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Verkehr - Warum wir die Pkw-Maut brauchen

Die deutschen Straßen sind in teils katastrophalem Zustand – und der Verkehr wird in den kommenden Jahren noch steigen. Der Widerstand gegen die Pkw-Maut sollte daher aufgegeben werden

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht, wir brauchten keine Pkw-Maut. Das finden im Grunde alle Parteien, auch die CSU. Die will ja bloß die Maut für Ausländer erkämpfen. Einig sind sich Union und SPD sowie Linke und Grüne darin, dass die inländischen Autofahrer auf keinen Fall belastet werden dürften von einer Maut.

Warum eigentlich nicht? Weil sie schon genügend belastet würden, heißt es. Weil der Staat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem habe, das wird auch gern gesagt. Und schließlich: Weil die Bundeskanzlerin es im Kanzlerduell ausgeschlossen habe. Keines dieser drei Argumente gegen eine Pkw-Maut ist wirklich überzeugend.

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Das erste ist der immer wieder geleierte Gassenhauer der Autolobby. Die jammert seit Jahrzehnten, dass der arme Autofahrer die „Melkkuh der Nation“ sei. Das Bild ist scheußlich, doch Widerspruch kaum zu erwarten in einem Land, in dem 40 Millionen Autos angemeldet sind.

Wohl fast jeder Fahrer findet, er zahle längst zu viele Steuern und Versicherung; allein beim Volltanken sind hundert Euro weg, größtenteils wegen der Mineralölsteuer. Das Kraftfahrzeug-Steueraufkommen betrug 2012 gut acht Milliarden Euro, also durchschnittlich etwa 200 Euro pro Pkw.

Da nehme der Staat doch genug Geld ein, so das zweite Argument, von dem er seine bröckelnden Straßen und Brücken reparieren kann. Sieben Milliarden im Jahr seien an Bau- und vor allem Reparaturkosten nötig, ermittelte jüngst erst die sogenannte Daehre-Kommission im Auftrag von Bund und Ländern.

„Dramatischer“ Werteverfall


Doch dieser Rückfluss ist seit Jahren nicht geschehen, weil das Land größere Baustellen hatte: Rentenlücke und Pflegenotstand drohten, soziale Katastrophen galt es zu verhindern. Um es klar zu sagen: Flössen alle Einnahmen aus der Kfz- und Mineralölsteuer einfach zurück in den Straßenbau, dann wäre das verfassungswidrig.

Denn es gilt das Nonaffektationsprinzip. So heißt der finanzwirtschaftliche Grundsatz unserer Volkswirtschaft: Steuern dürfen nie zweckgebunden sein. Sämtliche Einnahmen müssen bereitgehalten werden zur Deckung möglichst der gesamten Ausgaben.

Dahinter steht die Auffassung, dass alle Staatszwecke gleich viel zählen und regierende Politiker sich die Freiheit auch erhalten müssen, die Prioritäten ihrer Ausgaben von Fall zu Fall zu entscheiden. Für dieses Management sind sie schließlich gewählt. Und vor Wahlen werben sie ja auch, wofür sie Geld ausgeben wollen.

Häufig wurde vor Wahlen versprochen, dass mehr Geld in den Straßenbau fließen solle. Diesmal waren die großen Volksparteien wieder dafür. SPD und Union versprachen mehr Geld für den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur. Denn sie wissen, dass hier seit mindestens 15 Jahren finanzpolitisch geschlampt wurde. Deutschland war zu Beginn des Jahrtausends noch Musterland weltweit mit seinem Straßensystem. Nun ist es in internationalen Rankings auf der Rutsche.

Das Präsidium des Deutschen Verkehrsforums, darunter die Chefs der Bahn, der Lufthansa und von Daimler-Benz, warnten vor einigen Monaten in einem Brandbrief an die Bundesregierung, Deutschland sei dabei, „einen wertvollen Standortvorteil zu verspielen“. Der Werteverfall sei „dramatisch“.

Pkw-Maut für Investitionen nutzen


Landespolitiker haben errechnet, es fehlten allein vier bis fünf Milliarden Euro im Jahr, um nur den Substanzverlust zu verhindern. Jede fünfte Autobahn und fast jede zweite Bundesstraße hat laut Daehre-Kommission „Warnwert 3,5“ und schlechter, sprich: mangelhaft.

