokre Charaktere, die, nach eigenem Bekunden, täglich unsagbar wichtige Entscheidungen zu treffen haben - so nach dem Motto, uns drückt die Last der Verantwortung so nieder, daß wir fast den aufrechten Gang verlernt haben. Merkel hätte es unter Adenauer oder Erhardt nicht mal zur Vorzimmerdame geschafft. Ich glaube kaum, daß sie das Intellektuelle hat, z.B. den Debatten z.B. Schmidt/Guttenberg/Strauß/ Carlo Schmidt, Fritz Erler, etc. zufolgen...

Josef Garnweitner | Mi., 12. April 2017 - 16:01

Antwort auf von Dr. Lothar Sukstorf

Herr Dr. Sukstorf, ein Ausschnitt aus einem Interview mit Heinrich Weiß, 4o Jahre lang Chef des Anlagenbauers SMS, immerhin 12ooo Beschäftigte, und anerkanntermaßen einer der fähigsten deutschen Manager. H. Weiß wollte zu Zeiten Helmut Kohls in die Politik gehen. Kohl hat es nicht geschafft - oder wollte er es nicht? - für H. Weiß einen Listenplatz in dessen Heimatstadt Düsseldorf zu bekommen.

Ein israelischer Schriftsteller und Journalist hat gesagt, in der Politik ist Fachwissen absolut unerwünscht.

Wissen Sie wie ich unseren Bundestag immer nenne? Alles Komiker! Bitte um Entschuldigung bei den wenigen wirklich guten Komikern.

Cornelia Gilsbach | Mo., 10. April 2017 - 08:47

Wie sagte schon Churchill? "Die Demokratie ist das schlechteste aller politischen Systeme. Außer allen anderen."
Wenn ich mir so angucke, was sonst noch so an Systemen auf dem Markt ist und praktiziert wird, von Russland über Venezuela bis zu Ägypten, Kuba oder auch Nordkorea... dann haben wir noch die bestmögliche Variante hier in Europa. Auch da allerdings national unterschiedlich. Je älter eine Demokratie, desto stabiler die Strukturen und desto besser die Checks and Balances. Man sieht es an GB zum Beispiel, wo Politiker sang- und klanglos zurücktreten. Hier in D fast nicht mehr vorstellbar, daß einer von denen tatsächlich mal die politische Verantwortung übernimmt für den Mist, den er/sie gebaut hat.

Andreas Ulbrich | Mo., 10. April 2017 - 09:23

Die Wissenden und Informierten haben uns mit dem Ersten und den Zweiten Weltkrieg und mit Auschwitz beschenkt. Etwas weniger schlimm, aber auch sehr wissend und informiert waren der (in einigen Volksabstimmungen durchgefallene) Euro und seine Rettung und der deutsche Spätsommer 2015. Warum wohl hat die Schweiz mit diesen Segnungen der Wissenden und Informierten nichts zu tun?

helmut armbruster | Mo., 10. April 2017 - 15:37

Antwort auf von Andreas Ulbrich

denn ihre direkte Demokratie hat gegenüber unserem System bemerkenswerte Vorteile, selbst dann, wenn man das Volk insgesamt für dumm hielte (was es nicht ist, wie viele Volksabstimmungen in der Schweiz bewiesen haben).
Schweizer Politiker und Parteien können Volkes Meinung nicht einfach ignorieren oder bagatellisieren, wie das bei uns geschieht, indem unsere Politiker darauf setzen, dass Volkes Gedächtnis kurz ist und die nächsten Wahlen weit weg. Ein Volkbegehren ist jederzeit möglich u. jeder Politiker stünde blamiert da, würde seine Initiative vom Volk abgelehnt.
Das ist ein sehr wirksamer Kontrollmechanismus der Macht, besser als jeder andere, den ich sonst kenne.

Robert Flag | Mo., 10. April 2017 - 09:39

Amateure haben die Arche gebaut, Profis die Titanic.

