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Nach Wowereit-Rücktritt - The Berlin Angst

Klaus Wowereit hat es mit seiner Rücktrittserklärung allen nochmal gezeigt. Mit seinem Abtritt hält die Angst Einzug in die Berliner Politik. Wowereits potenzielle SPD-Erben fürchten den Unmut der Bürger, der Koalitionspartner CDU die eigene Courage

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Robert Ide leitet das Berlin-Ressort des Tagesspiegels.

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In Berlin beginnt jetzt der goldene Herbst. Während die Menschen noch einmal die sonnenumsäumten Cafés und Parks und Partys stürmen, um sich wieder einmal als mediterrane Metropole von Welt zu feiern, erlebt auch ein Mann, der lange im Schatten herumsaß, noch einmal den Glanz der letzten Strahlen. Klaus Wowereit ist zurückgetreten, nach fast 14 Jahren will er nicht mehr Regierender Bürgermeister der Stadt sein, die unter ihm immer größer und weltstädtischer geworden ist und dennoch den Kiez für immer im Herzen trägt (und manchmal deshalb kleingeistiger denkt, als man so überall meint).

Am Ende ist Wowereit noch mal ganz der Alte, den die Berliner kennen und schätzen gelernt haben. Rotzig und knuddelig zugleich verkündete er am Dienstag seinen Rückzug. Seitdem absolviert er alle noch anstehenden Termine mit der vom öffentlichen Druck befreiten Lässigkeit. Nur der Rest des politischen Berlins, das sich noch in den Sommerferien wähnte, überbietet sich in Ratlosigkeit. Dem noch Regierenden Bürgermeister, der die Lust und immer mehr politische Unterstützung verloren hatte, nun aber unbedingt öffentlich freiwillig vom politischen Spielfeld gehen wollte, dürfte das gefallen. Er hat es allen noch einmal gezeigt. Und ganz nebenbei zeigt er Berlin, wie profillos die restlichen Akteure um ihn herum sind.

Das Beste wären jetzt Neuwahlen
 

Die SPD würde gerne weiterregieren - nach 25 Jahren an der Macht kommt ihr kaum noch etwas anderes in den Sinn. Deshalb kämpfen nun Parteichef Jan Stöß und Fraktionschef Raed Saleh um das Spitzenamt. Sie sind ganz unterschiedlicher Natur – Stöß ein besonnener, kluger Mann mit vielen Ideen, aber ohne Regierungserfahrung, Saleh ein ungestümer und zuweilen unüberlegt wirkender Aufsteiger mit aufregender Biografie vom Burgerbrater zum angehenden Bürgermeister – , doch eines vereint sie beide: Als Regierenden können sich die Berliner beide noch nicht vorstellen. Viele kennen sie nicht einmal. So bringt sich plötzlich Stadtentwicklungssenator Michael Müller am Freitag ins Spiel, ein trockener Verwaltungsmann, der die Bürger vergeblich für Wohnungsbau auf dem Tempelhofer Feld begeistern wollte. Den Volksentscheid verlor er krachend, und mit ihm die SPD. Seitdem spürt man bei jedem Thema ihre Angst vorm Bürger.

Das Beste für alle wären jetzt wohl Neuwahlen oder wenigstens ein Neustart. Aber die CDU von Innensenator Frank Henkel, in Umfragen vorn, hat Angst vor der eigenen Courage. Sie denkt nicht mal öffentlich über andere Koalitionen und Optionen nach und schaut Lieber von der Tribüne aus zu, wie sich der Koalitionspartner zerlegt. Taktisch mag das zunächst klug sein (auch um bei Neuwahlen sich nicht die AfD ins Haus zu holen). Aber was, wenn der in einem SPD-Entscheid gekürte und von der CDU dann klag- und bedingungslos abgenickte Kandidat plötzlich im und am Amt des Regierenden wächst –  womöglich auch über Henkel hinaus? Dann hat die CDU eine große Chance verschenkt – zum Beispiel auf Schwarz-Grün.

Klaus Wowereit als Maskottchen für Olympia in Berlin?
 

So wird also weiter das getan, was Berlin am besten kann: Wurschteln und sich gut dabei fühlen. Neuwahlen fordert nur die Opposition (außer die Piraten, die Angst vor dem eigenen Verschwinden haben). Und Visionen für einen Neustart sind derzeit nicht im Angebot. Für die Desaster-Baustelle am Flughafen hat niemand einen Plan – außer Hartmut Mehdorn, doch der kommt gerade mit der Nachricht um die Ecke, dass der BER beim nächsten möglichen Eröffnungsversuch 2016 noch viel kleiner wäre als sowieso schon verplant. Und niemand bietet ihm politisch Paroli. Die Bewerbung um Olympische Spiele, die Berlin eine neue Erzählung 35 Jahre nach dem Mauerfall verpassen könnte, wird gerade verdaddelt.

Vielleicht erbarmt sich Wowereit dieses Projekts ja noch als eine Art Maskottchen. Steigende Mieten? Flüchtlinge, die öffentliche Plätze besetzen? Kaputte Schulen und eine S-Bahn, die täglich aus dem Takt gerät? Das nimmt die Politik in Berlin schulterzuckend hin als sei es nicht ihr Problem. Und der Bürger wird bloß nicht mit Beteiligung behelligt.

So hat es Wowereit nach seinem letzten Wahlsieg vor drei Jahren auch gehalten. Er ist nicht mehr weit damit gekommen.

Dieser Text ist ein Gastbeitrag von Robert Ide. Er leitet das Berlin-Ressort des Tagesspiegels.

 

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