Die Rentnerinnen Brigitte Gall (r) und Ursula Pinotek stehen vor dem besetzten Seniorenklub in Berlin-Pankow, zwischen ihnen hängt ein Banner mit der Aufschrift "Dieses Haus ist besetzt. Wir bleiben alle!".
In Berlin machen explodierende Mieten auch Rentnerinnen zu Hausbesetzern / picture alliance

Rot-Rot-Grün in Berlin - Alles Stasi, oder was?

Im Zuge der ersten Sitzung des neuen Senats dreht sich in Berlin alles um Andrej Holm, Staatssekretär mit Stasi-Vergangenheit. Stattdessen sollten endlich die wahren Probleme der Stadt angepackt werden. Davon gibt es genug

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Am 18. September wurde in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Ein halbes Jahr lang stand die Landespolitik still. Erst war monatelang Wahlkampf, dann wurde fast drei Monate über die Bildung einer rot-rot-grünen Koalition verhandelt. An diesem Dienstag kurz vor Weihnachten tritt nun der neue Senat zu seiner ersten Sitzung zusammen. Endlich, so möchte man meinen, wird die Stadt wieder regiert. Endlich werden die Probleme der Stadt angepackt. Und davon gibt es reichlich.

Andrej Holm
Umstrittener Staatssekretär: Andrej Holm / picture alliance

Doch stattdessen musste sich der Senat in seiner ersten Sitzung mit der Personalie Andrej Holm beschäftigen. Der ist Stadtsoziologe, arbeitete an der Humboldt-Universität und wird nun Staatssekretär für Wohnen. Doch Holm hat eine Stasivergangenheit. Er ist in der DDR in einer Stasi-Familie aufgewaschen. Als 14-Jähriger hatte er sich zu einer Karriere als Stasioffizier verpflichtet und noch im September 1989, als der DDR schon die letzten Stunden schlugen, seine militärische Ausbildung beim Stasi-Wachregiment Feliks Dzierzynski angetreten. So wurde er in Wendetagen für wenige Monate ein kleines Rädchen im Stalinismus, der allerdings längst dabei war, sich selber abzuschaffen und vor dem viele DDR-Bürger keine Angst mehr hatten.

Holzschnittartige Debatte

Jetzt ist die Aufregung groß und die Schlagzeilen sind es auch. Eine Berliner Boulevardzeitung veröffentlichte Holms gesamte Stasiakte. Aber die Debatte wird derart holzschnittartig geführt, als habe es in den vergangenen 25 Jahren nie eine differenzierte Auseinandersetzung mit der DDR und ihrem stalinistischen Erbe gegeben. Als sei nie die Frage erörtert worden, ob Kinder und Jugendliche, die von der Stasi angeworben wurden, eher Opfer denn Täter waren. Als wäre es nie darum gegangen, auch Täterbiografien differenziert zu betrachten. Und als sei nie über die Frage gerungen worden, ob Menschen, die in der Diktatur Fehler gemacht, sich in den Unterdrückungsapparat verstrickt oder gar stalinistische Verbrechen begangen haben, in einer freien, demokratischen Gesellschaft nicht eine zweite Chance verdient hätten.

Man wird nicht umhinkommen, in Holm eher ein Opfer zu sehen als einen Täter, zumal er seine Stasi-Tätigkeit bereits vor Jahren öffentlich gemacht und den Untergang der DDR begrüßt hatte. Aber ihm habe im Alter von 18 Jahren der Mut gefehlt, seine Jahre zuvor gegebene Verpflichtung zurückzuziehen.

Die Linke freut sich

Die Linke reibt sich derweil die Hände, zumindest in Ostberlin treibt die Debatte ihr wieder Wähler in die Arme. Vor allem jene Wähler, die sich zuletzt von der ostdeutschen Kümmerer-Partei abgewandt und der rechtspopulistischen Protestpartei AfD zugewandt hatten. Fast möchte man meinen, es habe sich bei der Personalie Holm um eine wohlkalkulierte, gezielte Provokation gehandelt. Schon bei der Bundestagswahl im September 2017 könnte sich diese auszahlen.