Martin Arndt | Mo., 10. April 2017 - 09:58

Danke für den Hinweis auf diesen Theoretiker, der, so mein 1.Eindruck viel (auch:Unbehagen) erklären kann. Glaubt aber Herr Grau an seine eigene Kritik? Wir können uns doch, der Neuzeit sei Dank, aus vertragsbasierten Bündnissen lösen, wenn sie ihre Funktion nicht länger erfüllen. Das Interesse ist doch wichtiger als die von Herrn Grau aus dem Himmel geholten 'Werte'. Diese Staatsmetaphysik erinnert an ganz schlechte Traditionen.

Ralf Müller | Mo., 10. April 2017 - 10:19

Politik sollte Fakten und deren wissenschaftliche Bewertung sehr ernst nehmen. Umgekeht sollte niemand einer maschinenmäßigen Technokratie von Politik - die es so nicht geben kann - das Wort reden. Am Ende ist Gradmesser, ob Politik in Demokratien in der Lage ist, effizient Probleme zu lösen. Das ist nicht der Fall. Deshalb hat diese Form der Demokratie keine auch Zukunft. Das mögen Grundgesetzfetischisten traurig finden.
Die Realität wird auch sie einholen. Wie immer.
Und der später zur Behebung der Probleme zu zahlende Preis, wird ungleich höher ausfallen.
Ein Strafpreis sozusagen.

Dr. Roland Mock | Mo., 10. April 2017 - 10:22

Ich finde, der höchstoriginelle Jason Brennan hat den Finger in die Wunde gelegt. Ich bin schon immer der Meinung, daß Mehrheitsentscheidungen nicht per se kluge Entscheidungen sind. Ich glaube auch nicht an Vernunft und Weisheit des Wahlvolkes. Da stimmen Leute, die mit Ach und Krach der Grundrechenarten mächtig sind über komplexe Themen wie Wirtschaft, EU und Außenpolitik ab. Und was brächte eine höhere Wahlbeteiligung? Daß Leute, die von Wahlhelfern bestimmter Parteien mit entsprechender Klientel zur Wahlurne kutschiert werden und im Zweifelsfall noch nie nennenswert Steuern bezahlt haben, über eine Erhöhung der Steuersätze ab. Ob das das Ergebnis verbessert? Und Kinderlose über Kindergeld und Junge über Renten etc. etc. "Gerecht" ist das nicht. Allein: Wie Herr Grau schreibt, geht es bei Wahlen nicht ausschließlich um Rationalität. Und: Ich wüßte nicht, wie es anders gehen sollte, ohne die Axt an die Wurzeln unseres Gemeinwesens zu legen.

helmut armbruster | Mo., 10. April 2017 - 11:58

es gibt bekanntlich nicht nur Lieschen Müller, sondern ebenso Dr. Lieschen Müller
Bildung ohne gesunden Menschenverstand bringt gar nichts.
Viele Naziverbrecher stammten aus gebildeten Familien und waren selbst auch gebildet. Das gewährte ihnen keinen Schutz vor der mörderischen und hirnverbrannten Ideologie.

Ralf Müller | Mo., 10. April 2017 - 12:11

Das viel beschworene Geminwesen ist eine Erfindung.
Tatsächlich gibt es das in der BRD so nicht mehr. Die Gesellschaft ist maximal fragmentiert und Dank merkel hat dies deutlich zugenommen. Früher war ich für Familienhilfe. Heute nicht mehr. Wozu soll ich Migrantenkinder finanzieren?
Früher war ich für den Sozialstaat. Heute nicht mehr, den wozu soll ich importierte leistungsempfänger unterhalten? Sehen Sie was passiert. man hat uns entfremdet. Vollständig. Um welches Gemeinwesen geht es also? Vielmehr geht es um viele kleine Nischenwesen. Zudem gibt es komplexe Lagen aber mitnichten sind alle unsere problemlagen komplex. Politik macht sie gerne complex, um dann mit noch komplexeren Lösungen das Volk zu verdummen. Genauso falsch ist die Behauptung, komplexe problem bedürften immer komplexer Antworten. Das ist nur der Fall, wenn man das falsche System belässt wie es ist.
Trump ist hier Beispiel. Er will das System ändern, damit anschließend einfache Antworten greifen.

geht es auch weniger egoistisch? In jedem Lebewesen gab/gibt es Schmarotzer. Wer es fertig bringt, deren Anzahl ausreichend gering zu halten, lebt ganz gut. Ein Staat ist wie Bienenvolk: Die meisten arbeiten zugunsten der Gemeinschaft, eine einzelne Biene kann unmöglich überleben. Ich halte es auch für ein Märchen, dass Politiker unnötig komplexe Lösungen erfinden - die meisten sind gar nicht fähig dazu. Die sind genauso einfältig wie Hinz und Kunz, bilden sich aber mehr ein.

