Ein Mann hält eine Ausgabe von Cumhuriyet
Von wegen Pressefreiheit: Zeitungen wie Cumhuriyet sind dem Erdogan-Regime ein Dorn im Auge / picture alliance

Cumhuriyet - Das letzte Symbol der Republik

Die türkische Regierung hat Abgeordnete der prokurdischen Oppositionspartei HDP verhaften lassen. Zuvor waren Journalisten der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet festgenommen worden. Für Cem Sey, der selbst früher für die Zeitung gearbeitet hat, ist das Ende der türkischen Republik gekommen

Autoreninfo

Cem Sey, 54, ist ein freier Journalist, der für deutsch- und türkischsprachige Medien arbeitet. Für Medien wie Cumhuriyet, CNN Türk, Deutsche Welle und BBC war er als Korrespondent tätig.

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Die Handflächen werden feucht. Beine und Füße machen fahrige, nervöse Bewegungen, als das Gehirn verstanden hat. Den alten, kompakten Mann, den drei sonnenbebrillte Zivilbeamte an beiden Armen zum Polizeiauto zerren, kenne ich doch? Das ist doch unser Haus!? Der Mann, der gerade abgeführt wird, und den die türkischen Fernsehbilder zeigen, ist mein Onkel Aydin Engin. Mein Magen verkrampft sich und ich weiß in dieser Sekunde: Dies ist das Ende der Türkischen Republik. Nach 93 Jahren und 6 Tagen ist Schluss mit der anatolischen Moderne. 

Engin, 78, gehörte in den vergangenen Monaten zu den Mitarbeitern und Autoren der Tageszeitung Cumhuriyet. Er hatte sie nach Can Dündars Verhaftung einige Wochen lang als Chefredakteur durch die Wirren dieses bizarren Militärputsches und seinen immer groteskeren Nachwehen geführt. Sein Nachfolger, Murat Sabuncu, war erst Anfang September Chefredakteur geworden. Auch er und der klarsichtige Kolumnist Kadri Gürsel wurden am vergangenen Freitag verhaftet.

Ein Kadaver der Meinungsfreiheit

Sie alle sind Kollegen aus verschiedenen Kapiteln meines Lebens. Sie sind nachdenkliche, kluge Journalisten. Vielleicht hätten die höflich-unbekümmerten Istanbuler Beamten auch mich morgens aus dem Bett geholt, wenn ich die Türkei nicht schon 1982 nach dem damaligen Militärputsch verlassen hätte. Für Cumhuriyet habe ich in den neunziger Jahren aus Brüssel berichtet. Ich bekam zwar kaum Geld, war aber irgendwie stolz, für die älteste Zeitung des Landes, ach was, für das Symbol der modernen Republik zu schreiben.

Heute ist sie nichts als eine schöne Leiche. Um den Kadaver der Meinungsfreiheit vor der Fledderei der islamistisch-nationalistischen Regierenden zu schützen, halten seit Tagen Tausende Leser vor dem Redaktionsgebäude Mahnwache. Wie lange werden sie durchhalten?

Die Beschuldigungen sind lächerlich

Es tut gut zu sehen, dass Angela Merkel endlich, zum ersten Mal, wirklich scharfe Worte findet für die Erdogan-Türkei. Verschiedene Botschafter aus EU-Ländern besuchen demonstrativ Cumhuriyet, internationale Journalistenorganisationen starten empörte Kampagnen. Doch meine Wut und Trauer wachsen jetzt erst recht, ich bin zum zweiten Mal in diesem Leben heimatlos. Für mich ist der Sommer 2016 die Chronik eines angekündigten Todes. 

Die Beschuldigungen der Staatsanwaltschaft gegen Engin und die Kollegen sind lächerlich. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, sich von „Terroristen“ unterstützt haben zu lassen. „Terroristen“ der kurdischen PKK und der islamistischen FETÖ. FETÖ ist längst ein infantiler Kampfbegriff für alles und jeden. Die Wort-Orks des Erdogan-Regimes haben ihn in dumpfbackiger Manier für die Gülen-Bewegung des islamistischen Predigers Fethullah Gülen geprägt. Er steht für „Fethullahs Terrororganisation“.