Die Frage, die man in der Causa Holm also stellen könnte, lautet: Ist Andrej Holm der Richtige, um die Wohnungsnot in Berlin zu lindern und den dramatischen Anstieg der Mieten zu stoppen? Niemand in Berlin wird bestreiten, dass dies eine der großen politischen Herausforderungen ist, vor denen Berlin und damit der rot-rot-grüne Senat steht.

Es geht um den sozialen Zusammenhalt der Stadt

Auf dem Spiel steht nicht mehr und nicht weniger als der soziale Zusammenhalt in einer Stadt, in die jedes Jahr mehr als 50.000 Menschen ziehen und die große Integrationsprobleme hat. Zweifel sind angebracht. Denn bislang hat sich Holm lediglich als Mietenexperte in einem akademischen Umfeld einen Namen gemacht. Ein Bauexperte ist er nicht, Verwaltungs­erfahrung hat er keine. Aber es ist in der Demokratie das Recht jeder Partei, das Personal zu bestimmen, das sie in einer Regierung repräsentiert, und jeder Staatssekretär sollte die Möglichkeit bekommen, Vorbehalte und Zweifel auszuräumen.

Spannender als die Diskussion über die Personalie Holm wäre also eine Diskussion über die rot-rot-grüne Mieten- und Wohnungsbaupolitik. Kann die Koaltion dafür sorgen, dass in Berlin wieder mehr Wohnungen gebaut werden? Sind subventionierte und nach Einkommen gestaffelte Sozialmieten, auf die sich die drei Parteien im Koalitionsvertrag verständigt haben, eine Antwort auf explodierende Mieten? Reicht es, wenn die kommunalen Wohnungsbauunternehmen jährlich 6.000 neue Wohnungen bauen?

Rot-Rot-Grün erhält den Status quo

Eines lässt der Koalitionsvertrag klar erkennen: Rot-Rot-Grün neigt eher dazu, den Status quo auf dem Berliner Wohnungsmarkt zu erhalten, weil sich die Berliner mit Veränderungen schwer tun. Der neue Senat droht damit die Chancen zu verpassen, die sich für eine Stadt eröffnen, die wächst und deren Wirtschaft boomt. Die Versprechen „Dämpfung der Mietpreisentwicklung“ und „bezahlbare Mieten für alle“ werden sich so kaum erreichen lassen.

Aber eine solche Debatte erfordert natürlich das eine oder andere differenzierte Argument und sie würde das Augenmerk auch auf die Versäumnisse richten, die die CDU als Regierungspartei in den vergangenen fünf Jahren in der Großen Koalition zu verantworten hat. Da fällt es leichter, sich über die Stasiverstrickung eines Jugendlichen zu entrüsten, die mehr als ein Vierteljahrhundert zurückliegt.

Aber selbst bei der zweiten Empörungswelle, die Andrej Holm ausgelöst hat, sollte man in Berlin vorsichtig sein. Es mag sein, dass Holm ein gestörtes Verhältnis zum Eigentum hat, wenn er Hausbesetzungen verteidigt, sie einen „Beitrag zur Lösung der Wohnungsfrage“ nennt und von einer „faktischen Enteignung privaten Immobilienbesitzes“ spricht. Es mag sein, dass Holm mit Linksradikalen und Autonomen sympathisiert. Aber zugleich sollten sich seine Kritiker daran erinnern, dass es ohne die Westberliner Hausbesetzer und die Ostberliner Wohnungsbesetzer der achtziger Jahre all die schönen Altbauten in Kreuzberg, Schöneberg oder Prenzlauer Berg nicht gäbe, in die inzwischen Ärzte, Architekten und Rechtsanwälte eingezogen sind. Die Westberliner Baumafia wollte diese genauso abreißen wie die realsozialistischen Stadtplaner in Ostberlin.

