SPD-Chef Sigmar Gabriel
An Sigmar Gabriel führt in der SPD kein Weg vorbei – besonders in der K-Frage nicht / picture alliance

Kanzlerkandidat der SPD - Es kann nur einen geben

Wer sagt eigentlich, dass Martin Schulz unbedingt der nächste Außenminister und Kanzlerkandidat der SPD werden muss? Die Medien sind auf ein Spiel hereingefallen, dessen Regeln allein Sigmar Gabriel bestimmt

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Hartmut Palmer ist politischer Autor und Journalist. Er lebt und arbeitet in Bonn und in Berlin.

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Erst das Programm, dann der dazu passende Kandidat. Mit dieser Begründung versuchte die SPD-Spitze am Montag zu erklären, warum sie noch bis Ende Januar mit der Nominierung ihres Spitzenkandidaten warten will. Es war eine fadenscheinige Ausrede. Denn erstens wird die Agenda der Genossen auch Ende Januar noch nicht fertig sein. Und zweitens hat noch nie ein Bewerber nur wegen eines Parteiprogramms kandidiert oder verzichtet. In der Regel läuft das Verfahren nämlich genau umgekehrt: Erst wird der Kandidat gekürt, danach die zu ihm passende Agenda beschlossen.

Die SPD tut nun so, als habe sie die Wahl zwischen zwei aussichtsreichen Bewerbern. Auch das stimmt nicht. Sie hat in Wahrheit nur einen: Sigmar Gabriel. Dass neben ihm auch Martin Schulz als Außenminister und Kanzlerkandidat gehandelt wird, ist Teil des Spiels, dessen Regeln allein der Parteivorsitzende bestimmt.

Schulz, der Scheinkandidat

Trotzdem ist es erstaunlich, dass es immer noch funktioniert. Schulz, der Präsident des Europaparlaments hat es geschafft, von nahezu allen Medien wie selbstverständlich als der Mann genannt zu werden, der die Nachfolge von Frank-Walter Steinmeier antreten und die SPD in den nächsten Bundestagswahlkampf führen könnte. In Berlin nennt man seinen Namen inzwischen in einem Atemzug mit dem des SPD-Parteivorsitzenden, wenn die K-Frage diskutiert wird. Ob das Gerede auf ihn selbst zurückgeht, ob es das Werk eifriger PR-Berater ist, oder von Gabriel selbst inszeniert das alles lässt sich nicht ergründen. Es hält jedenfalls die SPD in den Schlagzeilen. Und vielleicht ist das allein der Sinn der Sache.

Dabei ist es nahezu ausgeschlossen, dass Schulz den Zuschlag bekommt. Die politische Logik spricht dagegen und das (oft unterschätzte) Steh- und Beharrungsvermögen Sigmar Gabriels. Der wird sich von seinem angeblich besten Freund die Kanzlerkandidatur schon deshalb nicht nehmen lassen, weil er weiß, dass dann auch seine Tage als Parteichef gezählt wären. Und schon gar nicht jetzt, wo alle meinen und viele schreiben, dass die Wiederwahl von Kanzlerin Angela Merkel alles andere als selbstverständlich ist.

Gabriel ist der gewieftere Taktiker

Merkels Wiederwahl ist zwar immer noch die wahrscheinlichere Variante – allen Unkenrufen der Mainstream-Medien zum Trotz. Aber ausgeschlossen ist es nicht, dass ihr am Ende die Partner fehlen. Und gerade deshalb liegt es im Interesse Gabriels, auf jeden Fall die Nummer eins der SPD zu bleiben: Sei es als Kanzler einer rot-rot-grünen Regierung, als Merkels Vizekanzler oder als Anführer einer dann allerdings stärkeren parlamentarischen Opposition. Wenn er jetzt Schulz den Vortritt ließe, gäbe er alle drei Optionen aus der Hand.

Er mag weniger populär sein als Schulz. Aber er tickt mindestens genauso sozialdemokratisch. Auf jeden Fall ist er in der Partei besser verankert als Schulz und der gewieftere Taktiker – die Nominierung von Frank-Walter Steinmeier für das Amt des Bundespräsidenten ist das jüngste Beispiel. Mehrfach schon hat er bewiesen (siehe Ceta-Abkommen), dass er die SPD auch in kontroversen Debatten hinter sich zwingen kann. Dass sich die Partei 2013 per Mitgliederentscheid mit großer Mehrheit für die Koalition mit der Union aussprach, war eine taktische Meisterleistung. Denn die Genossen hatten im Wahlkampf, wie auch Gabriel selbst, das schwarz-rote Bündnis abgelehnt. Gabriel überraschte damals alle.