Eine unbeugsame demokratische Haltung

Dass es gar sinnlos ist, ihn ausgerechnet auf die krampfhaft säkulare Cumhuriyet anzuwenden, das mag in der Kampfzentrale Erdogans gar nicht mehr interessieren. Denn das Blatt ist just für seine laizistische Haltung bekannt. Und auch dafür, nie ein übergroßes Herz für die Kurden gezeigt zu haben. Was das Regime stört, ist aber in Wahrheit Cumhuriyets unbeugsame demokratische und ethisch aufrechte Haltung. Hier gab es keine Konzessionen zu erhandeln oder zu erpressen.

Die Brutalität des Regimes sehe ich, wenn ich die Augen schließe, überdeutlich in der höflich-heiteren Weise wie es einen alten Mann, Aydin Engin, abführt. Die staatliche Nachrichtenagentur Anatolien berichtete im Detail über die Vorwürfe. Die Zeitung habe bei den Berichten über FETÖ das Adjektiv „terroristisch“ nicht benutzt. Sie hätten nach dem Putschversuch in Juli von „Hexenjagd“ und von einer „unvollkommenen Demokratie“ geschrieben. Alles nicht erlaubt in der Erdogan-Türkei. Die Staatsanwaltschaft soll eine Zwischenüberschrift in den Berichten provoziert haben. Als Cumhuriyet über die wochenlangen sogenannten „Demokratiewachen“ berichtete, zu denen Erdogan die Bevölkerung aufgepeitscht hatte, schrieb die Zeitung, dass niemand unter den Demonstrierenden je von Demokratie gesprochen hätte.

Verzerrte Wahrheit wird durchgesetzt

Ich lese wie ein Süchtiger all diese Nachrichtenschnipsel. Nur um mich dann noch leerer zu fühlen. Cumhuriyet soll den Weg zum versuchten Militärputsch geebnet haben. Wie? Ganz einfach: Aydin Engin, zum Beispiel, habe in einer Kolumne über den Bürgerkrieg, der im kurdisch bewohnten Regionen des Landes tobt, geschrieben, „Frieden auf der Welt und was ist mit dem Land?“ Eine Anspielung auf den Atatürk-Spruch „Frieden auf der Welt, Frieden im Land“. Da einige Wochen später die Putschisten ihre gescheiterte Aktion „Operation Frieden im Land“ nannten, ist es laut Staatsanwaltschaft nachgewiesen, dass Engin von den Putschplänen wusste. Das ist wie Stroboskoplicht in einer Zelle. Man weiß gar nicht mehr, wo oben und unten ist.

Wenn ein Staatsanwalt so albern argumentiert, werden es alle merken, denkt man. Doch in der Türkei wird wahrscheinlich das Gegenteil passieren. Denn längst ist ein System entstanden, mit dem die Machthaber ihre verzerrte Version der Wahrheit durchsetzen.

Staatsmedien übernehmen das Ruder

Das hat viel mit den gleichgeschalteten Medien zu tun. Vor mehreren Jahren fing die Regierung an, einige Zeitungen und Sender durch staatliche Kontrollen finanziell in die Knie zu zwingen. Dann wurden diese an Geschäftsleute verkauft, die den Regierenden nahestehen. Diese Medien werden in der Türkei „Poolmedien“ genannt. Oft erscheinen die gleichen Geschichten in mehreren Zeitungen. Selbst die Überschriften sind dann identisch, wie aus einer Hand entworfen.

Sobald die Poolmedien finanziell stabilisiert waren, unter anderem mit massiver staatlicher Unterstützung, wurden die etablierten Zeitungen und Sender allmählich aus offiziellen Informationsquellen ausgeschlossen. Die Poolmedien wurden dagegen über alles informiert. Sogar Vernehmungsprotokolle wurden ihnen zur Verfügung gestellt. Natürlich ein ungesetzlicher Akt.

Die Enteignung steht bevor

Heute sind wir wohl in der letzten Phase angekommen. Jetzt werden die Medien, die das gesetzlose Vorgehen der Behörden nicht hinnehmen wollen, entweder enteignet oder schlicht verboten. Auch Cumhuriyet steht nun womöglich eine Enteignung bevor.

In einer solchen Gesellschaft ist die Arbeit von Zeitungen wie Cumhuriyet extrem schwierig. Cumhuriyet wagte es, den wiederaufflammenden Krieg gegen die PKK nach 2015 in Frage zu stellen – ein Verbrechen. Nicht nur das. Sie hat Bilddokumente veröffentlicht, die nachweisen, dass Ankara radikal-islamischen Gruppen im syrischen Bürgerkrieg Waffen liefert – ein großer Skandal.