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Arndt Reichstätter | Di., 13. Dezember 2016 - 16:18

Ökonomische Gesetzmäßigkeiten machen es wahrscheinlich, dass staatliches Handeln Probleme nach sich zieht.

Vor allem wenn es bereits ein sozialistisches Geldsystem, zu hohe Steuern, zu viel Bürokratie und totalitäre Züge wie Schulzwang gibt, ist nicht wahrscheinlich, dass der Staat ausgerechnet im Wohnungsbau nicht versagt. Es ist daher wahrscheinlich, dass das Staatsprogramm "Mietpreisbremse" nach hinten losgeht.

Ökonomisch sind steigende Mieten zunächst als neutraler ökonomischer Hinweis zu erkennen. Entweder es steigen die Preise, weil der Bedarf steigt. Dann wird der Markt ohnehin investieren. Und zwar effizienter als der Staat. Oder steigende Preise weisen auf unterschwellige Probleme wie großflächlige Verschwendung von Ressourcen hin. Dann wäre eine weitere Investition verheerend. Auch hier wäre private Investition vorzuziehen.

Bernhard Jasper | Di., 13. Dezember 2016 - 17:29

Herr Seils, Wohnungsnot und Verkehrssteuerung, Sinnbild für den Wandel der Zeit.

Im Häuserkampf der 70er/80er Jahre, an einzelnen Objekten, entdeckte man die traditionelle Stadt neu und befasste sich von daher auch mit „Stadträumen“, im Gegensatz zur „Raum-Stadt“ der städtebaulichen Moderne.

Stadtwohnungen erschienen wieder akzeptabel, Räume wurden vom Verkehr befreit für Fußgängerzonen, Fassaden schön-gemacht.

Heute wird diese Entwicklung dem Wettbewerb überlassen. Bisher gab es noch mobilisierbare Gebietsreserven für den Wohnungsbau. Heute müssen neue Flächen ausgewiesen werden. Ein haushälterischer Umgang mit Flächen kann sozial gefährlich werden, denn Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Und wie man diese neuen „Siedlungen“ macht, denn die Stadt zeichnet sich durch nebeneinander existierenden Lebensformen aus, ist immer die spannende Frage.

Ohne gestalterische Wettbewerbe (durchgeplant) wird das nichts, um nicht die gleichen Fehler wie in den 70er Jahren zu machen.

Christoph Weber | Di., 13. Dezember 2016 - 17:41

Sicherlich ist Herr Holm auch Opfer. Ein junger Mensch wächst in einer offensichtlich systemtreuen Familie auf und macht mit 14 Jahren einen Schritt, der ihm eine sichere Zukunft im DDR-System in Aussicht stellt. Darüber wie diese Zukunft ausgesehen hätte und für wie viele Menschen diese Zukunft (vielleicht auch durch seine Mithilfe) nicht so rosig gewesen wäre, ist Spekulation. Nach Allem, was man heute über diesen Staat und seine Machenschaften weiß, hätte ich keine Laufbahn in einer mehrfach umetikettierten SED-Nachfolgepartei angetreten.
Mag sein, daß DIE LINKE das nicht sein will.
Aber es kommt nicht auf das an was drauf steht, sondern auf das was drin ist.

Wolfgang Weber | Di., 13. Dezember 2016 - 17:42

Einen ehemaligen Mitarbeiter der Staatssicherheit als Opfer darzustellen, der zudem seine antikapitalistische Einstellung bis zum heutigen Tag nicht abgelegt hat, halte ich nicht für richtig. Einem Kollegen von mir wurde zum Verhängnis, das er im Rahmen seiner Tätigkeit bei einer Behörde, auch technische Einrichtungen für den Kunden MfS bereitstellen musste. Meinem Kollegen wurde 1993 fristlos gekündigt, obwohl er nie Mitarbeiter des MfS war. Ich bin auch der Meinung jeder hat eine zweite Chance verdient, aber nicht als Staatssekretär wie bei Herrn Holm oder wie bei Frau Kahane die das Internet überwacht und acht Jahre lang laut Wikipedia für den MfS als Informantin Victoria tätig war.

