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Große Koalition - Schwarz-Rot wird wohl keine vier Jahre halten

Die Große Koalition steht. Wie lange sie regieren wird, hängt entscheidend davon ab, wie vertrauensvoll Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel zusammenarbeiten. Doch ob die drei tatsächlich zusammenfinden, bleibt offen

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Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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„Warten kann ich“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in der vergangenen Woche bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages. Sie wird noch zwei Wochen warten müssen. Aber die Große Koalition kommt. Den Zeitplan wird allem Anschein nach auch die SPD-Basis nicht mehr aufhalten. Am 17. Dezember wird Angela Merkel im Amt bestätigt werden. Kurz vor Weihnachten bekommt Deutschland endlich eine neue Regierung, drei Monate nach der Wahl.

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Wie lange die Große Koalition regieren wird, ist völlig offen. Es mag der journalistischen Lust am Streit geschuldet sein, sich mit dieser Frage bereits zu beschäftigen, bevor die Regierung überhaupt steht und die Minister ernannt sind. Doch die Frage stellt sich schon jetzt völlig berechtigt. Schließlich sollen Große Koalitionen in der parlamentarischen Demokratie nur die Ausnahme sein und nicht die Regel. Zudem ist es offensichtlich, dass vor allem die SPD von Anfang an die Grenzen der Großen Koalition testen wird. Sigmar Gabriel hat die Basis seiner Partei nur mit dem Versprechen in die Große Koalition locken können, dass es spätestens 2017 eine rot-rot-grüne Regierung geben wird. Die Basis wird ihn schon bald daran erinnern.

Schwarz-Rot Troika ist reines Zweckbündnis


Die Zentrifugalkräfte in der Großen Koalition sind also von Anfang an stark. Die SPD drängt es nach links, und weil dem so ist, hat die CDU ihre Liebe zu den Grünen entdeckt. Die CSU denkt sowieso zuerst an Bayern. Sie ist in Berlin zu jedem Sperrfeuer bereit, wenn sie zwischen Aschaffenburg und Garmisch mit Beifall rechnen kann. Schon in den Koalitionsverhandlungen hat sich gezeigt, vieles, fast alles wird in der Großen Koalition davon abhängen, wie die drei Parteivorsitzenden miteinander auskommen, wie vertrauensvoll Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel zusammenarbeiten können.

Wenn es sein muss, können sie. Das haben die letzten Wochen gezeigt. Vor allem ihrem Einsatz und ihrer Kompromissbereitschaft ist es zu verdanken, dass diese Regierung überhaupt zustande gekommen ist. Aber die letzten Wochen haben auch gezeigt, wie unterschiedlich die Charaktere der drei sind, wie viel Kraft es sie kostet, sich zusammenzuraufen. Und sie haben gezeigt, wie unterschiedlich ihre strategischen Interessen sind. Die schwarz-rote Troika ist ein reines Zweckbündnis.

CDU nur noch vom Machtwillen zusammengehalten


Angela Merkel ist die erfahrene Regentin, aber sie ist zugleich eine große Zauderin. Merkel ist eine beim Volk beliebte Kanzlerpräsidentin, die über dem Parteienstreit steht und deren Partei alles mitmacht. Aber sie steht zu Beginn ihrer dritten Amtszeit zugleich im Zenit ihrer Macht. Der Wahlsieg, bei dem sie nur knapp die absolute Mehrheit der Mandate verfehlte, lässt sich kaum noch toppen. Die Frage, wer Merkel nachfolgt, wird in der CDU schon bald aufgeworfen werden und damit auch die Frage, welche Zukunft eine Partei hat, die keinen Markenkern mehr besitzt und nur noch vom puren Willen zur Macht zusammengehalten wird. Die Unruhe in der CDU wird zunehmen. Die Partei wird von Angela Merkel etwas fordern, was sie nicht besitzt: Führungsstärke.

Horst Seehofer hingegen ist ein politischer Spieler, den gelegentlich auch die pure Lust am Zündeln antreibt. Ein Mannschaftsspieler ist der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident allerdings überhaupt nicht. Seine Agenda heißt Seehofer, sein politisches Projekt heißt Bayern. Aber es war zuletzt schwierig, mit ihm – abgesehen von der fragwürdigen PKW-Maut für Ausländer – irgendwelche politischen Grundsatzpositionen zu verbinden.

