Hanns Joachim Friedrichs im Studio der ARD-"Tagesthemen" in Hamburg (Archivfoto vom 18.11.1990).
Hanns Joachim Friedrichs blieb stets auf Distanz zur Nachricht / picture alliance

Hanns Joachim Friedrichs - Deutschlands erster Anchorman

Hanns Joachim Friedrichs wäre heute 90 Jahre alt geworden. Er schaffte es wie kein zweiter Nachrichtensprecher, die Menschen vor dem Fernseher zu begeistern. Bis heute prägt er den Journalismus und wurde mit einem Satz unsterblich

Autoreninfo

Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Sein Hamburger Grabstein ist von Buchsbaum und Erika halb zugewachsen; auf ihm steht eingemeißelt: „Hanns J. Friedrichs“. Doch bei Google, das er nicht mehr erlebt hat, findet ihn jeder ganz oben. „Hanns Joa“ reicht, dann prangt sein Name in der Suchzeile. Das ist erstaunlich für einen Nachrichtenmann, der seit einer ganzen Generation nicht mehr dabei ist. Er war nur sechs Jahre lang Erster Moderator der „Tagesthemen“. Und seine Abschiedsworte dort mit rollendem R – „Es war schön bei Ihnen, all´ die Jahre“ – liegen nun schon mehr als ein Vierteljahrhundert zurück. Heute wäre Hanns Joachim Friedrichs 90 Jahre alt geworden.

Sprachgefühl ist nicht erlernbar

Wieso erinnern sich so viele an ihn? Weil er ein Journalist war, den alle verstehen konnten. 1986 schrieb er als neuer „Tagesthemen“-Anchorman im Medium Magazin, das Sprachgefühl sei die Hauptanforderung an einen Journalisten und „das Darstellen komplizierter Zusammenhänge in einfachem, gutem Deutsch ist nicht erlernbar.“

Ihn lehrte das Leben. Geboren wurde er 1927 in Hamm, in Westfalen verbrachte er auch seine Kindheit. Das Abitur machte er auf einem Thüringer Internat, wurde dann Luftwaffenhelfer, Arbeitsdienstler und geriert als Soldat mit erst 18 Jahren in Kriegsgefangenschaft.

Seine journalistische Karriere begann zeitgleich mit der Gründung der Bundesrepublik. Friedrichs volontierte bei einer Zeitung in Berlin, dem Telegraf, der ihn 1949 zur Fortbildung nach London schickte. Dort schrieb er für die BBC, die ihn in ihrem deutschen Dienst einstellte. Später sagte er, in England habe er sich zum Journalisten entwickelt: „Da habe ich gelernt, zu informieren und zu erhellen, also aufzuklären, und dieses Verständnis von Journalismus hat mich vor allerlei Dummheiten geschützt.“ Friedrichs Berichte fielen auf, sein Ton war anders: lockerer, normaler als das häufig noch gepeitscht klingende Nachkriegsdeutsch anderer Reporter.

Distanz zur Nachricht

Für den Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) moderierte er das Lokalfernsehprogramm „Hier und Heute“. 1964 ging er zum ZDF, bei dem er zwei Jahrzehnte bleiben sollte. Er moderierte „heute“, war Korrespondent, leitete viele Jahre die Sportabteilung. 1985 holte die ARD den bald 60-Jährigen für ihre „Tagesthemen“ nach Hamburg. Er sah das als seine letzte Etappe, „von meinen Wünschen her ist das der Abschluss meines beruflichen Lebens“.

In seinen letzten Berufsjahren wurde er zum News-Star – der das Show-Getue stets für „Kiki-Kram, Mickymaus-Journalismus“ hielt. Friedrichs wahrte immer Distanz zur Nachricht, wirkte unbestechlich – trotz eigener politischer Haltung. Einen Satz habe er „mit viel Emphase“ gesagt: „Seit heute wissen wir's: Barschel hat gelogen.“ Er war der erste im Fernsehen, der dies so klipp und klar formulierte. Seinen wichtigsten Satz jedoch sprach er ganz leise: „Die Tore in der Mauer stehen weit offen.“

Bei den Zuschauern ein Familienmitglied werden

Unsterblich machte ihn ein Satz, den er nur Tage vor seinem Tod sagte. Und zwar den Spiegel-Autoren Jürgen Leinemann und Cordt Schnibben, deren Interview 1995 zur Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins wurde. Die Schlüsselpassage mit dem schwer krebskranken Friedrichs liest sich so:

Spiegel: Hat es Sie gestört, daß man als Nachrichtenmoderator ständig den Tod präsentieren muss?