Bernhard Jasper | Di., 13. Dezember 2016 - 17:56

Egalisierende Konzepte machen heute keinen Sinn mehr. Zumindest muss man Teile der Stadt als eine Art Karawanserei vorhalten, als Zwischenaufenthalt für Durchwandernde und sich nur unter Umständen Niederlassende. Die moderne Großstadt ist heterogen, es gibt da keine Einheitlichkeit. Und Städtewachstum ist heute nicht mehr die biologische Vermehrung der Stadtbevölkerung, sondern die Wanderungsbewegungen (auch aus dem Schwäbischen). Bislang suchte die sich günstige Zielstädte. Das künstlich getriebene Kostenniveau (eine gefährliche Tendenz) kann nur durch Gebietsreserven und einem Neuansatz von Raumplanung auf europäischen Niveau begründet werden. Auch ist Bauen in Deutschland viel zu teuer.

Heinrich Jäger | Di., 13. Dezember 2016 - 18:02

,natürlich hat jeder eine zweite Chance verdient aber warum ausgerechnet in der Politik mit einem hochdotierten Staatssekretär Posten ?
Das dies viele Menschen aufregt, die von derlei Gestalten bespitzelt und gedemütigt wurden ist mehr als verständlich zumal viele junge Leute in der DDR eben damals nicht den einfachen Weg über Partei und Stasi zur Karriere gewählt haben wie eben dieser Herr Holm.

Hans Page | Di., 13. Dezember 2016 - 18:04

Man ist gelegentlich erstaunt. Da werden Flüchtlinge unter 18 Jahren als "Kinder" bezeichnet und man gibt sich viel Mühe den Jugendschutz anzuwenden, und in diesem Fall wird einem Mann sein jugendlicher Enthusiasmus mit 17 zur Falle. Ich habe nicht verstanden, warum man Günther Grass plötzlich verurteilte, weil er mit 17 (!!!) in der SS war, und ich kann nicht nachvollziehen (und bin nicht einverstanden), dass nun Holm der Strick daraus gedreht werden sollte, dass er mit 17 bei der Stasi war. Wenn man etwas gegen den Mann hat, dann sollte man seine Aktivitäten als Hausbesetzer aufgreifen oder etwas anderes, aber nicht seine "Stasi"-Vergangenheit. Dagegen wäre ich bei Kahane wesentlich weniger nachsichtig.

Wenn es nur "sein jugendlicher Enthusiasmus" war, der ihn zur Stasi geführt hat, warum hat er dann später als Erwachsener, als er sich nämlich um eine Stelle an der Humboldt-Universität beworben hat, die Frage nach einer Stasi-Mitarbeit verneint? Diese Frage müssen übrigens alle beantworten, die sich im öffentlichen Dienst bewerben.

nicht das Alter ist ausschlaggebend, sondern die Fähigkeit des Täters, zwischen Recht und Unrecht seines Handelns zu entscheiden! Zudem war Holm im Oktober 1989 bereits 19 Jahre alt und somit volljährig, also weder de jure noch geistig ein Kind, welchem man (unter viel Wohlwollen) absprechen könnte, es wisse nicht, was es tut. Nun wird man Holm aufgrund seiner damaligen Jugend und kurzen Wirkungszeit kaum zum schlimmsten aller Stasiverbrecher stilisieren können oder wollen. Aber in Holm „eher ein Opfer zu sehen als einen Täter“, wie es Seils in seinem Artikel schreibt, ist schon eine Sonderform der Verdrehung von Täter und Opfer und ein Gipfel der Relativierung. Als Opfer, hätte man schon auf irgendeine Art leiden müssen. Holm ist bestenfalls das Produkt seiner Erziehung und Indoktrination durch Eltern und Staat. Das er darunter gelitten hat, weil er z.B. gezwungen wurde, eine Karriere als Stasioffizier zu starten, ist nicht dokumentiert.