Er hätte Fraktionsvorsitzender werden sollen

Ob die Entscheidung auch strategisch richtig war, steht auf einem anderen Blatt. Es war auf jeden Fall ein Fehler, dass Gabriel sich damals – gegen den Rat vieler Genossen – entschloss, selbst in die Regierung einzutreten. Die Verlockung, als Vizekanzler durch die Lande zu fahren, war offenbar doch zu groß. Dass er dann aber mit dem Wirtschaftsministerium ausgerechnet das Ressort übernahm, das jedem Sozialdemokraten irgendwann automatisch Konflikte mit der Parteibasis beschert, machte die Sache nicht besser.

Es wäre klüger gewesen, wenn er damals Fraktionsvorsitzender geworden wäre. Er hätte sich mit Volker Kauder mindestens so gut arrangiert und verstanden, wie vor ihm Peter Struck. Als Chef der Sozialdemokraten im Bundestag hätte er bessere Möglichkeiten gehabt, die SPD gegen die Union abzugrenzen, so wie Horst Seehofer es als bayerischer Ministerpräsident und Chef der CSU immer verstanden hat, im Konflikt mit der CDU das Profil seiner Partei  zu schärfen.

Auf den Spuren Willy Brandts

Der Fehler ist gemacht. Und er ist jetzt nach Lage der Dinge auch nicht mehr zu korrigieren. Es wäre sinnvoll, wenn Gabriel jetzt, ein Jahr vor der Bundestagswahl, das im November 2013 Versäumte nachholte und sich zum Vorsitzenden der Bundestagsfraktion wählen ließe. Dann könnte Thomas Oppermann zwar endlich Minister werden (was er damals schon am liebsten geworden wäre) und Martin Schulz bekäme die Chance, als Außenminister auf internationalem Parkett zu glänzen. Aber alle Auguren würden dies als den ersten Schritt hin zur Kanzlerkandidatur und zum Parteivorsitz interpretieren. Deshalb wird Gabriel, wenn er nicht von allen guten Geistern verlassen ist, es dazu nicht kommen lassen.

Viel näher liegt eine andere Variante: Schulz bleibt in Brüssel und Gabriel wird Mitte oder Ende Januar Außenminister, wenn Steinmeier das Amt rechtzeitig vor der Präsidentenwahl aufgibt. Gabriel stünde dann in der Tradition Willy Brandts, der auch erst als Außenminister und Vizekanzler der ersten Großen Koalition bekannt, berühmt und beliebt wurde. Allerdings hätte Gabriel nur ein paar Monate Zeit und Gelegenheit, sich auch international als Alternative zu Angela Merkel zu profilieren.

Es fällt zwar schwer, sich den Bauchpolitiker Sigmar Gabriel als Chefdiplomaten auf der Weltbühne vorzustellen. Aber wer weiß: Die Außenminister standen hierzulande in der Beliebtheitsskala der Spitzenpolitiker fast immer ganz weit oben. Ein wenig von ihrem Glanz könnte auch Gabriels Popularität im Wahlkampf steigern.

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Arndt Reichstätter | Di., 22. November 2016 - 11:43

Ich halte beide für Menschen ohne ökonomische Bildung, Ideen und Rückrat.

Der Autor zeigt, wenn auch unfreiwillig, immerhin auf, dass das Hauptproblem derzeit die Medien sind.

Hans Meier | Di., 22. November 2016 - 12:31

Hoffentlich wird Gabriel im Wahlkampf nicht auch als alternativloser Kandidat angepriesen. Am besten wäre es, wenn Schulz und Gabriel so bald wie möglich von der Politikerbühne verschwinden, bevor sie noch mehr Unheil anrichten. Nicht mein Verstand, aber mein Gefühl lässt mich bei diesen Namen deutlich nervöser werden, als bei Trump.

Gisela Korte | Do., 24. November 2016 - 10:55

Antwort auf von Hans Meier

Schulz ist eine der Personen, die keinen Frieden auf der Erde stiften!