Mehr als die CDU ist die CSU allerdings darauf angewiesen, dass sich rechts von ihr keine neue, vor allem keine europakritische Partei etabliert. Im Mai kommenden Jahres sind Europawahlen und die AfD könnte dann zulasten der CSU einen großen Wahlerfolg feiern. Horst Seehofer wird also schon bald wieder rechts blinken müssen und damit die Statik der Großen Koalition gefährden.

Bleibt Sigmar Gabriel. Führungswillen hat er ohne Zweifel. Wider alle Erwartungen hat der Vorsitzende seine Partei bislang gut durch die Koalitionsverhandlungen geführt. Wenn die SPD jetzt in die Große Koalition eintritt, ist dies auch sein persönlicher politischer Erfolg. Doch es gibt auch den anderen Sigmar Gabriel, den unberechenbaren, den sprunghaften, den launischen. Vieles, was Sigmar Gabriel in seiner politischen Karriere aufgebaut hat, hat er selbst wieder eingerissen. Der Pleiten- und Pannen-Wahlkampf, den in erster Linie auch der Parteivorsitzende zu verantworten hat, ist nicht vergessen.

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Hinzu kommt eine Partei, die zutiefst verunsichert und orientierungslos ist. Die Basis lässt sich nur widerwillig auf die Große Koalition ein. Die naive Sehnsucht nach einem Linksbündnis ist unter Sozialdemokraten riesig. Die gesamte Parteiführung steht in der Großen Koalition zugleich unter permanentem Verratsverdacht. Sigmar Gabriel wird, wenn er tatsächlich 2017 Kanzlerkandidat werden will, schon bald beweisen müssen, dass er nicht nur führen will, sondern auch kann. Doch bislang wirkt Gabriel vor allem wie ein Getriebener, der sich in das Mitgliedervotum gerettet hat. Neuer Streit mit der SPD-Basis ist also programmiert.

Dabei wissen alle Beteiligten, dass der Koalitionsvertrag eigentlich nur eine Momentaufnahme ist. Ein grober Orientierungsrahmen für die gemeinsame Politik der nächsten vier Jahre. Es wäre politisch vermessen, den Koalitionsvertrag nun in den kommenden vier Jahren im Sinne einer Checkliste abarbeiten zu wollen. Dass sich Politik planen ließe, daran hat nur die SED geglaubt.

SPD kann die Große Koalition jederzeit sprengen


Nur mit gegenseitigem Vertrauen lässt sich also regieren, nicht mit einem Vier-Jahresplan. Dieses gegenseitige Vertrauen müssten die Zauderin, der Spieler und der Getriebene aufbringen, wenn sie vier Jahre erfolgreich regieren wollen. Doch längst ist in der Großen Koalition die Saat des Misstrauens gesät.

Viel kann passieren, eine Rezession oder eine Naturkatastrophe, eine internationale Krise oder ein innenpolitischer Skandal. Immer wird die Regierung reagieren müssen, ohne eine Blaupause zu haben und auf den Koalitionsvertrag zu achten. Zudem gibt es in jedem Gesetzgebungsverfahren etwa zum Mindestlohn oder zur PKW-Maut noch so viele Fragen zu klären, die kein Koalitionsvertrag der Welt bedenken kann und somit gibt es viele Möglichkeiten übereinander herzufallen. Auch der Bundesrat, in dem CDU, CSU und SPD keine Mehrheit haben, wird der Großen Koalition noch einiges abverlangen.

Der Koalitionsvertrag ist somit der Faustpfand der SPD. Mit Verweis auf den Koalitionsvertrag kann die SPD die Große Koalition jederzeit sprengen. Jederzeit kann Sigmar Gabriel die Basis als Gralshüter des vereinbarten Wortes gegen das Regierungsbündnis mit CDU und CSU mobilisieren. Jederzeit kann die SPD-Basis mit Verweis auf das Mitgliedervotum gegen die Parteiführung rebellieren.

Eine Kanzlerin ohne politischen Kompass, ein CSU-Vorsitzender mit politischer Spielsucht und ein SPD-Chef, dem die Basis im Nacken sitzt: das kann auf Dauer nicht gut gehen. Die Große Koalition wird also von Anfang an ein Bündnis auf Abruf sein. Es wäre ein politisches Wunder, wenn es vier Jahre halten würde.

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