Deshalb wurde der damalige Chefredakteur Can Dündar verhaftet und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Aber Glück im Unglück: Das Gericht verneinte indirekt die Behauptung der Regierung und ihrer Medien, die Dokumente seien gefälscht. Die Haftstrafe bekam Dündar für das „Publizieren geheimer Informationen des Staates“. Darüber allerdings berichteten die Poolmedien nicht mehr.

Das Erwachen kommt zu spät

Selbst wenn breite Teile der türkischen Gesellschaft nicht mitbekommen, was oppositionelle Zeitungen berichten, sind Zeitungen wie Cumhuriyet ein Dorn im Auge des Erdogan-Regimes. Er versucht, sie mit allen Mitteln loszuwerden. Und durch die fast lückenlose Kontrolle der Medien beherrscht das Erdogan-Regime auch die Gedankenwelt der Bürger.

Von außen betrachtet, sehe ich keine Hoffnung. Die Bedingungen im Land werden sich nicht bald ändern. Ich mache mir auch keine Hoffnung über die Zukunft von Cumhuriyet. Die Aussichten sind sehr trüb. Erst jetzt merken einige Oppositionspolitiker, dass diese Aktion nichts anderes bedeutet, als ein Klopfen an ihrer eigenen Tür. Wahrscheinlich zu spät.

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Bernhard K. Kopp | Fr., 4. November 2016 - 12:04

Das Ziel war immer die islamische, absolute Macht, seit ca. 2000. Wenn es nun gelingt, die Todesstrafe wieder einzuführen, dann könnte Erdogan auch genug Unterstützung für eine Verfassungsänderung für sein Präsidalsystem erhalten. Erst damit hätte sein Präsidentenpalast seine volle, geplante Funktion als Zentrale der absoluten Macht. Es wird für die mehr oder weniger liberalen türkischen Intellektuellen schmerzlich sein zu erfahren, dass sie sich nicht in den letzten 10 Jahren, und auch nicht vorher, in den staatlichen und wirtschaftlichen Eliten des Landes so überzeugend durchsetzen konnten, um das Land zumindest auf einem Kurs in Richtung liberaler, rechtsstaatlicher Demokratie zu halten. Es sind einfach zu wenige liberale Intellektuelle, und eine stabile Rechtsstaatlichkeit, ohne die auch keine Demokratie möglich ist, ist nie entstanden.

Georg Meier | Fr., 4. November 2016 - 12:04

Als historisch belesener Mensch drängen sich Parallelen auf. Der Modus "Das Vaterland ist in Gefahr", aufgrund dessen Schachzug für Schachzug politische Gegner ausgeschaltet werden, katapultiert zumindest meinen Verstand wieder zurück in die Jahre 1933/1934. Ort der Handlung ist Deutschland. Ob nun ein Parlamentsgebäude brennt, das Mitlitär putscht oder ein "alter Weggefährte" ( Ernst Röhm oder Gülen ), die Mechanismen sind ähnliche. Es ist schade, dass die einzig in Teilen funktionierende Demokratie der islamischen Welt nun auf Raten dahinsiecht und offenbar stirbt. Für mich stellt sich nun aber aus deutscher Sicht eine weitere Frage: Welche politische Verblendung hat unsere Kanzlerin dahingetrieben, mit einem Alleinherrscher im Stil eines Diktators Geschäfte zu machen? Allein aufgrund dieser Fehlentscheidung ist Frau Merkel endgültig nicht mehr vertrauenswürdig.

monika anhorn | Sa., 5. November 2016 - 17:44

Antwort auf von Georg Meier

die letzten zusammengefassten Gedanken ihres post, ihre frage, bereiten mir magenschmerzen, d.h. ein sehr gruseliges gefühl, welches ich als 'hilflos' definieren möchte.

Arndt Reichstätter | Fr., 4. November 2016 - 12:39

aus dieser Woche über die Türkei wurde von der ehemaligen CIA-Dolmetscherin und mittlerweile Whisteblowerin und Journalistin, Sibel Edmonds, veröffentlicht:

Die Türkei ist seit dem Jahre 2000 im Besitz von Atomwaffen.