Dr. Lothar Sukstorf | Mo., 10. April 2017 - 13:36

Gleichwohl, unser System von Demokratie befindet sich in einer permanten Sinnkrise. Viele spüren es und empfinden ein Unbehagen über das "evidente, virulente Versagen" unserer Führer. Da hilft auch kein zur Schau getragenes, "Mit ruhiger Hand" oder mit "intellektueller Distanziertheit", die angebliche Problemlösung anzugehen. Ob angesichts der enormen Beschleunigung der Krisen weltweit, der sich verstärkenden Auswirkungen, die bestehende politische Klasse Probleme lösen kann, muß getrost bezweifelt werden. Ebensowenig ist eine Epistokratie-Platonischer Prägung dazu in der Lage. Leute, wie Merkel, Hollande und Juncker z.B. wirken in ihrer Langsamkeit nur noch krisenverschärfend und werden zum entscheidenden Teil des Problems(siehe Finanzprobleme Hellas u.a.m.)Trump - egal, ob man ihn mag oder nicht - wirkt hier erheblich beschleunigend auf unsere politischen Führer.

ralf müller | Mo., 10. April 2017 - 14:25

Wer dauerhaft effizient durch alle Krisen steuern will, der braucht einen Fahrplan, ein Konzept, ein Werte-Fundament. Der sollte wissen, wie dieses Land aussehen sollte. Kohl hat das mal Kompass genannt. Der Begriff trifft es gut. Merkel hatte und hat nie einen Kompass. Vom ersten Tag an war es abwarten, aussitzen, umsteuern, anpassen, hinhalten. Dieses permanente auf Sicht fahren, hat das Land nicht nach vorn gebracht. Schröders Reformen wirken nach; Merkel hat hingegen nichts Positives bewirkt. Sie ist eine Verwalterin von Besitzständen. Das ist nicht immer falsch aber es ist zu wenig. Es reicht nicht für so viele Jahre. Hätte sie den Kompass, müsste sie den Kurs mit der Gesellschaft erörtern. Das wäre ihre Pflicht. Ohne Kompass kann sie alles nach ihrem Gusto entscheiden. Bequem ist das.

Cornelia Gilsbach | Di., 11. April 2017 - 10:04

Antwort auf von ralf müller

... das trifft es gut. Gerade fiel mir dazu das Gleichnis aus dem NT von den 3 Knechten ein, denen der Hausherr jeweils eine Anzahl Talente übergibt. Der erste verdoppelt das Geld, der zweite schafft es immerhin noch, einen Gewinn zu erwirtschaften, und der dritte vergräbt es und gibt es dem Hausherrn 1:1 zurück.
Der erste, das waren in unserem Fall die Nachkriegspolitiker unseres Landes, Adenauer, Erhard usw. Der zweite, das wären dann noch Leute wie Schmidt und Genscher gewesen. Der dritte aber: den identifiziere ich problemlos mit Kohl, Schröder und am schlimmsten mit Merkel. Die hat das Talent so lange im Boden vergraben, daß es heute nur noch einen Bruchteil von dem wert ist, was es wert war, als es ihr anvertraut wurde.
Wie es dem nachlässigen Knecht in der Bibel erging, weiß ich auch noch.

Frank Walter | Mo., 10. April 2017 - 15:22

In manchen Dingen kann ich der Rezension zum Buch von Hr. Brennan folgen. Das wesentliche vermisse ich aber:
Die Geschichte der USA ist im Vergleich zur Europäischen Geschichte sehr jung. Das politische System der USA hat sich seit den Tagen von Präsident Washington so gut wie nicht verändert. Während Europa im Laufe seiner 2000 Jahre alle Spielarten politischer Systeme durchlebte/durchlitt. Die Europäer haben daraus gelernt und ein politische System geschaffen, das für alle Europäer 60 Jahre Frieden und Fortschritt beschert hat.
Ein Hr. Brennan kann vielleicht die Amerikaner mit seinem Technokratentum beeindrucken uns Europäer entlockt das nur ein müdes Lächeln.