Monika Stiller | Di., 13. Dezember 2016 - 19:39

Zitat: "Der ist Stadtsoziologe, arbeitete an der Humboldt-Universität und wird nun Staatssekretär für Wohnen."
Egal ob Stasi oder nicht, auf einen kommt es nun auch nicht mehr an: Berlin leistet sich 25 (in Worten: fünfundzwanzig!!!) Staatssekretäre, Bayern hat fünf. Rot-rot-grün - meine "Traumregierung!"

Yvonne Walden | Mi., 14. Dezember 2016 - 14:00

Antwort auf von Monika Stiller

Es wäre sicherlich besser und politisch akzeptabler gewesen, wenn der künftige Berliner Senat deutlich weniger Staatssekretär-Posten vergeben hätte.
Weniger ist mehr!
Wenn schon die SPD - wie üblich - auf Ämter und Privilegien schaut, sollten GRÜNE und LINKE dieses Spiel einfach nicht mitspielen.
Bei Wahlen sollte es nicht vornehmlich um die Versorgung von Polit-Funktionären gehen, sondern um die bestmögliche Umsetzung politischer Wahlprogramme zu Gunsten der Bevölkerung, der Wählerinnen und Wähler.
Ämterhäufung schafft keine Glaubwürdigkeit, im Gegenteil.
Auf diese Weise könnte eine rot-grün-rote Bundesregierung schon im Vorfeld schlechtere Wahlcnancen haben, selbstverschuldet.
Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Das ist eine längst vergessene Volksweisheit, vergessen vor allem von Politi-Akteuren, die da glauben, das Wahlvolk nehme derartige Eskapaden kritiklos hin.
Die AfD läßt grüßen, selbst wenn diese Partei sich irgendwann einmal ähnlich verhalten sollte, was zu befürchten ist.

Wolfrich T. Wilde | Di., 13. Dezember 2016 - 21:29

... sich schon sehr wundern, wenn man so etwas liest:

"Es mag sein, dass Holm mit Linksradikalen und Autonomen sympathisiert. Aber zugleich sollten sich seine Kritiker daran erinnern, dass [...]."

Die Nonchalance, mit der hier der militante Linksextremismus verharmlost wird, ist im Grunde atemberaubend. Würde Herr Seils auch so scheiben, würde Holm, sagen wir, mit Rechtsextremen und Hooligans sympathisieren? Nein? Das dachte ich mir.

Deutlicher kann man kaum zum Ausdruck bringen, dass man in Sachen Extremismus mit zweierlei Maß misst und ihn nur von einer Seite scharf verurteilt, von der anderen jedoch toleriert. Für einen Demokraten ist eine solche Haltung inakzeptabel.

Ursula Schneider | Do., 15. Dezember 2016 - 10:35

Antwort auf von Wolfrich T. Wilde

ich war total verblüfft, mit welchem pädagogischen Verständnis und pastoralem Langmut hier über ein "kleines Rädchen im Stalinismus" berichtet wird, das immerhin heute mit Linksradikalen und Autonomen sympathisiert - während das gesamte rechte Spektrum die volle Wucht unserer Empörungskultur trifft.

Vorgeschmack auf Rot-Rot-Grün im Bundestag? Ein Albtraum ...