Da freut es mich sich als Deutscher gleich doppelt, dass die Kanzlerin den Sultan reizt und damit weiterhin Schoßhündchen von Washington und London ist, welche, als NATO-Führende, selbstverständlich die Fäden in der Türkei ziehen, selbst wenn es den Anschein hat, als sei Erdogan so "nationalistisch". Erdogan hat auch nur eine Rolle zu spielen, die ihm das "Empire of Chaos" vorgibt. Und wenn die Türken eben keine Kultur des freien Marktes leben, müssen sie weiterhin mit Autokraten rechnen.

Ein Autokrat lässt nicht an sich ziehen, weder mit noch ohne Fäden! Eher wird umgekehrt nicht nur 'ein Schuh', sondern traurige, entsetzliche Realität daraus:
Präsident Erdogan zieht in Washington und Brüssel/Berlin, z. Zt. weniger in London, an den Fäden! Eben ein Autokrat!
Dabei scheint er auch schon über Hitler hinaus, der einem Chamberlain Gelegenheit gab, sein Appeasement-Getue zu vollführen.
Die Achse Ankara-Moskau-Teheran lässt doch alle zittern wie Espenlaub! Und "Unsere Werte" gehen so den Bach herunter! Leider ist die Sache zu ernst, um da Schadenfreude aufkommen zu lassen, wie Frau Merkel sich windet.
So wird da wenigstens nichts Gutes draus! Da braucht man nur, wie es ein Leser getan hat, die Parallelen zu der Entwicklung in D. ab 1933 zu betrachten. Und Herr Erdogan kann sein Land auch "säubern" - ohne dass ihn jemand stört - leider!

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 4. November 2016 - 13:10

in diesem aufschreienden Artikel, den über Merkel.
Ich hoffe auf geschlossenes Auftreten in Europa und der EU.
Wir haben in Deutschland die Angriffe auf die freie Meinungskultur zurückgeschlagen, während Merkel und Gauck vor allem meines Erachtens den sogenannten Majestätsbeleidigungsparagraphen nutzten und damit indirekt stärkten.
Das ist evtl. auch der Versuch, die Demokratie zu übernehmen in Richtung Befindlichkeiten einer Kanzlerin namens Merkel. die ein Kretschmann noch vor der CSU zur Kanzlerin vorschlägt?
Deutschland steht ebenfalls in einem Erosionsprozess, aber natürlich nicht mit dem in der Türkei zu vergleichen.
Möge Merkel sich äußern. nur so kann die Bevölkerung erkennen, wes Horizontes sie ist.
Es tut mir leid um die Folteropfer, wenn Trump in den USA gewinnt, könnte es evtl. Linderung geben.
Der lebt eigentlich nicht im Mittelalter( evtl. Erdogan) oder seiner eigenen Welt und deren Gesetzen ( evtl. Hillary Clinton).

Gudrun Philipp | Fr., 4. November 2016 - 15:27

Ja, so ist es. Es ist eine Katastrophe, was in der Türkei passiert. Ich frage mich, ob unter diesen Umständen die Türkei weiterhin NATO-Mitglied bleibt. Oder ob auf der obersten Ebene vielleicht doch mal darüber nachgedacht wird, daß mit dem Stützpunkt Incirlik dem türkischen Machthaber ein Faustpfand an die Hand gegeben ist, das sich für jede Art von Erpressung eignet - wie bereits mit deutschen Abgeordneten geschehen. Das Spiel Erdogans ist noch nicht zu Ende. Was wird er seinem Land und Europa noch bieten?

ingid dietz | Fr., 4. November 2016 - 15:55

Sollte mir da was entgangen sein ? Auch ich hätte mir endlich und sofort klare Worte unserer Bundeskanzlerin gewünscht ! Gewünscht hätte ich mir auch, dass diese mit einem Herrn Erdogan keine anrüchigen Geschäfte gemacht hätte ! Die politische Elite in Brüssel hält sich auch sehr sehr bedeckt ! Einfach nur beschämend !
Die EU kommt nicht umhin, sofort die EU-Aussengrenzen restriktiv selbst zu schützen ! Und gleichzeitig den Geldhahn Richtung Türkei abzudrehen ! Frontex und alle anderen Seenotrettungsschiffe dürfen nicht weiterhin als "Handlanger" der Schlepper fungieren. Flüchtlinge auf dem Wasser müssen sofort wieder an die Küste zurückgeschippert werden !