Harald Hotz | Mo., 10. April 2017 - 17:28

Sagen uns nicht viele Psychologen, daß die Wahrscheinlichkeit psychosozialer Störungen bei Führungspersonal signifikant höher ist als bei Otto Normalverbraucher, der meistens weder zu krankhaftem Ehrgeiz noch psychopathischer Selbstüberschätzung neigt. Meine Forderung wäre eher: Mehr Normale in die Politik! Familienmenschen, Menschen mit Verwandtschaft und Freundeskreis, Menschen, die gerne leben und andere gerne leben lassen! Warum sollen ausgerechnet psychisch auffällige Einzelgänger (-innen) über das Schicksal der Normalen entscheiden.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 10. April 2017 - 19:08

Ach wie `niedlich´.
Amerikaner können sich heutzutage alles erlauben?
Ihre Freiheit zu und über?
Dafür wird Syrien in "Schutt und Asche gelegt", oder anders seit Jahren ein Bürgerkrieg dort finanziert?
Passt gerade so?
Alles andere ist Verschwörungstheorie?
Es tut mir leid, lieber Cicero, ich habe gestern Herrn Kornblum nur Minuten ertragen in seiner m.E. politischen Selbstgefälligkeit und Selbstgenügsamkeit?
Was glauben die Amis, wer sie sind?
Ich kann nicht einmal mehr ein Bild von Obama ertragen.
Gibt es ein Fleckchen auf der Welt, dass US-Amerikaner noch nicht mit ihren Interessen und gerne auch militärisch überzogen haben?
Die USA, eine Weltmacht neben anderen oder eine Heimsuchung?
Wenn das Trump nicht vernünftig für sich beantwortet, müssen die USA mit meiner politschen Abscheu oder besser Geringschätzung leben.
Ich befürchte sowieso, dass ich mich beim Lesen übergeben muss.
Irgendetwas ist faul auf dieser Welt, wenn die USA sich für allein tonangebend halten.
Demokratie ade!

Dr. Lothar Sukstorf | Mo., 10. April 2017 - 20:00

Grau These - im Gegensatz zu Brennan - man müsse die Bürger in politische Prozesse miteinbeziehen, ist rundweg falsch. Das ist nur ein Hohn. In welche Prozesse werden wir miteinbozogen? In die Asylpolitik etwa oder anderes? De Maiziere sagte, man könne bestimmte Sachverhalte ja nicht öffentlich aussprechen, da es die Bürger überfordere...und lt. Merkel sind alle Prozesse ja so komplex und kompliziert; will heißen, liebe Leute, ich überschaue es grade so eben, ihr versteht es nicht, also, lasst mich nur machen. Das ist der gegenwärtige Demokratiestatus. Dem gegenüber stehen die inflationären Meinungsumfragen, die von den Parteien erhoben werden. Haben wir dabei Mitwirkungs-Gestaltungsmöglichkeiten? Nein. Brennan hat recht! Merkels Kanzlerschaft, ihre Art zu führen, hat zur "Entdemokratisierung" in D. geführt, nicht umsonst ist die AfD während ihrer Zeit erstarkt. Aber, Demokratie ist nicht das Ende der Geschichte, wonach,alles so bleibt wie jetzt bis zum Ende der Welt.

Jürgen Streeb | Mo., 10. April 2017 - 20:01

"Deshalb auch liegt der Wert der Demokratie nicht in ihrer Problemlösungsfähigkeit, sondern in ihrer Legitimität".
Aus philosophischer, idealistischer Sicht mag man diesem Statement etwas abgewinnen können, die gelebte Realität hat ein anderes Gesicht. Wenn eine Staatsform, in diesem Fall die Demokratie, sich als unfähig erweist, existentielle Probleme zu lösen und das Wohlergehen und den Fortbestand des Volkes zu schützen und zu ermöglichen, hat sie versagt und verliert automatisch jegliche Form der Legalität. Demokratisch gewählte Volksvertreter erhalten Ihre Legitimation vom Volk. Die obersten Repräsentanten leisten einen entsprechenden Amtseid. Nur unter der Voraussetzung, dass sie diesem Amtseid bedingungslos verpflichtet sind, sind sie legitimiert. Die Erfahrung lehrt, dass die repräsentative Demokratie ihre Schwäche in den Unzulänglichkeiten der Politiker hat.

einen sehr wichtigen Punkt, Herr Streeb. Juristisch betrachtet müßte ein Großteil der Politiker wegen Meineides vor Gericht gestellt werden, da sie nicht entsprechend ihres Amtseides handeln. Oder ist da eine Lücke im GG.