Yvonne Walden | Mi., 14. Dezember 2016 - 10:42

Viele derjenigen, die in Herrn Staatssekretär Holm einen "Stasi-Täter" der übelsten Sorte sehen möchten, hatten vermutlich keine Probleme damit, daß in die ersten Bundesregierungen nach 1949 eine Vielzahl überzeugter Nationalsozialisten eingeschleust wurde, mit Wissen und wollen der damaligen Regierungsparteien, gerade auch der CDU.
Später wurden diese zuvor nationalsozialistisch gesinnten Funktionsträger dann als "geläutert" dargestellt.
Man habe im Westen angeblich kein funktionierendes Staatswesen errichten können ohne diese "rechten Schreibtischtäter".
Einer dieser "Schreibtischtäter" war der damalige Staatssekretär im Kanzleramt, Globke, ein enger Vertrauter Adenauers.
Wer also mit Fingern auf diesen Herrn Holm zeigt, auf den weisen mindestens drei Finger zurück auf ihn selbst.
Wie Christoph Seils schon ausführte, gibt es in Berlin eine Menge wirklicher Probleme, die gelöst werden müssen, auch und gerade mit Politikern, die auch den anderen Teil Deutschlands gekannt haben.

...und inwiefern macht das Verbrechen des Einen, ein Verbrechen eines Anderen irgendwie besser?! Oder wollen Sie andeuten, Frau Walden, dass es jetzt, wo sowieso schon alle möglichen Täter erneut in Amt und Würden gebracht wurden, es sowieso keine Rolle mehr spielt, dies auch fleißig weiter zu betreiben? Ein seltsames und für mich höchst abstoßendes Verständnis von Gerechtigkeit und Freiheit.

Hans G. Müller | Mi., 14. Dezember 2016 - 11:15

Auch wenn ich nicht mit allen Ihren Ausführungen übereinstimme, habe ich heute Ihre Zeitung abonniert, um Ihre Arbeit zu unterstützen.

Bernhard Jasper | Mi., 14. Dezember 2016 - 12:31

Wenn Politik darin besteht, durch neue Richtlinien (EU-verschärfte Regeln für die Kreditvergabe) Immobilienblasen zu verhindern, weil z.B. Preise für „sanierte Altbausubstanz“ in bestimmten Lagen explodieren (die natürlich nicht den wirklichen Wert der Bausubstanz widerspiegelt), wird es in Zukunft für Familien mit Kindern mit mittlerem Einkommen schwer werden in diesen Städten zu leben. Ist Berlin nicht schon heute die Stadt der „Singel“-Haushalte? Eine „kulturelle Szene“ mit Anspruchsdenken, wo die Stadt bespielt wird, als Aufenthaltskriterium. Man muss eine Stadt auch betreiben und bewirtschaften können, denn auch die Eigenschaft einer nationalen Hauptstadt ist in diesem Zusammenhang nichts wert.

Zur Person Holm: Ich persönlich habe den totalitären DDR-Unrechtstaat als „Wessi“ vor Ort erlebt. Wie kann man einem Mann mit einer derartigeren Vergangenheit diese bedeutende Funktion geben?

Peter Müller | Mi., 14. Dezember 2016 - 14:13

So hieß es noch 1989. Heute sind diese Leute dank politischer Intriegen wieder offiziell in Regierungsämtern. Diesmal wird es aber nicht nur 16 sondern 80 Millionen "Konterrevolutionäre" zu observieren geben.
Viel Arbeit, aber gelernt ist gelernt.

Wolfgang Henning | Mi., 14. Dezember 2016 - 14:26

Dennoch ist es ein Zeichen der Linken, ausgerechnet einen überzeugten Anhänger der Stasi-Tätigkeit den hochdotierten Posten eines Staatssekretärs anzudienen.
Es war keine "Jugendsünde", wenn Holm zum Ende der DDR, als sogar ein Markus Wolf sich bereits distanziert hatte, sich zum KGB-Gründer Dzierzynski bekannt und in das Stasi-Wachregiment eingetreten ist. Er wqar und ist "Überzeugungstäter".
Ich habe auch noch nicht gehört, dass Holm seine Stasivergangenheit als "Fehler" gesehen hat. Kein Täter, der stalinistische Verbrechen beganen hatte, sitzt heute noch in einem Gefängnis.
Die Opfer, bzw. ihre Angehörigen, leiden aber ein Leben lang.
Geradezu grotest ist die Behauptung, ihm hätte "der Mut gefehlt" seine Verpflichtung zurückzuziehen. Das zu einem Zeitpunkt, als bereits Freiheitsreden auf dem Alexanderplatz gehalten wurden.