Ulrich Baare | Fr., 4. November 2016 - 16:23

Erschreckend ist doch weniger Erdogan dabei als vielmehr wie viele Türken seinen Kurs mittragen wollen. Leute, die diktatorische Wünsche haben, gibt es doch eigentlich überall - des werden sie ja noch lange nicht gleich Diktatoren oder staatstragend. Nein, es ist das Türkische Volk in seiner Mehrzahl offensichtlich, die bereit sind Erdogans Abschaffung der Demokratie zu dulden.

Und hier muss man wohl oder übel konstatieren, dass die Mehrzahl der Türken offensichtlich nicht reif genug für eine Demokratie sind - dass sie nicht wirklich andere Meinungen aushalten können, dass sie unter Verschwörungstheorien und einem ausgeprägten Freund-Feind-Denken leiten. All diese Leute haben schon seit Jahren Erdogan von Wahl zu Wahl unterstützt und ihm nie abgestraft für all seine Maßnahmen gegen pol. Gegner. Von daher: die Türkei hat den Führer, den sie sich ausgesucht haben und müssen - leider - wohl erst auf die schmerzhafte Tour den Wert von Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit lernen.

Sehr geehrter Herr Baare,
ich verstehe Sie. Auch mich trieb diese Frage lange genug. Mittlerweile bin ich zum Schluss gekommen, dass es nicht stimmt, dass die Türken nicht reif sind für Demokratie. Es ist komplexer. Die AKP ist korrupt. Wie alle andere regierende Parteien davor auch. Nur, die AKP teilt einen klitzekleinen Teil des Kuchens auch mit den Ärmsten im Land und das sind sehr viele. Die AKP steht auf wackeligen Füßen. Auf eine etwas heftigere Wirtschaftskrise hat sie keine Lösung. Scheinbar sind sie deshalb so interessiert an autoritären Staatsstrukturen. Die Menschen, die nun vom Kuchen einen winzigen Stück abbekommen, wollen, dass es dabei bleibt. Denn ihre Erfahrungen zeigen, dass die Früheren mit ihnen nichts teilten. Sie wollen kein Risiko eingehen. Natürlich gibt es auch die Aufrechten, die weiter für Demokratie kämpfen. Sie wissen, unter anderem aus europäischen Erfahrungen, dass die Demokratie ohne Kampf nicht erreicht werden kann - auch ohne Solidarität nicht.

zuerst einmal vielen herzlichen Dank für ihre Antwort!

Könnte nicht noch ein anderer Aspekt als Wohlstand eine große Rolle spielen?

Denn was Erdogan den Armen sagt, indem er 'ihren' Islam fördert, ist doch:
„IHR seit die Tugendsamen. Ja, auch wenn ihr arm und ungebildet seit, so seit ihr doch mehr wert als all diese Stadt-Menschen mit ihren laxen Sitten und Schwächen – denn ihr besitzt die Tugend und Glauben. Den Glauben, der zurückverweist auf die Zeiten, in denen die Türken in Form des Osmanischen Reiches groß waren. Und indem ihr mit mir, Erdogan, wieder gläubig und tugendsam seit, so erreicht ihr wieder eure Größe. Aber dafür müssen alle, die bei dieser heiligen, nationalen Mission im Wege stehen, aus dem Wege geräumt werden.“
Und diese Mission ist doch zugleich die Bestätigung an alle, die sich anschließen, dass sie sich so als eben groß und tugendsam erweisen. Und desto prächtiger und mächtiger Erdogan erscheint, desto mehr wird ihre eigene Größe damit bestätigt.

Es spielt die wirtschaftliche Entwicklung ( nicht Wohlstand)die entscheidende
Rolle; die Enwicklung ist unstrittig positiv.
Der wirtschaftliche Aufschwung ist, u.a. ein Argument Erdogan zu wählen.
Die politische "Bewegungs-Freiheit" ist der Abhängig Amerikas vom Standort
Türkei geschuldet -ohne lange Anflugzeiten lassen sich die "Zielgebiete" zur
"Verteidigung der westlichen Werte" erreichen ; und Frau Merkel - treuer
Nato-Partner - muckt nicht auf, die steinmeierschen Demarchen sind "Polit-
Getöse" und die EU hält sich bedeckt............