Aber die Sache mit den Krähen steht auch nicht im GG. Trotzdem wird sie laufend praktiziert.

Aber Gesetze gelten ja auch nur für den Otto Normalverbraucher.

Alexander Mazurek | Mo., 10. April 2017 - 23:29

... Fortschritt ohne eine Integration mit der Vergangenheit. Zu diesem Thema gibt es ausführliche und immer noch aktuelle Überlegungen eines Platon und eines Aristoteles, oder den Tanach und die Evangelien - eigentlich nichts Neues unter der Sonne. Wie konnte es dann geschehen, dass der Supreme Court der USA mit der Entscheidung Citizens United v. FEC in 2010 die Demokratie wieder käuflich machte, that's law?! Plutokratie reloaded, oder doch die Ochlokratie? Der Verfall findet statt nur deshalb, weil die entgleiste "Moderne" sich selbst zum Maß aller Dinge macht. "Wenn Greise dich heißen zu zerstören, und Jünglinge dich heißen zu Bauen, dann zerstöre und baue nicht, denn das Bauen der Jünglinge ist ein Zerstören und das Zerstören der Greise ein Bauen" - so der Talmud. Deshalb gibt es diese Kultur immer noch, G-tt sei dank!

Markus Michaelis | Di., 11. April 2017 - 02:07

Der Hauptfehler liegt darin, dass es prinzipiell keine informierten Menschen gibt. Die Welt ist schlicht viel zu komplex, als dass irgendwer irgendetwas wirklich begreifen würde. Der WKI hat z.B. netto wahrscheinlich Menschenleben gerettet durch den technischen, medizinischen und sozialen Fortschritt (Frauenarbeit -> Frauengleichbereichtigung). Er hat als "Great Leveller" (Walter Scheidel + Piketty) wieder mehr soziale Gleichheit hergestellt. War das jetzt geplant, gut oder schlecht? Die meisten Zweifel können wir noch nicht mal ausdrücken, weil Menschen nur ihre Interpretation der Welt sehen. Was wir daher brauchen ist ein wenig Herrschaft der Informierten, gebremst durch viel bunte Breite und etwas Chaos. Da ist unser System im Grunde nicht so schlecht.

Dr.Lothar Sukstorf | Di., 11. April 2017 - 12:00

Lob an den Cicero für diesen Artikel. Interessante Diskussionen und Kommentare dazu. Nachdenkenswertes Thema. Mehr davon!

Ralph Lewenhardt | Di., 11. April 2017 - 13:08

Demokratie ist die einzige Chance, einen Minimalkonsens zwischen Regierungen und großen Teilen der Bevölkerung zu erreichen. Ohne diesen entsteht ein Nährboden für politische Spaltung und Eskalation bei jedem geeignetem Anlass. Viel wichtiger als Demokratieabbau ist die Vervollkommnung der Möglichkeiten, Politik transparenter und mitentscheidbar zu gestalten. Diesbezüglich ist unser Wahlsystem marode und zunehmend gefährlich für den gesellschaftlichen Frieden.

Joachim Wiemann | Di., 11. April 2017 - 16:37

Herrschaft der Wissenden?
Habe ich in der ddr erlebt. Die Allmacht der Partei (in diesem Fall SED) begründete sich auf die "Wissenschaft des Marxismus-Leninismus" und beinhaltete die einzig richtige Wahrheit. Das Ende ist bekannt, aber die jetzt herrschende Parteiendiktatur befindet sich auf dem gleichen Weg. Die Wissende sitzt im Bundeskanzleramt und ihr Wort ist Gebot. Wir schaffen das - eben nicht.

Josef Garnweitner | Mi., 12. April 2017 - 16:20

Antwort auf von Joachim Wiemann

Wiemann. Es hat sich nichts verändert. Nur die Parteien haben andere Namen.