Wolfgang Henning | Mi., 14. Dezember 2016 - 14:31

Holm hatte die Chance, sich frei von Repressalien ein Leben in einem demokratischen Staat aufzubauen. Er ist aber beileibe kein "Opfer des Stalinismus". Eilne derartige Bezeichnung würde die wirklichen Opfer verhöhnen.
Selbstverständlich handelt es sich um eine gezielte Provokation der Linken und damit posthum um eine Rehabilitierung der Stasi-Täter.
Die Tatsache, dass Andrej Holm offenbar ein gestörtes Verhältnis zu unserem Rechtssystem hat (Hausbesetzungen), disqualifiziert ihn darüber hinaus für das Amt eines Staatssekretärs.
Dem "sozialen Zusammenhalt" dient sein Verhalten bestimmt nicht!

Bernhard Jasper | Mi., 14. Dezember 2016 - 16:15

Wenn Politik darin besteht, durch neue Richtlinien (EU-verschärfte Regeln für die Kreditvergabe) Immobilienblasen zu verhindern, weil z.B. Preise für „sanierte Altbausubstanz“ in bestimmten Lagen explodieren (die natürlich nicht den wirklichen Wert der Bausubstanz widerspiegelt), wird es in Zukunft für Familien mit Kindern mit mittlerem Einkommen schwer werden in diesen Städten zu leben. Ist Berlin nicht schon heute die Stadt der „Singel“-Haushalte? Eine „kulturelle Szene“ mit Anspruchsdenken, wo die Stadt bespielt wird, als Aufenthaltskriterium. Man muss eine Stadt auch betreiben und bewirtschaften können, denn auch die Eigenschaft einer nationalen Hauptstadt ist in diesem Zusammenhang nichts wert.

Zur Person Holm: Ich persönlich habe den totalitären DDR-Unrechtstaat als „Wessi“ vor Ort erlebt. Wie kann man einem Mann mit einer derartigeren Vergangenheit diese bedeutende Funktion geben?

Bernhard Jasper | Mi., 14. Dezember 2016 - 17:01

Nach dem heutigen BGH-Urteil wird es ganz hart für bestimmte Gruppen in den Großstädten und Ballungsräumen, denn Umwandlungen (Eigenbedarf von Investorengemeinschaften) bei gleichzeitiger Wohnungsnot erscheint besonders lukrativ.

Der soziale Druck wird zunehmen.

Yvonne Walden | Mi., 14. Dezember 2016 - 17:08

Wenn Andrej Holm nicht mit den Zielen der Partei DIE LINKE (etwa Demokratischer Sozialismus, keine Auslandseinsätze der Bundeswehr außerhalb ihres Bündnisgebietes usw.) übereinstimmen, sondern für eine Diktatur des Proletariats eintreten würde, wäre er wohl niemals Berliner Staatssekretär geworden.
Schon daran zeigt die die Absurdität der Vorhaltungen der Oppositionsparteien gegen die neue Koalitionsregierung in Berlin.
Im übrigen konnte Andrej Holm in mehr als einem Vierteljahrhundert unter Beweis stellen, daß auch er nicht vorhat, den Staatskapitalismus durch die Hintertür wieder aufleben zu lassen.
Also soll er seine Arbeit so gut wie möglich machen und unter Beweis stellen, daß eine rot-grün-rote Landesregierung in Berlin auch beispielhaft für ganz Deutschland sein kann.

Kurt Tucholsky noch leben, so würde er er zu der Personalie Andrej Holm wahrscheinlich folgendes sagen:

Man kann den Hintern schminken wie man will, es wird kein ordentliches Gesicht daraus.