Es geht also bergab. Warum sollen dann nicht die zahlen, für die Autobahnen gebaut und erhalten werden? Die Autolobby hält dagegen: Allein Lkw-Maut, Luftverkehrssteuer und Bahndividende brächten etwa sechs Milliarden Euro im Jahr ein.

Darüber hinaus muss aber permanent in neue Strecken investiert werden. Derzeit wird der Bundesverkehrswegeplan für 2015 erstellt. Darin fordern die Länder 1600 Kilometer neue Autobahnen und Bundesstraßen, nach jetziger Anmeldung sind es weit über 3000 Projekte. Dabei sind vom bisherigen Verkehrswegeplan, der seit 2003 gilt, noch zweistellige Milliarden-Investments für Straße, Schiene und Wasser offen.

Nun könnte man einwenden, es werde sowieso zu viel gebaut. Doch laut einer sogenannten „Verflechtungsprognose“ zur Verkehrsentwicklung rechnen Gutachter des Bundesverkehrsministeriums mit einem jährlichen Wachstum von über einem Prozent bis 2030. Der Export werde über drei Prozent jährlich zunehmen, der Import sogar um vier Prozent. Allein der Güterverkehr solle danach um 70 Prozent steigen.

Was immer von der vermeintlichen Exaktheit solcher Prognosen zu halten ist - sie haben ihren Sinn: In jedem alten Parkhaus wird deutlich, dass Planer, die sich zu sehr an den Autos der Gegenwart orientierten, einfach falsch lagen.

Woher soll nun das Geld kommen für die gebauten und noch zu bauenden Strecken?

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Gäbe es das Nonaffektationsprinzip nicht, wäre es am fairsten, einfach die Mineralölsteuer weiter zu erhöhen. Zehn Cent pro Liter brächten sieben Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen. Wer viel fährt, zahlt mehr. Pendler könnten die erzwungenen Mehrausgaben steuerlich anrechnen. Doch da es eben eine Steuer wäre, könnte sich niemand dauerhaft darauf verlassen, dass von diesem Geld die Wege repariert werden.

Eine jährliche Pkw-Maut von 100 Euro könnte das hingegen garantieren. Vier Milliarden Euro dürften dann – da dies eine zweckgebundene Abgabe wäre – direkt in die Verkehrswege fließen pro Jahr. 100 Euro für jeden Autobesitzer im Jahr mehr sind nicht wenig. Doch mancher zahlt so viel für den Fitnessclub monatlich oder für ein paar schicke Essen auswärts.

Öffentlich-private Partnerschaft als Alternative


Mit der Maut würden sich Autofahrer Freizeit erkaufen. Derzeit gibt es 600.000 Stau-Kilometer im Jahr in Deutschland, eine Strecke, die 15-mal um Erde reichen würde. Täglich werden etwa 800 Staus gezählt – viele davon wegen einbrechender Infrastruktur.

Käme es nicht zur Maut, weil die Kanzlerin sich eindeutig festgelegt hat, dass es zumindest keine zusätzliche Abgabe für in Deutschland angemeldete Pkw geben soll, würde Deutschland auf kurz oder lang andere ins Boot holen. Ein Staat mit Schuldenbremse wird so oder so private Geldgeber brauchen, um seinen enormen Investitionsstau aufzulösen.

Es gibt Manager, die seitens großer Unternehmen für den Staat ansprechbar sind. Bei IBM Deutschland gibt es einen eigenen Geschäftsbereich für öffentlich-private Partnerschaften. Der dort verantwortliche Manager hat bereits eine Initiative zu öffentlich-privaten Kooperationen bei Infrastrukturmaßnahmen gegründet; man wittert nun das große Geschäft.

Die künftige Bundesregierung sollte ihr Volk zumindest fragen, was ihm am Ende lieber ist: die Infrastruktur verfallen oder rückbauen zu lassen; sie mit Hilfe privater Geldgeber zu sanieren – und somit auch teils zu privatisieren. Oder aber, ob die Straßen und Brücken durch eine Zusatzbelastung von 100 Euro im Jahr pro Auto in bewährter Qualität erhalten und zugleich in öffentlicher Hand bleiben sollten.

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