Ihren Worten stimme ich zu, Herr Baare.
Was bedeutet dies für Deutschland, wo viele Türken leben und
sich fleißig vermehren? Die von Millionen begeistert begrüßte Entwicklung hin zu einer Diktatur wird auch auf die politischen Verhältnisse hier in Deutschland verhängnisvolle Auswirkungen haben; denn die Mehrzahl "unserer" Türken "tickt" nicht anders als die Landsleute in der Heimat, wie man an der Zahl der Erdogan-Wähler in D sieht. Sie wünschen sich einen "starken Mann".
Das Märchen von der gelingenden Integration demokratie-ungewohnter Menschen in demokratische Rechtsstaaten wird zwar von westlichen Ideologen/Politikern eifrig weitererzählt, doch es ist längst von der Realität widerlegt. Zudem erweist sich die Religion der Türken, der Islam, als etwas, das demokratischen Spielregeln absolut konträr gegenübersteht.

Quo vadis Deutschland, wo es - außer den Türken - nicht wenige Deutsche gibt,
die anfällig sind für ein primitives Freund-Feind-Denken?
Demokratien sind fragil...

wenn Sie den Islam, eine religiös-faschistische Ideologie in Ihr Denken einbezögen?

Erdogan macht auf Islam! Das ist seine Basis! Atatürk hat verspielt. Er wird trotzdem sicher weiter an den Wänden hängen.

FritzXaver | Fr., 4. November 2016 - 16:25

Da bin ich aber besorgt.

Michaela Diederichs | Fr., 4. November 2016 - 17:13

Als wir vor 5 Jahren bei unseren türkischen Freunden in Istanbul zu Gast waren, fragte ich mich bereits, wann die Atatürk-Bilder ab- und Erdogan-Bilder aufgehängt werden. Lange wird es nicht mehr dauern. Inzwischen sind unsere Freunde zu Deutschen geworden. Die Entwicklung im Land war schon lange abzusehen. Umso mehr wundert es, dass Frau Merkel mit diesem Mann einen Pakt geschlossen hat. Erst auf Druck der Medien brachte sie Tage nach dem Geschehen ihren Prostest zum Ausdruck.

Ein wunderbares, gemäßigt muslimisches Land mit gastfreundlichen, toleranten Menschen geht den Weg in die Diktatur. Und die Politik hat außer Prostest nichts zu bieten. Das ist schmerzlich.

Peter Schultheiß | Fr., 4. November 2016 - 17:18

Es wird dringend Zeit, dass die Bundesregierung damit Schluss macht, die Kurden und ihre PKK als Terrororganisation anzusehen. Hier kämpft ein Volk um seine Freiheit und seine Autonomie und hat wie die Armenier viel zu lange unter der türkischen Herrschaft leiden müssen.

Claus Jürgen Lehmann | Sa., 5. November 2016 - 12:50

Antwort auf von Peter Schultheiß

Herr Schultheiß, da bin ich ganz anderer Meinung. Bei der PKK - und ihr nahe stehenden Gruppierungen - handelt es sich um terroristische Vereinigungen. Wer Anschläge verübt, gehört nun einmal nach unserem Verständnis in diese Kategorie eingestuft.

Es war selbstverständlich ein Fehler – auch der Vergangenheit – den Kurden nicht mehr Autonomie einzuräumen. Die PKK kämpft jedoch um ein freies Kurdistan, was keine türkische Regierung jemals zulassen wird.

Es ist sehr einfach dieses Thema durch eine gefärbte Brille zu betrachten und dabei zu übersehen, dass gerade eine westliche Macht (USA) dabei ist ihre Demokratie aufzugeben, indem von dort - nach der Präsidenten-Wahl - entweder die Pest oder die Cholera auch zu uns kommt.

die Kurden sind unsere besten Verbündeten. Die einzig wirklichen Krieger in diesem Krieg, die diesen Namen verdienen. Und selbstverständlich auch ihren autonomen Staat. Kurdistan wäre ein sehr positiver Faktor in der dortigen Weltregion.

Und sie werden von Merkel & Co. verraten. Tatsächlich muss ich mich hier für die Kanzlerin schämen. Erbärmlichst.