Kurt Tucholsky

Günter K. Schlamp | Mi., 14. Dezember 2016 - 17:53

Im neuen Berliner Koalitionsvertrag steht etwas von einer neuen Gedenkkultur und einem besseren Umgang mit den SED-Opfern.
Ihrer Meinung ist Herr Holm ja auch ein Opfer. Wieso eigentlich?
6 Wochen vor dem Fall der Mauer wird er hauptamtlicher Mitarbeiter der Staatssicherheit. In einer Zeit, in der in der DDR Menschen mutig auf die Straße gingen, von Vopos und MfS-Schlägern verprügelt wurden, massenhaft flohen. Wo, wenn man dem Linkspartei-Programm glauben darf, SED-Kader an der "Wende" mitgearbeitet haben. In dieser Zeit der Unruhe arbeitet einer in einem Raum, in dem IM-Berichte ausgewertet wurden, will aber vor allem Radio gehört haben.
In Thüringen(!) und sogar in Brandenburg wäre ein Stasi-Mann nicht Staatssekretär geworden. Vor 12 Jahren noch hatte der SPD-Chef Müller die Ernennung eines erfolgreichen Stasi-Spitzels zur Berliner Ausländerbeauftragten noch verweigert. Das war PDS-Frau Anetta Kahane.
Das zeigt, wie verkommen die politische Kultur in Berlin inzwischen ist.

Bernd Fischer | Mi., 14. Dezember 2016 - 19:25

Nun stellt sich heraus das,das, angebliche "arme" Opfer der Hr. Holm bei seiner Bewerbung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität bewusst falsche Angaben gemacht hat: Er verneinte explexit , für die Stasi tätig gewesen zu sein.

Aber um im heutigen Zeitgeist zu bleiben ist das natürlich ,wie immer, ein bedauerlicher Einzelfall.

Claudia Prinzel | Mi., 14. Dezember 2016 - 19:55

Schon einmal wurde in Berlin rot-rote Innenpolitik celebriert. Unter der Regentschaft von SPD- Körting brüstete sich 2011 ein Dr. habil. Lutz Belitz aus früher östlichen Gefilden, er habe den Wissensstand im Landeskriminalamt durch die von ihm dort veranstalteten Schulungen, durch ihn erfolgtes Führungskräftetraining, wesentlich gesteigert und die polizeiliche Ermittlungsarbeit qualifiziert. Belitz bezeichnete sich selbst auch öffentlich als Spezialist für die Erstellung von Täterprofilen und Tathergängen mit Erfahrungen bei der Ausarbeitung taktischer Vernehmungsaspekte von Beschuldigten , was immer das heisst. Dass für das LKA ein derartiger Spezialist gefunden worden war, hatte nur ein Geschmäckle. Bis zum DDR-Ende war Belitz Untergebener des Prof. Dr. Ehrenfried Steltzer, Sektionsleiter Kriminalistik der Humboldt-Universität und Oberst der DDR-Staatssicherheit. Und Belitz Erkenntnisse wurden zuerst in Hohenschönhausen im Stasi-Knast in der HA IX auf ihre Effizienz geprüft.

Benno Pluder | Do., 15. Dezember 2016 - 14:26

Allen sich hier zum Richter berufen fühlenden empfehle ich dringlichst die Lektüre des Buches:
"Stasi-Kinder" von Ruth Hoffmann.
Es entschuldigt und pauschaliert nicht.
Es erklärt.
Dem aufgeschlossenen und kritischen Geist.

Ruth Falk | Do., 15. Dezember 2016 - 16:31

Andrej Holm war als Jüngling bei der Stasi, weiwei. Hab ich da mal was von einer IM Erika gehört? Ach so, das ist Bundessache, Holm ist nur für Berlin zuständig. Das ist natürlich viiiel tiefgreifender!

Bernd Fischer | Do., 15. Dezember 2016 - 17:09

die Anetta Kahane dicke fette Staatsgelder , um der Wahrheit ( lach ) auf die Sprünge zu helfen.