Josef Garnweitner | Do., 13. April 2017 - 14:23

Antwort auf von Joachim Wiemann

Entschuldigung, Herr Wiemann, ich hatte das "Herr" vergessen. War keine Absicht. Soviel Anstand muß sein.

Ralf Grünewald | Di., 11. April 2017 - 20:37

Ich glaube nicht, dass mit uns Menschen echte Demokratie überhaupt möglich ist oder glauben Sie Herr Grau, dass man mit Ehrlichkeit und harter Arbeit Kanzler oder Minister wird? Da wird mit harten Bandagen gekämpft, gelogen, manipuliert und gemobbt was das Zeug hält. Das ist für "anständige" Leute nichts die einfach nur einen guten Job machen wollen. Die Herrschaften "da oben" werden immer den Versuchungen der Lobbyisten erliegen und der Linie der Reichen und Mächtigen folgen. Ich glaube da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Auch ein Herr Schulz und seine SPD wird daran nichts ändern. Insofern finde ich das Wort Demokratie schon reichlich missbraucht und wir sollten endlich ehrlich sein und nicht über eine Demokratie reden die es nur in Worthülsen unserer Eliten gibt um das Volk ruhig zu halten. Das war bei den Römern auch schon nicht viel anders und wie das ausging wissen wir ja.

Gerhard Krohmer | Di., 11. April 2017 - 20:46

Es ist vieles dabei, was mir einleuchtet. Einen solchen "Generalumbau" halte ich aber für sehr,sehr gefährlich, ganz abgesehen davon kann ich mir nicht vorstellen, wie das vonstatten gehen soll.
Ich empfehle zu diesem Thema folgende Bücher:

David Van Reybrouck
"Gegen Wahlen" Warum Abstimmen nicht demokratisch ist "
Wallstein Verlag
und
Bernard Manin " Kritik der repräsentativen Demokratie "
Verlag Matthes & Seitz Berlin

Unser jetziges Demokratie-System muß nicht der Weisheit letzter Schluß sein.

Thomas Nichterlein | Mi., 12. April 2017 - 17:10

Kann Her Grau nicht einmal was Lustiges schreiben?
Bill Gates bekommt alle Stimmen (nein, die Hälfte, seine Frau bekommt die andere, wir sind ja nicht im 19.Jahrhundert). Wenn es aber stimmt, dass Politik ein Theater ist, das die Illusionen der Wähler bedient, ist es gerade recht so wie jetzt gewählt wird und Bill braucht überhaut keine Stimme bei der Zirkuswahl. Die Leute wählen sich die Schauspieler aus (in Deutschland eher nur die Compagnie). Die müssen nur noch machen, was die Wähler wollen, und nicht das, was sie selber wollen oder wovon sie sich einbilden, dass die Mehrheit es will (Frau Merkel hat das in den letzten Jahren immer wieder falsch gemacht).
Deep state ist eine der interessantesten Offenbarungen der letzten Zeit, vorn Zirkus, uU. dysfunktional, in der Kulisse die Industrievertreter (dort hat Bill tatsächlich die meisten Stimmen, wo kämen wir auch sonst hin).

Stefan Sünwoldt | Fr., 6. Oktober 2017 - 21:03

Nun, Herr Brennan fordert die Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts für alle Bürger und dieses durch ein Wahlrecht von Informierten zu ersetzen. Hierdurch wird nichts wirklich gewonnen: Im einen Fall des allgemeinen Wahlrechts wählen Bürger mit in Zeiten medialen Informationsüberschlages immer schnellerem Halbwissen Politiker, welche diese informative Reizüberflutung nicht mehr händeln können und sich auf Lobbyisten verlassen. Im anderen Falle der wie von Brennan vorgeschlagenen Wahl durch gut vorbereitete, ja gelernte Wähler wird der Lobbyismus quasi auf diese Wählergruppe vorverlagert. Ist ebenfalls keine weise Variante. Wir sollten daher bei dem bisherigen System verbleiben, bei welchem ein Mix aus wissenden und unwissenden Wählern besteht - und die Lobbyisten ganz aus den Politikerbüros verbannen, notfalls mit drastigen Strafen...