Petra Wilhelmi | Fr., 4. November 2016 - 22:27

Sie habe mein Mitgefühl. Es muss furchtbar sein, wenn man im Fernsehen sieht, wie jemand aus seiner Familie diesem Diktator zum Opfer fällt. Nur, scharfe Worte von Frau Merkel habe ICH NICHT gehört. Wahrscheinlich verstehe ich unter scharfen Worten aber etwas völlig anderes, nämlich wirklich scharfe Worte, die das Vorgehen dieses Diktators als das bezeichnen, was es ist - eine faschistische Diktatur. Merkel hat m.E. nur irgendwie gesäuselt, wie sie es eben immer macht. Ja nur nicht wirklich Partei ergreifen. Demokratie hat für sie eh keinen Stellenwert. Auch die EU hat nur gesäuselt, man würde, wenn... das und das kommt, darüber nachdenken müssen, die Verhandlungen zum EU-Beitritt zu überdenken ... Das passt zum Verfall der EU, die keinerlei Werte mehr vertreten will. Sie dürfen gern wirklichen Protest von Deutschland einfordern, schon da Deutschland wg. seiner Vergangenheit wachsam sein sollte. Erdogan ist Hitlerfreund. Wieso säuselt Deutschland nur in Richtung Ankara?

franz dreesen | Fr., 4. November 2016 - 23:23

das die türkei zu ERDOGANISTAN mutiert,ist meiner meinung nach nicht aufzuhalten,weil merkel&die brüssellokraten einfach kein rückgrat haben.meiner meinung nach gehören sultan erdogan,seine vassallen&seine sippschaft zu personen non grata in ganz europa erklärt.
kommt noch die visafreiheit,werden zigtausende oder hundert tausende kurden nach europa emigrieren,die verbliebenen wird der sultan dann wegbomben lassen&sich diese gebiete einverleiben.kommt die todesstrafe,werden alle die den sultan belasten könnten als erste exekutiert&dies wird alle potenziellen whistleblower abschrecken noch jemals den mund aufzutun.der sogenannte flüchtlingsdeal war die peinlichste&instinktloseste aktion der oma merkel!genauso wie ihre reaktion auf e. snowden.es beschämt mich abermals deutsch zu sein.

Jens Berger | Sa., 5. November 2016 - 10:20

Auf die EU braucht man in dieser Angelegenheit nicht zu hoffen und Merkel & Co. schon gar nicht. Merkel's Auftritte bei Erdogan erinnern mich immer an das Lied : Es geht eine Träne auf Reisen........

Walter gerdes | Sa., 5. November 2016 - 17:14

Alles war abzusehen. Seit dem Abenteuer mit der Gaza-Hilfsfloote, bei der sich der Buchhalter als Staatspräsident der arabischen Welt andiente, seinem Gebaren nach der vverlorenen" Wahl im Juni 2015. Alle vorauszusehen....läuft dumm für die BRD. Besonders war schon vorauszusehen, dass die zugezogenen türkische Menschen von dort so aufgestellt sind, dass sie nie mit den Dingen, die unsere freie liberale und emanzipatorischen Gesellschaft nicht klar kommen und sich liebe so eien antiquierte Gesellschaftordnung wünschen, wie der Buchhalter ihnen verspricht.
Also neben den alten Fehler, zu viele von den Menschen von dort hereingelassen zu haben, wird der Buchalter den Fehler von Frau Merkel in ihrer Flüchtlingspolitik jetzt nutzen um der BRD richtig was einzuschenken.
Da freuen wir uns drauf.....

Andre Vogel | So., 6. November 2016 - 12:55

Die Entwicklung in der Türkei zu einem islamischen Staat, ohne Trennung von Staat und Religion ist weit vorangeschritten. Erdogan ist ein geschickter und intelligenter Demagoge, der die zweitklassige politische Elite Europas an der Nase herumführt. Der unselige Flüchtlingsdeal von Frau Merkel mit dem "Sultan Erdogan" ist ein Knebelvertrag, der Europa zögerlich und übervorsichtig macht. Europa fühlt sich abhängig und lässt sich vorführen von einem brillant agierenden Erdogan. Die Parallelität zur Entwicklung in Deutschland ab 1933 ist verblüffend. Damals hat Westeuropa auch falsche Rücksichtnahme mit Nazideutschland geübt, solange bis Deutschland stark genug war zu diktieren. Es ist hoheZeit, nach der US Präsidentenkomödiantenwahl das Vorgehen gegen die türkische Diktatur zu koordinieren. Die Türkei braucht Europa mehr als umgekehrt. Ein Russland an der Seite Europas wäre eine Achse, an der sich auch ein Despot verhebt. Frau Merkel hat in den letzten 3 Jahren nicht viel richtig gemacht.