Christian Bauer | Di., 22. November 2016 - 12:50

Wie der Autor schreibt, erlag Gabriel der Vorstellung, "Vizekanzler" sein zu können. Mit etwas Sinn für Demokratie hätte SG damals gegen eine GroKo optiert, und einer Minderheitsregierung Merkels zugestimmt. Dann wäre wieder Parlamentarismus möglich gewesen, und Gesetze hhätten im Parlament diskutiert werden müssen. So aber wurde die Politik der letzten Jahre wieder im Hinterzimmer ausgewürfelt, zum Schaden von uns Allen. Merkels Alleingang mit den Migranten wäre nicht möglich gewesen! (Nur als ein Beispiel) Der zweite Fehler Gabriels war es, sich mit dem BMWi auch das Problem der Energiewende aufzuhalsen. Das hätte er besser der CDU überlassen. Wer etwas Ahnung hat von Physik hat, oder auch nur rechnen kann, wird wissen, dass man mit dem Thema nur scheitern kann. Schröder lag nicht verkehrt, als er SG zum "Pop-Beauftragten" machte.

Egbert Krumbiegel | Di., 22. November 2016 - 13:05

... Hat die SPD nix besseres?

Solange die sich von ihrer selbstverschuldeten Looserdoktrin Agenda 2010 u. ihrem Gazlobbyisten Schröder nicht distanzieren, bleiben die für mich als SOZIALDEMOKRATEN unglaubwürdig.

Lieber ein Herrn Butterwegge als Bundespräsident als den Mitgestalter der Niedriglohnkaste Steinmeier.

So liebe SPD, genug Gründe zum Neuerfinden habt ihr ja, fangt endlich mal damit an.

Rakers Manfred | Fr., 25. November 2016 - 18:02

Antwort auf von Egbert Krumbiegel

wahrscheinlich wolle sie keinen Agendatyp,vielleicht einen wie unseren Ministerpräsidenten Weil der unauffällig und trotzdem Macher ist.

Walter Wust | Di., 22. November 2016 - 14:56

Ich gebe Ihnen recht, das Hauptroblem sind die Medien, nicht erst derzeit, sondern seit Jahren, vor Allem die ÖR sind sehr parteilich. Manche Sendung ist schon peinlich und man fragt sich, wieso man zusätzlich zu der immerwährenden Werbung auch noch Gebühren zahlen soll.

Michaela Diederichs | Di., 22. November 2016 - 16:47

Feine Analyse! Die letztgenannte Variante halte ich persönlich auch für die wahrscheinlichere. Die SPD hält sich bei den Medien im Gespräch - hat Herr Gabriel nicht einen besonders guten Draht zur BILD? - und die Spannung aufrecht. Dieses Taktieren und Kungeln hinter den Kulissen wird von den Medien fleißig befeuert. M. E. ist der Wähler davon einfach nur noch genervt. Klare An- und Aussagen gibt es in der Politik scheinbar nicht mehr, aber genau die wären eigentlich nötig.

Bernhard K. Kopp | Di., 22. November 2016 - 17:19

Diese entsteht nur, wenn der Amtsinhaber nicht da ist, weil er, manchmal mit altersschwachen Flugzeugen, um die Welt düst. Wenn der Amtsinhaber aber aktiv im inländischen Wahlkampf präsent ist, womöglich um das Kanzleramt, dann ist der Aussenminister-Bonus schnell verbraucht. Wenn die SPD klug wäre, dann würde sie die Rampensau Schulz in die Regierung ohne Aussicht auf das Kanzleramt einbinden, und rot-grün-rot( oder gelb) als Wahlziel, mit Gabriel als Kanzler, ausrufen. Sie können nichts gewinnen, wenn sie sich nichts zutrauen.

Siegfried Stein | Di., 22. November 2016 - 17:27

Und wenn es keinen gibt?

Jürgen Lehmann | Di., 22. November 2016 - 17:48

Ich denke nicht, dass es Gabriel schafft sein Image wieder aufzubessern. Ich sehe ihn immer vor mir als "grinsender JA-SAGER" neben unserer Frau Merkel.
Wortgefechte oder Meinugsverschiedenheiten waren gleich null.

Außerdem hätte die SPD überhaupt nur Chancen auf einen der Posten, wenn sie sich von der Merkelschen Politik verabschieden würde - und dies möglichst sofort, um evtl. noch ein paar Prozent an Wählergunst aufzuholen.