Friedrichs: Nee, das hat mich nie gestört. Ich habe es gemacht, und ich habe es fast ohne Bewegung gemacht, weil du das anders nämlich gar nicht machen kannst. Das habe ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, daß die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören. 

Der journalistische Tugendsatz

Sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten. Das sollte für viele zum journalistischen Tugendsatz werden – immer verbunden mit Friedrichs, der einen Tag nach dem Erscheinen seines Spiegel-Titels starb.

Im selben Interview sprach er auch über Dinge, mit denen er sich sehr wohl gemein gemacht hatte, weil er sie für gut hielt: die SPD und ihre Vordersten. Er hätte es einmal „im Visier gehabt“, Oskar Lafontaines Regierungssprecher zu werden, wenn dieser 1990 Kanzler geworden wäre. Doch Helmut Kohl blieb, und Lafontaine wurde es nie. Friedrichs hatte sogar 1994, also Jahre nach seiner aktiven Fernsehzeit, offen für die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping Wahlkampf gemacht – vergeblich.

Kein halbes Jahr später, am 28.3.1995, verkündete Sabine Christiansen den Tod ihres großen Kollegen. Doch „Hajo“ lebt auf seine Weise weiter durch den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis. Dieser wird alljährlich verliehen – und gilt als größte Auszeichnung für Fernsehmoderatoren.

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Michaela Diederichs | Mi., 15. März 2017 - 13:38

Vielen Dank für die Würdigung eines wirklich begabten und guten Journalisten und Moderatoren, dessen Stimme und wohltemperiertes rollendes R mir noch heute erinnerlich sind. Er hatte eine angenehme Distanz zum Zuschauer und den Nachrichten, ohne kalt oder aufgeregt zu wirken. Wohl temperiert - in allem.

Juliana Keppelen | Mi., 15. März 2017 - 13:45

Ich möchte jetzt nicht mit dieser abgedroschenen Phrase "früher war alles besser" hausieren gehen. Aber es befällt mich eine gewisse Wehmut wenn ich an all die Persönlichkeiten denke die wir mit den Jahren verloren haben. Heute plustern sich Nachrichtensprecher zur "one-man-show" auf (lt. Frank Schirrmacher FAZ, auch einer der fehlt) und anstatt objektive Berichterstattung abzuliefern, glauben sie das Volk erziehen zu müssen.

Hans-Hasso Stamer | Mi., 15. März 2017 - 13:48

....solche herausragenden Journalisten. Aber nicht mehr an prominenter Stelle. Ich kann die gesamte Medienlandschaft seit dem Tode von HaJo Friedrichs - bis auf Ausnahmen, die ich namentlich benennen könnte - nur noch als Abstieg empfinden.

elke popken | Mi., 15. März 2017 - 14:58

herr friedrichs wuerde sich im grabe umdrehen, muesste er sich heute "nachrichtenmoderatoren" wie marietta slomka und klaus kleber antun! Distanzlose, persönlich meinungsmachende rgierungssprecher! warte jeden Tag auf deren Absetzung!! Herr Wolfram Weimar sollte sich beispielsweise für diesen Posten bewerben. zdf und ard-moderatoren geben mittlerweile ein unerträgliches Bild dieser Berufsgruppe ab!

Hallo Fr, Popken, dem schließe ich mich ohne Einschränkung an. Nun muss man bedenken, Seibert, Merkels Regierungssprecher, kommt vom ZDF; der und die Parteien - allen voran die CDU - haben die Rundfunkräte gut im Griff. Am Ärgsten sind die sogenannten "Morgenmagazin-Journalisten" - allenfalls Möchtegern-Gute- Laune-Aktivisten. Chic ist es in den Redaktionsstuben "links-grün-spät68ziger" Attitude aufzuzeigen... aber uns, das "dumme" Volk erziehen wollen.

