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Grüne in Baden-Württemberg - Die Meister des Machiavellismus

Die Grünen in Baden-Württemberg beherrschen vor den Landtagswahlen das Machtspiel perfekt. Sie decken die ganze Bandbreite des Meinungsspektrums ab – und sollte es nicht klappen, gäbe es für Winfried Kretschmann auch schon eine Anschlussverwendung

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Winfried Kretschmann könnte den meisten Wählern in Baden-Württemberg einen großen Gefallen tun. Dafür müsste er ganz einfach seiner eigenen Partei, den Grünen, den Rücken kehren und bei der CDU eintreten. Denn der Ministerpräsident ist auch für viele, wenn nicht sogar für die allermeisten Unionsanhänger in Deutschlands Südwesten, die Idealbesetzung in der Villa Reitzenstein: ein verbindlicher, geerdeter, durch und durch pragmatischer Landesvater. Ein bekennender Katholik noch dazu, der bereits als Fraktionsvorsitzender für alle unübersehbar ein großes Kreuz hinter seinem Schreibtisch platziert hatte. Schwabe, Familienvater – was will man mehr?

Nur ist er eben in der vermeintlich falschen Partei. Dass die Kretschmann-Grünen in Baden-Württemberg inzwischen mit der Landes-CDU in den Umfragen auf gleicher Höhe sind, ist wahrlich kein Zufall. Sondern das Ergebnis einer sehr durchdachten Strategie.

Grüne setzen auf asymmetrische Demobilisierung


Vor fünf Jahren war es die Reaktorkatastrophe von Fukushima, der Kretschmann seinen Wahlsieg zu verdanken hatte. Dass dem damaligen Amtsinhaber Stefan Mappus das Image eines politischen Fieslings anhing, kam erleichternd hinzu. Diesmal aber müssen es die Grünen aus eigener Kraft schaffen – und die baden-württembergische CDU war abermals so freundlich, der Konkurrenz mit einem schwachen eigenen Kandidaten entgegenzukommen. Aber der eigentliche Scoop der Südwest-Grünen besteht in etwas ganz anderem: Sie haben einfach die altbewährte Wahl-Taktik der Merkel-CDU übernommen. Und die lautet: Angleichung an den Gegner bis zur Ununterscheidbarkeit. Man könnte sogar sagen: Die Grünen versuchen sich als bessere Christenunion. Winfried Kretschmann wird am Ende die Partei gar nicht wechseln müssen, um auch die CDU-Anhänger glücklich zu machen. Der Mann hat nämlich das politische Merkel-Gen.

Es ist schon lustig, wenn die baden-württembergische CDU dem grünen Ministerpräsidenten jetzt vorwirft, er würde die Bundeskanzlerin „stalken“. Denn natürlich folgen Kretschmanns ständige Merkel-Belobigungen einschließlich seiner Behauptung, er bete täglich für die Gesundheit der Kanzlerin, einem sehr kühlen Plan, der aus dem bisher bewährten Arsenal der CDU-Wahlkämpfer stammt. Es ist nichts anderes als eine Variante der asymmetrischen Demobilisierung. Das Kalkül: Durch Merkel-Mimikry und Kanzlerinnen-Lob werden jene Unionsanhänger zum Nichtwählen verleitet, die sich mit der postmodernen Ausprägung ihrer eigenen Partei noch halbwegs anfreunden können – und Kretschmann gleichzeitig für den besseren Ministerpräsidenten halten als den blassen und ungelenken CDU-Kandidaten Guido Wolf. Die baden-württembergischen Grünen haben ganz einfach den Spieß umgedreht und demobilisieren jetzt gnadenlos zurück.

Ein anderes Amt für Winfried Kretschmann


Die Südwest-Grünen gehen sogar so weit, der CDU den konservativen Markenkern streitig zu machen. Dieses Geschäft übernimmt natürlich nicht der gleichsam über dem hässlichen Tagesgeschäft schwebende Winfried Kretschmann. Sondern grüne Oberbürgermeister wie Dieter Salomon in Freiburg oder Boris Palmer in Tübingen – wobei letzterer unverhohlen den Alfred-Dregger-Flügel in seiner Partei abbildet. Als vehementer Kritiker der Merkelschen Flüchtlingspolitik dürfte Palmer inzwischen sogar für den einen oder anderen AfD-Sympathisanten wählbar sein. Und so decken die Grünen im Ländle mittlerweile die ganze Bandbreite des politischen Meinungsspektrums ab – noch dazu auf dem Fundament kommunalpolitischer street credibility. Ein Meisterstück des Machiavellismus.

Während Baden-Württembergs Spitzen-CDUler jetzt weinerlich von ihrer Bundesparteivorsitzenden einfordern, sie möge sich endlich von ihrem Hardcore-Fan Winfried Kretschmann distanzieren, hegt die vielleicht schon ganz andere Pläne. Wäre der erste grüne Ministerpräsident nicht sogar eine Traumbesetzung für das Amt des Bundespräsidenten? Und welches Signal ginge wohl von einer solch kühnen Personalentscheidung aus?

Falls Guido Wolf, dieser Ritter von der traurigen Gestalt, tatsächlich glauben sollte, Angela Merkel sei ihm etwas schuldig, dann kann man ihm nur gute Besserung wünschen. Als er ihr beim Karlsruher Parteitag im Dezember einen Plüsch-Wolf in die Hand drückte und dazu bemerkte, Baden-Württemberg sei „Wolfserwartungsland“, konterte die Kanzlerin jedenfalls schlagfertig: Bei ihr in Brandenburg sei der Wolf schon längst angekommen. Gut zu wissen.

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