Gabriel bestimmt sonst überhaupt nichts!

Bernd Fischer | Di., 22. November 2016 - 18:37

SPD:

Haben wollen aber nichts sein wollen.

Hans Beyer | Di., 22. November 2016 - 19:05

Am besten beide, denn einer allein kann die SPD zur halb versenken.
Wer auch immer Merkel im letzten Jahr unterstützt hat, und das sind alle Bundestagsparteien und die meisten Medien, ist
___kompromittiert!

Karin Zeitz | Di., 22. November 2016 - 19:56

hat von den führenden SPD-lern keiner soviel Rückgrat, eine Politik zum Wohle der arbeitenden Menschen und zum Wohle Deutschlands zu vertreten. Gabriel hätte die Möglichkeit gehabt, die zerstörerische Politik der Kanzlerin aufzuhalten und hat nichts dergleichen getan. Wenn ich heute höre, dass die SPD eine Agentur hat, die für sie Kontakte zu Lobbyisten knüpfen soll um Parteispenden zu generieren, kann einem nur noch speiübel werden.

Robert Flag | Mi., 23. November 2016 - 08:58

SPD Politiker, allen voran Gabriel, Schwesig und Maas verkaufen ihre Redezeit mit Lobbyisten. Sogar mit dem Hinweis auf den Rüttgers-Skandal, weshalb man vorsichtig sein müsse um den Schein der Legalität zu wahren.
Daß ausgerechnet die Vertreter einer traditionellen Arbeiterpartei sich so verhalten, finde ich besonders abscheulich.
Nur, der öffentliche Aufschrei bleibt mal wieder aus. Wie immer.
(Anmk. d. Red.: bearbeitet)

Robert Flag | Mi., 23. November 2016 - 09:10

Der Herr Gabriel sollte sich beim Fred Feuerstein Ähnlichkeitswettbewerb anmelden.
Diese Wahl würde er mit Sicherheit gewinnen.
Nun wird er stattdessen die nächsten Monate damit verbringen, uns einen anderen Sigmar Gabriel weißzumachen, als den, den wir seit Jahren kennen.

Thorsten Rosché | Mi., 23. November 2016 - 10:34

Die Nichtwähler ! Aber man wird sich trotzdem als Sieger feiern, auch wenn die Wahlbeteiligung unter 50% liegt. Mit besserem Personal hätte die AFD eine Chance zu einer vernünftigen Oppositionpartei. In Hessen schaut's bei den AFD Treffen aus wie bei einem Mittelstandstreffen und durchaus wählbar. Alles Ex - CDU / FDP Wähler und Mitglieder. Gleiches in Baden Württemberg ! Mal schau'n............

Jürgen Sauer | Do., 24. November 2016 - 02:56

SG wurde hier in Niedersachsen abgewählt.

Wenn eine Partei abgewählte noch einsetzt, kein Wunder ... Projekt 1,8 % läuft bei der SPD ...

Demokratie sieh anders aus...

Wolfgang Lang | Do., 24. November 2016 - 08:00

Die SPD ist ausgeblutet, ausgemerkelt. Weit und breit keiner, der was reissen könnte. Ausser absahnen. Überflüssig der Verein. Dabei war ich mal stolz auf die. Vor Jahrzehnten. Aber seitdem bekannt ist, dass Brandt schon früh vom CIA geschmiert wurde, habe ich keinerlei Illusionen mehr.

Da geht´s mir so wie Ihnen.
Am schlimmsten finde ich, daß es Skandale regnet und sich keiner mehr darüber aufregt.
Da lassen sich SPD Politiker ihre Meetings mit Sponsoren von denselben bezahlen und niemanden interessiert´s.
Nicht einmal dem Magazin für "politische Kultur" ist das eine Schlagzeile wert.
Eine tiefsitzende Lethargie scheint das Land ergriffen zu haben.

Hanno Woitek | Do., 24. November 2016 - 15:09

dass Herr Gabriel nicht nur schlauer, sondern auch klüger, als alle klugsch… Journalisten ist. Ich wette, auch wenn ich natürlich nicht weiss, er wird der nächste Kanzler… in 2017. Wer hält dagegen?

Schöne Grüsse Hanno Woitek