Detlef Dechant | Mi., 15. März 2017 - 15:51

" ... sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten...", diesen Satz hat jeder Journalist drauf. Jeder hat ihn gehört, leider gibt es kaum noch jemanden, der ihn auch erhört, also verinnerlicht hat!
Noch eine Annekdote am Rande:
Harald Schmidt wurde einmal von Hajo gecastet - für das Aktuelle Sportstudio. Schade, Schmidt hat es sich damals anders überlegt. Wer die SAT 1 - Ran-Sendung, die Schmidt einmal moderieren durfte, gesehen hat, weiß, was uns da entgangen ist!

Albrecht Eger | Mi., 15. März 2017 - 16:07

Bei der von ihm selbst beschriebenen prägenden Zeit bei der BBC kann man nur mutmaßen, wie er zum "Brexit" und der wohl etwas "unvorteilhaften" Entwicklung hieraus stehen würde...

Manfred Bürkle | Mi., 15. März 2017 - 16:11

Für die Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrich-Preises sollte unumstößliches Kriterium sein Satz sein: "Sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht einer guten".
Die Zahl der zur Auswahl stehenden Bewerber würde sich locker gegen Null bewegen.

Henryke Zimmer | Mi., 15. März 2017 - 17:05

"Sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten."
Das sollte für viele zum journalistischen Tugendsatz werden.
Ich hätte sehr gern einpaar Namen zu diesen "vielen" gehört.
Im ÖRR finde ich keine.

Ferdinand Weuste | Mi., 15. März 2017 - 19:19

Nein, machen sie nicht. Auch nicht mit einer guten! Ja , wer macht es denn dann? Das ist der dümmste Spruch, den ich je gehört habe. Wenn wir alle so handeln würden , wie sehe dann unser Land aus? Ich bin erstaunt, wie viele auf diesen unverantwortliche​n Spruch herreinfallen, unsere Gesellschaft würde nicht funktionieren!

Werter Herr Weuste,

vielleicht sollten Sie Ihren Kommentar noch einmal überdenken.
Dieser Satz von Hajo richtete sich ausschließlich an Journalisten, wenn diese in ihren Medien berichten! Dort sollen sie die notwendige Distanz halten und dem Bürger klar sagen: Das hier ist der Bericht, die Nachricht! Und hier liest Du meine eigene Meinung!
Das heißt nicht, dass der Journalist keine Meinung haben darf, nur soll er diese nicht in einer "objektiven" Nachricht als Tatsache verstecken!
Und das sich der Mensch mit einer Sache, die er für richtig hält, gemein machen soll, ist in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit!

Klaus Jancovius | Mi., 15. März 2017 - 21:31

Was für ein wunderbarer Satz. Für viele Journalist/innen, wie auch für mich, Maßstab für die eigenen Texte und Moderationen. Wenn ich ihn aber heute in der Volontärsausbildung zitiere, kennen ihn die meisten der jungen Kolleg/innen nicht mehr und etliche bezweifeln auch seine Richtigkeit - leider.

Thomas Matthies | Do., 16. März 2017 - 15:30

Welch kluger Artikel ... aber die Kommentare ...

Jürgen Möller | Do., 16. März 2017 - 17:39

Heutzutage entspricht der Schreibstil vieler "Journalisten" eher dem Niveau eines Fünftklässers - allein wenn man die Wortwahl "kriegen", "klauen" etc sieht. Dazu noch die eindeutige Parteinahme bestimmter Positionen.

Holger Stockinger | So., 19. März 2017 - 11:37

beginnt zunächst mit bombastischer Playbackmusik im aktuellen "Kamera-Schwenk" hin zu einer Art Bartisch, hinter welchigem zwei grinsenden Nachrichtenverkünder sofort zum "Schauplatz" umschalten, um zu fragen:

etwa: "Was siehst du aus deinem Hotelfenster vom Kairo-er Menschenauflauf?"
Sowas nennt man dann: "Reporter vor Orten" ...

... Vom Getöse voll entzückt und auch von dem "Du", wird der Gucker nicht verrückt, greift auch gleich zur Erdnussdose und sagt seiner Frau geschickt, schaust Du in die BUNDESLIGA?

Jürgen Howe | Fr., 24. März 2017 - 21:16

Ja, er war bis heute der Beste!